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In einem dunklen Seitenkorridor erkannte er im Vorbeigehen die Umrisse von drei Zwergen, einer war sehr schmal und zierlich, die anderen breit, einer davon sogar von hohem Wuchs.

Da... Das war Myrs Stimme! Tungdil blieb stehen und kehrte zum Gang zurück. »Hallo, Myr. Hast du dich auch verlaufen?«, fragte er heiter.

Die kleinere Zwergengestalt stieß die größere grob zurück. Tungdil vernahm einen unterdrückten Frauenschrei, eine Rüstung und ein schwerer metallischer Gegenstand kollidierten scheppernd mit der Wand. Dann klatschte es laut.

In Tungdil erwachten die Kriegerseele und die Sorge des Gatten. Er packte seine Axt und sprang zwischen die Zwerge, die Myr bedrängten. »Zurück«, sagte er aufgebracht und sah, dass auf der linken Gesichtshälfte der Chirurga tiefe Schnitte klafften. Rotes Blut quoll hervor und rann über ihre weiße Haut. Nun betrachtete er die Angelegenheit als äußerst persönlich.

Romo hielt zwei dicke Bücher in der Hand, die andere langte bereits nach dem Morgenstern. An den Knöcheln des Eisenhandschuhs klebte Myrs Blut. »Habe ich das Vergnügen, den Held des Geborgenen Landes erschlagen zu dürfen?«, kicherte er. Er warf die Folianten seinem Begleiter zu. »Hier, Salfalur. Bring sie meinem Oheim. Er wartet sicher sehnsüchtig darauf.«

Salfalur! Das ist der Mörder meiner Eltern! Tungdil starrte den Begleiter Romos an, der die Bücher fing und sich zur Flucht wandte. Die Tätowierungen machten sein grausames Gesicht noch finsterer, fast dämonisch.

»Nein! Meine Aufzeichnungen!«, schrie Myr, riss einen Dolch aus ihrem Gürtel und warf sich todesmutig gegen den riesigen Zwerg. »Ihr bekommt sie nicht!«

Salfalur ließ den Dolch gegen seine Rüstung prallen; klirrend brach die Spitze ab. Dann drosch er der Zwergin die gepanzerte Faust mitten in das geschundene Gesicht. Sie flog wie von einem Schmiedehammer getroffen rückwärts, fiel gegen die Mauer und sank regungslos auf den Boden. »Romo«, befahl er mit tiefer Stimme. »Wir gehen, ehe die Maga oder ihr Famulus auftauchen.«

»Nein«, lachte der. Die Ketten und Kugeln seines Morgensterns kreisten leise surrend um den Griff und beschrieben einen Kreis. »Ich gehe erst, wenn ich wenigstens einen Zwerg getötet habe. Es wäre das erste Mal, dass ich bei einer Zusammenkunft keinen von ihnen sterbend zurückließe.«

Tungdils Verstand überwand den lähmenden Schrecken, den ihm die Erkenntnis und der Angriff auf seine Gemahlin beschert hatten. Gerade noch rechtzeitig duckte er sich unter den heranzischenden Kugeln hinweg.

»Du wirst keinen mehr von uns töten, wenn ich mit dir fertig bin, Romo«, versprach er aufgebracht. Er rammte dem Zwerg den Stil der Axt in den Oberschenkel, riss sie heraus und nutzte den Schwung, um mit dem Axtkopf zuzuschlagen.

Fluchend wich Romo aus, humpelte rückwärts und betrachtete seine Wunde. Sein Gesicht verzog sich zu einer Fratze. »Du sollst sterben, Blutsverräter!«, brüllte er ihm seinen Hass entgegen, nahm den Schaft seiner Waffe in beide Hände und begann eine Folge von Angriffen.

Tungdil beschränkte sich darauf, den eisendornenbesetzten Kugeln auszuweichen. Der Gewalt, mit der Romo sie lenkte, hatte der Stiel der Axt, so gut er sie mit Eisenbändern verstärkt hatte, nichts entgegenzusetzen. Sie würde bersten und ihn ohne Waffe zurücklassen.

Polternd schlugen die Kugeln des Morgensterns gegen die Gangwände und sprengten Stücke aus den Mauern, aber Romos Wut und Attacken wollten nicht enden. Keuchend und fluchend setzte er seinem Gegner nach.

Tungdil stolperte im Zurückweichen über Myr, die Unaufmerksamkeit wurde mit einem fürchterlichen Hieb bestraft. Eine eiserne Kugel schlug ihm gegen den Oberarm, die anderen prallten genau auf die gebrochenen Rippen. Aufstöhnend krümmte er sich zusammen und behielt nur mit eiserner Disziplin die Axt in der Hand.

»Was? Ein Treffer genügt, um dich zu bezwingen, du Held?«, verspottete Romo ihn und ließ den Morgenstern über dem Kopf zum nächsten Schlag kreiseln. »Was macht dann wohl ein zweiter aus dir?«

Die Kugeln schwirrten heran.

Tungdil nutzte seine Klinge, um sie abzulenken. Krachend fuhren sie ins Holz einer Tür, durchschlugen die Latten. Die Kette verhakte sich, und so sehr der Dritte daran herumriss, seine Waffe steckte fest.

»Wie viel verträgst du?«, wollte Tungdil wissen und führte die Axt einhändig gegen die Körpermitte Romos. Die Schneide schnitt sich durch das Eisen bis ins Fleisch; rotes Blut schoss aus der Wunde.

Anstatt sich zurückzuziehen, ließ der Dritte den nutzlos gewordenen Griff des Morgensterns los und schlug stattdesssen mit beiden Fäusten gleichzeitig nach dem Gesicht seines Widersachers. Tungdil ging benommen zu Boden. Die Augenlider schwollen an, Blut aus einer Platzwunde über der rechten Braue raubte ihm die Sicht.

Romo riss sich die Axt aus dem Leib und packte sie. »Mehr als du!«, schrie er zur Antwort und holte zum Streich aus.

Plötzlich wurde er in grelle Flammen gebadet.

»So spüre meine Macht!«, hörte Tungdil eine Männerstimme übertrieben laut rufen. Eine Flammenlohe schoss heiß über ihn hinweg und hüllte Romo ein zweites Mal ein.

Bart und Haare hatten Feuer gefangen, verbrannten, schwarze Gesichtshaut platzte auf. Stinkender Qualm füllte den Korridor.

Romo versuchte nicht einmal, sich zu löschen. Er machte einen Schritt nach vorn und hieb nach Tungdil, als sich eine Gestalt von hinten gegen ihn warf und seinen Schlag auf diese Weise fehlleitete. Die Axt fuhr Funken sprühend eine halbe Handbreit neben dem Zwerg in den Boden.

Romo schüttelte seinen Angreifer knurrend ab.

»Ho, es gibt einen der Dritten zu vernichten!«, rief Ingrimmsch laut. Schon hechte er über Tungdil hinweg und wollte Romo seine beiden Beile zu kosten geben.

»Halt«, rief Tungdil ihn zurück. Er stemmte sich in die Höhe und zog den Morgenstern aus der zerstörten Tür. »Er gehört mir.«

Den ersten Schlag parierte Romo noch, doch der nachfolgende erwischte Hals, Brust und Kopf. Benommen wankte er, ohne niederzusinken.

Tungdil benötigte drei weitere kraftvolle Schläge, bis der Neffe Lorimbasʹ tot im Gang lag. Bei dir bin ich gern ein Zwergentöter, dachte er und warf den Morgenstern gleichmütig auf den Besiegten.

»Der war nichts. Verwundet und angekokelt, so ist das keine Herausforderung«, beschwerte sich Ingrimmsch enttäuscht. »Wo ist der andere? Der Dicke? Der käme mir gerade recht.«

Boëndal kümmerte sich gemeinsam mit Tungdil und Rodario, der den zaubernden Famulus gemimt hatte, um Myr, die ohnmächtig auf den kalten Steinplatten lag.

Trotz seiner Schmerzen trug Tungdil sie in ihre Unterkunft und kümmerte sich um ihre Wunden, bis Narmora erschien und sie mit Hilfe ihrer Magie versorgte. Nicht einmal eine Narbe blieb auf Myrs weißer Haut zurück; selbst der silbrigweiße Flaum stand, als wäre er nie in Mitleidenschaft gezogen worden.

Danach ließ sie Tungdil ihre heilende Macht angedeihen und befreite ihn von den gebrochenen Rippen. Probehalber bewegte er sich, doch ihm tat nichts mehr weh. »Magie ist mir noch immer unheimlich«, gestand er ihr.

»Du willst sagen, meine Magie ist dir ebenso unheimlich wie die Andôkais.«

»Du bist ein Anhänger Samusins wie sie?«

»Es gibt keinen anderen Gott, der meine Gebete akzeptieren würde. Mach dir um Myr keine Sorgen, sie wird bis morgen schlafen«, erklärte Narmora. »Geh und hilf den anderen bei der Suche nach dem Dritten.«

»Er heißt Salfalur«, sprach er dessen Namen düster aus, packte seine Axt und stieß zu den beiden Zwillingen, die mit Rodario vor der Tür ausharrten. »Danke für deine Hilfe. Kennst du die schnellsten Wege aus der Stadt?«, fragte er den Mimen.

»Ich habe sie erbaut, mein gereizter Freund«, gab Rodario großspurig zurück. »Nun, sagen wir, ich lasse sie erbauen. Nach den Plänen von Furgas«, räumte er nach und nach ein.