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Garik runzelte die Stirn, seine Augen glänzten düster. »Vielleicht. Obwohl ich seitdem nicht mehr bei einer Frau gelegen habe...« Er schüttelte den Kopf. »Auf jeden Fall habe ich für sie getan, was ich konnte. Ich setzte das Schloß in Brand, damit der Mob es nicht in die Hände bekam. Die Asche meiner Familie liegt dort unter den geschwärzten Steinen des Saales, den mein Ururgroßvater gebaut hat. Dann ritt ich eine Zeitlang ziellos umher. Es war mir egal, was mit mir geschah. Schließlich traf ich auf eine Gruppe von Männern, von denen viele wie ich aus ihrer Heimat vertrieben worden waren. Sie stellten keine Fragen. Sie kümmerten sich nicht um mich, außer daß ich geschickt mit einem Schwert umgehen konnte. Ich gesellte mich zu ihnen, und wir lebten von unseren Fähigkeiten.«

»Banditen?« fragte Michael.

»Ja, Banditen«, bestätigte der junge Mann kalt. »Schockiert dich das vielleicht? Daß ein Ritter von Solamnia seine Ehre vergißt und sich Banditen anschließt? Ich frage dich, Michael, wo war die Menschlichkeit, als sie meinen Vater, deinen Onkel, ermordeten? Wo ist sie überhaupt in diesem erbärmlichen Land?«

»Vielleicht nirgendwo«, gab Michael zurück, »außer in unseren Herzen.«

Garik schwieg. Dann begann er zu weinen, ein rauhes Aufschluchzen, das an seinem Körper riß. Sein Vetter legte die Arme um ihn und drückte ihn an sich.

Garik seufzte. »Du hast recht, Vetter. Durch das Leben mit Räubern bin ich in eine Grube gefallen, aus der ich vielleicht nicht mehr herausgekommen wäre, wenn nicht der General aufgetaucht wäre...«

»Dieser Caramon?«

Garik nickte. »Eines Abends überfielen wir ihn und seine Begleiter. Und dieser Vorfall hat mir die Augen geöffnet. Zuvor hatte ich immer Leute ausgeraubt, ohne viel darüber nachzudenken, manchmal genoß ich es sogar, indem ich mir sagte, es seien Hunde wie jene, die meinen Vater umgebracht hatten. Aber zu dieser Gruppe gehörten eine Frau und ein Zauberkundiger. Der Zauberer war krank. Ich schlug ihn nieder. Und die Frau – ich wußte, was sie mit ihr vorhatten, und der Gedanke machte mich krank. Aber ich hatte Angst vor dem Anführer, Stahlfuß nannten sie ihn. Er war eine Bestie! Ein Halboger... Doch der General hat ihn herausgefordert. In jener Nacht sah ich einen Mann, der bereit war, sein Leben zu opfern, um die Schwächeren zu schützen. Und er gewann.« Er wurde ruhiger. Während er sprach, leuchteten seine Augen vor Bewunderung. »Da habe ich erkannt, was aus meinem Leben geworden war. Als Caramon fragte, ob wir mit ihm kommen würden, war ich einverstanden, wie die meisten anderen auch. Aber ihre Entscheidung war mir egal – ich wäre mit ihm überall hingegangen.«

»Und jetzt gehörst du zu seiner Leibwache?« fragte Michael lächelnd.

Garik nickte. »Ich habe ihm gesagt, daß ich nicht besser als die anderen sei – ein Bandit, ein Halunke. Aber er hat mich einfach angesehen, als ob er in meine Seele blicken könnte, und gelächelt und gesagt, daß jeder Mann durch eine dunkle, sternenlose Nacht gehen müsse, wenn er dem Morgen ins Gesicht sehen wolle.«

»Seltsam«, sagte Michael. »Ich frage mich, was er damit meint.«

»Ich glaube, ich verstehe es«, sagte Garik. Sein Blick wanderte zu dem anderen Ende des Lagers, wo Caramons großes Zelt stand. »Manchmal frage ich mich, ob er nicht durch seine eigene ›dunkle Nacht‹ geht. Manchmal hat er einen Gesichtsausdruck...« Er schüttelte den Kopf. »Weißt du«, sagte er, »er und der Zauberer sind Zwillinge.«

Michael riß die Augen auf.

»Es ist eine seltsame Beziehung. Zwischen ihnen besteht keine große Liebe.«

»Eine der Schwarzen Roben?« fragte Michael höhnisch. »Das kann ich mir auch nicht vorstellen! Es wundert mich, daß der Magier mit uns zieht. Wie ich gehört habe, können diese Zauberer auf den Nachtwinden reiten und Kräfte aus den Gräbern herbeirufen, die ihre Schlachten schlagen.«

»Dieser kann das bestimmt, da bin ich mir sicher«, erwiderte Garik und warf einem kleineren Zelt neben dem des Generals einen düsteren Blick zu. »Obwohl ich nur einmal gesehen habe, wie er seine Magie angewendet hat, damals im Banditenlager, weiß ich, daß er mächtig ist. Ein Blick von ihm, und mein Magen schrumpft zusammen, mein Blut verwandelt sich in Wasser. Aber wie ich sagte, ging es ihm nicht gut, als ich sie kennenlernte. Als er noch im Zelt seines Bruders geschlafen hat, hörte ich ihn Nacht für Nacht husten, bis ich glaubte, daß er nie wieder Atem holen könne. Wie kann ein Mensch mit solch einem Übel leben? fragte ich mich mehr als einmal.«

»Aber es schien ihm gut zu gehen, als ich ihn heute sah.«

»Seine Gesundheit hat sich deutlich gebessert, und er unternimmt nichts, was sie gefährden könnte. Den ganzen Tag verbringt er in seinem Zelt und studiert die Zauberbücher, die er in riesigen Kisten mit sich führt. Aber auch er geht durch seine ›dunkle Nacht‹. Schwermut umgibt ihn, und sie wird stärker, je weiter südlich wir kommen. Er wird von schrecklichen Träumen heimgesucht. Ich habe ihn im Schlaf schreien hören. Entsetzliche Schreie – sie erwecken die Toten.«

Michael schauderte und sah zu Caramons Zelt hinüber. »Ich hatte große Bedenken, in eine Armee einzutreten, die von einer der Schwarzen Roben angeführt wird, wie ich gehört hatte. Und von allen Zauberern, die je gelebt haben, soll dieser Fistandantilus der mächtigste sein. Ich hatte mich noch nicht ganz entschieden, als ich heute angekommen bin. Ich dachte, ich prüfe erst einmal nach, ob sie wirklich in den Süden ziehen, um dem unterdrückten Volk in Abanasinia in seinem Kampf gegen die Bergzwerge zu helfen... Obgleich mein Vater noch lebt«, fuhr er fort, »glaube ich, daß er sehr gern sein Leben gegen den Tod deines Vaters tauschen würde. Der Herr von Vingaard stellte uns vor eine Entscheidung – wir konnten in der Stadt bleiben und sterben oder sie verlassen und leben. Vater wäre am liebsten gestorben. Ich auch, wenn wir nur an uns selbst hätten denken müssen. Aber wir konnten uns den Luxus der Ehre nicht erlauben. Es war ein bitterer Tag, als wir zusammenpackten, was auf einer kleinen Karre Platz fand, und unsere Burg verließen. Ich habe mich darum gekümmert, daß meine Angehörigen in einer Hütte in Trotyl Unterkunft fanden. Es ist mit ihnen alles in Ordnung, zumindest für diesen Winter. Mutter ist stark und arbeitet wie ein Mann. Meine kleinen Brüder sind gute Jäger...«

»Und dein Vater?« fragte Garik, als Michael zu reden aufhörte.

»An jenem Tag brach sein Herz«, erwiderte Michael. »Er sitzt am Fenster und starrt hinaus, sein Schwert liegt auf seinem Schoß. Er hat seit dem Tag, als wir unsere Burg verließen, kein einziges Wort mehr gesprochen.« Er ballte seine Hand zur Faust. »Warum soll ich dich anlügen, Garik? Dieses unterdrückte Volk in Abanasinia interessiert mich überhaupt nicht! Ich bin wegen des Schatzes gekommen! Wegen des Schatzes unter dem Gebirge! Und wegen des Ruhms! Wenn wir gewinnen, können die Ritter wieder ihre Häupter heben!« Auch er sah zu dem kleinen Zelt neben dem großen hin, dem kleinen Zelt, an dem das Zeichen eines Zauberers hing und das jeder im Lager nach Möglichkeit mied. »Aber um diesen Ruhm zu gewinnen, muß ich mich einer Armee anschließen, die von einem Mann angeführt wird, der der Schwarze genannt wird. Die Ritter von früher hätten das nicht getan. Paladin...«

»Paladin hat uns vergessen«, unterbrach ihn Garik bitter. »Wir sind auf uns gestellt. Ich weiß nichts von schwarzgekleideten Zauberern, und dieser eine kümmert mich wenig. Ich bleibe hier und folge dem General. Wenn er mich zu meinem Glück führt, gut und schön. Wenn nicht«, Garik seufzte, »dann hat er mich zumindest dahin geführt, wo ich Frieden finde. Ich wünsche ihm das Gleiche«, sagte er leise. Dann erhob er sich.

Auch Michael erhob sich.

»Ich muß zum Lager zurück und etwas schlafen. Ich muß morgen früh aufstehen«, sagte Garik. »Wie ich gehört habe, treffen wir Vorbereitungen, um im Laufe der Woche weiterzumarschieren. Nun, Vetter, wirst du bleiben?«

Michael sah Garik an. Er blickte auf Caramons Zelt, seine leuchtende Flagge mit dem neunzackigen Stern flatterte in der eisigen Luft. Er sah zu dem Zelt des Zauberers. Dann nickte er. Garik lächelte. Sie drückten sich die Hand und gingen zu den Lagerfeuern zurück.