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»Du bist nicht der Ansicht, dass wir gehen sollten?«, fragte er rundheraus.

»Nein«, gestand Tungdil mit aller Offenheit und erklärte dem König seine Gründe, wie er sie auch der Versammlung der Zwergenherrscher dargelegt hatte.

Dieses Mal erzielte er mit seinen Einwänden mehr Erfolg. »Deine Überlegungen ergeben einen Sinn«, räumte Gemmil ein. »Aber was willst du gegen eine List der Dritten unternehmen, ohne dir möglicherweise den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, das Geborgene Land der Vernichtung preisgegeben zu haben?«

»Die Freien bitten, mein Vorhaben zu unterstützen«, sagte er kurzerhand. »Wenn du einen Handel abschließt und es dabei um viel Gold geht, würdest du zahlen, ohne vorher die Ware gesehen zu haben? Kennst du einen, der den Diamanten im Sack kauft?« Er sah den König den Kopf schütteln. »Wäre es nicht recht und billig, nicht eher aus dem Land zu weichen, bis wir die Sicherheit haben, dass die Dritten die versprochene Waffe besitzen und sie überhaupt etwas gegen die Avatare taugt? Ist das nämlich nicht so, ist unsere Heimat mit Sicherheit dem Untergang geweiht. Die Dritten können die Avatare gewiss nicht aufhalten.«

Gemmil schaute zu Sanda. »Wie ist deine Meinung?«

»Ich bin nach zwergischen Maßstäben noch nicht so lange aus dem Schwarzen Gebirge fort und müsste mich erinnern, sollte jemals die Rede von Aufzeichnungen im Schwarzjoch die Rede gewesen sein«, antwortete sie bedächtig. »Der Berg galt uns viel, es ist eine Stätte unserer Vorfahren, aber von verborgenen Geheimnissen weiß ich nichts. Es wundert mich schon, wie Lorimbas vorgeht.«

»Nun, dennoch sind etliche Zyklen vergangen, seit du deinen Stamm verließest«, hielt Myr unerwartet dagegen. »Wer weiß, was sich in der Zwischenzeit dort ereignet hat? Bedenken wir, wie der Lauf der Dinge in nur einem Jahr vonstatten ging. Ich würde mich nicht auf deine Meinung verlassen, Sanda.« Sie strafte die Kriegerin mit unverkennbarer Verachtung. »Sei vorsichtig, Gemmil. Ebenso kann Lorimbas wirklich in den Besitz einer solchen Waffe gelangt sein.«

Tungdil fühlte sich überrumpelt. »Was redest du da, Myr? Bist du gegen mich?«

»Nein«, sagte sie beruhigend und ergriff seine Hand. »Nicht gegen dich. Gegen zu viel Wagemut und Kühnheit, die einem Helden zwar gebühren, die aber Verderben über zu viele andere bringen können.« Sie drückte seine Finger. »Betrachte mich in unserem kleinen Disput als Stimme der Vernunft. Wenn ihr am Ende eure Entscheidung gefällt habt, meinetwegen auch gegen die Stimme der Vernunft, stehe ich an deiner Seite, was auch immer dein Plan sein wird.«

»Und bedenke eine weitere Sache, Tungdil.« Sanda deutete auf sich. »Willst du das gleiche Schicksal teilen wie ich? Du würdest dich gegen deinen Großkönig stellen, und sogar für einen Helden wie dich würde das eine Strafe nach sich ziehen. Du wärst ein Ausgestoßener. In Anbetracht der Lage und der möglichen Folgen, die aus deinem Tun erwachsen könnten, würde man deinen Ungehorsam ungleich schwerwiegender einstufen als einen gewöhnlichen Verstoß gegen die Regeln des Stammes und der Clans.« Sie hielt kurz inne. »Vielleicht darfst du nie mehr zu den Fünften zurück. Bist du dir darüber im Klaren?«

Tungdil lächelte Myr an. »Seit ich bei euch bin, kommt es mir so vor, als gehörte ich genau an diesen Ort. Ich bin umgeben von Zwergen, die sich ihrer Tradition bewusst sind, aber sich nicht von ihr beherrschen lassen und ein freies Leben führen. Hier habe ich mein Herz mit dem einer Zwergin eisern verbunden.« Obwohl seine Worte nicht von Zweifeln zeugten, schwebte über allem das Antlitz von Balyndis. Sie hat ihre Entscheidung getroffen, ich musste meine treffen, verteidigte er sich vor seinem inneren Dämon, um ihn daran zu hindern, ungefragt seine Meinung kund zu tun.

Mich täuschst du nicht, hörte er ihn dennoch kichern.

»Da du dir sicher bist mit dem, was du beabsichtigst, erläutere mir die Einzelheiten deines Vorhabens«, forderte Gemmil. »Es wird Zeit, dass die Freien ihren Anteil am Schutz des Geborgenen Landes leisten.«

Und Tungdil legte seinen Plan dar.

Das Geborgene Land, das Königreich der Ersten,

Ostseite des Roten Gebirges,

6234. Sonnenzyklus, Frühwinter

Wieder begann es zu schneien. Die Schneeflocken ließen sich auf den neun Türmen und beiden Mauern Ost-Eisenwarts nieder, die in allerkürzester Zeit von den Ersten wieder errichtet worden waren.

Jede Hand, und war sie auch noch so klein, hatte mit angepackt, bis die Trümmer beiseite geräumt und die Steine fest aufeinander gefügt waren. Sogar die fünf Wälle in der Schlucht, die zum Eingang ins Reich der Ersten führte, erhoben sich neu.

Die Ingenieure hatten aus den Fehlern ihrer Vorfahren gelernt und die Standfestigkeit so berechnet, dass es der dreifachen Schneelast des vergangenen Winters bedurfte, bis die Bauten mit ihren Türmen und Brücken in Gefahr gerieten einzustürzen.

Oberhalb am Hang hatten sie Lawinenbrecher errichtet; dicke Steinkeile und Querschüttungen aus Basalt würden den Weißen Tod rechtzeitig abfangen, damit er nicht noch einmal über sie herfiele.

Was Schnee und Eis trotzte, widerstand auch Lorimbas Stahlherz und seiner Schar, die sich vor dem verschlossenen Tor des ersten Walles am Eingang der Schlucht aufreihten.

Salfalur stand vor dem Portal und suchte nach einem Öffnungsmechanismus, fand aber nur eine kahle Stelle in den Steintüren, an denen sich einst die Runen befunden hatten, mit denen einem Besucher Einlass gewährt wurde. Einem freundlichen Besucher.

»Nichts«, rief er zu Lorimbas, der sich wie alle Zwerge seiner Streitmacht mit dicken Wollumhängen über der Rüstung, Schal und Handschuhen vor dem klirrenden Frost schützte. Ihm als Herrscher lag ein Pelz um die Schultern, sein Kopf trug den Königshelm. »Es ist fest verschlossen. Wir werden klettern müssen.«

»Vermaledeite Bande«, rief er, und seine Stimme hallte von den Schluchtenwänden wider. »Sie haben es uns so schwer wie möglich gemacht.«

Salfalur kehrte zu ihm zurück; tief sank der schwere, muskulöse Krieger im Schnee ein. »Es hindert uns nicht wirklich. Es dauert einfach länger, bis wir den Hort von Xamtys unser Eigen nennen.« Er rief die Soldaten nach vorn, die mit Seilen und Wurfhaken ausgestattet waren.

Zwar gehörte derlei Werkzeug nicht zur Grundausstattung eines Zwergenheeres, zumal kein Zwerg gerne an Seilen herumkletterte, aber die mahnenden Nachrichten aus dem Norden und Nordosten hatten den Kriegsmeister auf drohende Schwierigkeiten vorbereitet.

In beiden Fällen standen die Abordnungen, welche die Reiche der Fünften und Vierten in Besitz nehmen sollten, vor verriegelten Eingängen. Die Zugänge waren mehrfach gesichert worden, sodass es nicht einmal einer Maus gelang, eine Ritze zu finden.

»Die Ersten haben es ebenso gehalten wie die anderen, darauf wette ich«, murmelte Lorimbas aufgebracht, der längst damit rechnete, auch aus dem Süden, dem Reich der Zweiten, eine ähnliche Meldung zu erhalten. Nichts war ärgerlicher, als vor dem letzten Hammerschlag das glühende Eisen vom Amboss gestohlen zu bekommen. Was ihn zunehmend aufregte, war die Tatsache, dass er keine Zwerge mehr fand, an denen er seine Wut auslassen konnte.

»Ich würde dir zurufen: Vraccas leite deinen Arm und deinen Hammer, aber auf den Segen des Göttlichen Schmieds legst du ja keinen Wert«, erklang ein lauter und überraschender Begrüßungsruf, der just von den Bergen selbst zu kommen schien. Auf der Brüstung, genau über dem Tor, erschien nun ein Zwerg. »Daher sage ich einfach: Sei gegrüßt, König Lorimbas Stahlherz aus dem Clan der Steinmalmer vom Stamm des Dritten.«