und stirbt ein Zwerg im Kampf gegen sie,
vergießen wir Tränen und schließen die Lücke,
so ist es immerdar,
die Seele zieht in die Ewige Schmiede, so ist es immerdar,
sie wärmt sich an der Esse Glut, so ist es immerdar.
Wir wollen kein Lob, wir brauchen keinen Dank,
so ist es immerdar,
wir tun unsere Pflicht, wir tun sie gern,
so ist es immerdar,
die Äxte sind scharf, die Rüstungen schimmern,
so ist es immerdar,
keine Bestie wird die Mauern durchdringen,
so ist es immerdar.
Die Menschen verstummten in ihren Erzählungen und lauschten den dunklen, sonoren Stimmen, die von Ehre, Kameradschaft und der Pflicht gegenüber dem Geborgenen Land sangen. Auch wenn sie die Zeilen nicht verstanden, sie erhaschten dennoch einen kleinen Einblick in die Seele der Zwerge, in das, was es bedeutete, ein Kind des Schmieds zu sein.
Weithin schallte der mehrstimmige Chor durch das Land Gauragar, über die Hügel und Ebenen, bis hinauf zu den Sternen.
Der Gesang verfehlte seine Wirkung nicht. Aufgewühlt begab sich Tungdil zu seinem Lager. Er musste wieder an den Entseelten Wald denken. Was hat das zu bedeuten? Es soll wohl nicht sein, dass wir alle Sorgen los sind, Vraccas. Bevor ihm die Lider zufielen, nahm er sich fest vor, das Geheimnis der verfluchten Orte zu lüften, von denen der Soldat gesprochen hatte, sobald ihm die Zeit dazu gegeben war.
Am nächsten Morgen trennten sich Zwerge und Menschen.
Während die einen zurück in den Tunnel stiegen, um geschwind zu den Zweiten zu fahren, machten sich die anderen zu Fuß, auf Wagen und Pferderücken auf den Weg nach Idoslân.
Die Zwerge ließen das Schlachtfeld hinter sich, über dem die Raben kreisten und sich eine Wolke aus widerlichem Gestank gebildet hatte, und begannen mit dem Abstieg in ihr unterirdisches Reich.
Boïndil überwand mit jeder Sprosse, die er nahm, etwas von seiner Niedergeschlagenheit des Vorabends; er freute sich auf die Reise und vor allem auf das lang ersehnte Wiedersehen mit seinem Zwillingsbruder Boëndal, der im Reich der Ersten von seinen schweren Verwundungen genas.
»Wir waren noch niemals so lange voneinander getrennt«, verriet er Tungdil, als sie den Grund des Tunnels erreicht hatten und zu den Loren gingen, in denen sie auf den Schienen Weiterreisen würden.
»Und? Wie geht es dir damit?«
Ingrimmsch zupfte sich am geflochtenen Bart, um ein loses Blatt zu entfernen, das sich irgendwie eingeschlichen hatte. »Es ist schrecklich«, gestand er seufzend. »Du bist außer ihm der Einzige, der mich halbwegs zur Vernunft bringen kann, wenn mich die Wut packt, aber er kann es eben noch besser.« Er dachte nach. »Es ist, als fehlten mir ein Arm und ein Bein. Ich kann ohne ihn leben, doch es ist furchtbar. Ich fühle mich unvollständig, es ist niemand da, der meine Gedanken teilt, ohne dass ich viel reden muss. Selbst das Kämpfen macht ohne ihn nur halb so viel Spaß.«
Er zögerte, was Tungdil bemerkte. »Gibt es noch etwas? Du klangst gestern Abend so, als würde dich mehr bedrücken.«
»Ich... kann es nicht beschreiben.« Er rang nach Worten. »Eine Unruhe. Ich fühle Kälte, schon seit geraumer Zeit. Dabei wird es um uns herum Frühling. Ich habe Angst, dass ihm ein Leid zugestoßen sein könnte.«
Sie bogen um die Ecke des Gangs und blieben stehen. Tungdil wollte auf Boïndils Worte eingehen, aber beim Anblick des Durcheinanders vergingen ihm die Worte. Ein gewaltiger Felseinbruch hinderte sie am Weiterkommen, die Brocken stapelten sich bis zur Decke, und was noch viel schlimmer wog: hier hatten einmal ihre Wagen gestanden!
Missmutig brummelnd ging Ingrimmsch in die Knie und zerrte an einem verstaubten Stück Eisen, das unter einem Stein hervorlugte. Seine Muskeln schwollen an; ein Ruck - und er hielt ein verbogenes Teil einer Lore in der Hand. »Bei Vraccas, das war das Getrampel der Gäule«, machte er sich seinem Ärger Luft. »Sie haben den Einbruch mit ihrem Gestampfe ausgelöst.« Achtlos schmiss er das Eisen auf den Geröllhaufen.
Tungdil vermutete eher, dass sie es mit den Nachwirkungen des großen Bebens zu tun hatten. Sie hatten es vor etlichen Sonnenumläufen abends bemerkt, kurz nachdem sie den Sieg am Schwarzjoch errungen hatten. Nach allem, was die Boten ihnen berichtet hatten, waren die Erschütterungen so gut wie überall zu spüren gewesen. Alte Stollen traf das Gerüttel sicherlich äußerst empfindlich.
Hoffentlich haben es die Zwergenreiche einigermaßen überstanden, dachte er. »Es hilft nichts«, wies er seine Krieger mit ausgestreckter Hand an, wieder an die Oberfläche zu gehen. »Wir suchen den nächsten Einstieg.«
Insgeheim machte er sich große Sorgen. Im Grunde mussten die Tunnel unter dem Geborgenen Land zuerst von den Ingenieuren seines Volkes überprüft werden, ehe man sie wieder wie früher benutzte. Viele Teilabschnitte der Röhren konnten nur überwunden werden, wenn die Loren ungebremst über die Schienen ratterten. Ein massives Hindernis wie hier brachte den Insassen einen harten Aufprall und den sicheren Tod.
Vielleicht ist es besser, gleich zu Fuß zu gehen oder bei nächster Gelegenheit Wagen zu kaufen, schätzte er während der Kletterpartie aufwärts.
300 Meilen bis zum Schwarzjoch - und von dort standen ihnen weitere 600 bevor, bis sie das Blaue Gebirge der Zweiten erreichten. Mit den Tunneln bedeutete das eine Reise von wenigen Umläufen, zu Fuß verging eine kleine Ewigkeit.
Will eine finstere Macht, dass wir später als geplant bei den Ersten angelangen? Was geht im Geborgenen Land vor? Aus der Unruhe und Sorge erwuchs eine nicht erklärbare Beklemmung, auch der Sieg des Vortages über die Orks vermochte daran nichts zu ändern. Tungdil schwang sich hinaus, an die Oberfläche. »Wir beeilen uns. Die Verletzten werden von möglichst vielen getragen«, gab er die Parole aus. »Ich will wissen, was vorgefallen ist.«
Sie orientierten sich anhand des Sonnenstandes und marschierten in Richtung Osten. Als sie auf den Höhenzug gelangten und auf die andere Seite blickten, staunten sie nicht schlecht.
»Ho! Selbst ein Blinder würde merken, dass sich hier ein Lager befunden hat«, sagte Ingrimmsch und sog prüfend die Luft ein. Die aufgewühlte Erde kündete von tausenden von Stiefeln. »Noch mehr Grünhäute«, zischte er und lief die Anhöhe hinab. Tungdil und die anderen folgten im eilig. Er betastete die Spuren, roch an der Erde und spie voller Hass aus. »Meine Beile sollen sie vernichten!« Seine Augen richteten sich zornig auf die breite Bahn, die der Tross in der auftauenden Erde hinterlassen hatte. »Sie sind nach Norden gezogen.«
Tungdil bemerkte, dass es keine einzige Feuerstelle gab. Zwei seiner Zwerge, die die Kuppe erklommen hatten, riefen ihm zu, dass auch dort Abdrücke zu finden seien. Wenige Schritte entfernt saßen Raben unter einem Baum auf zwei Orkkadavern; krächzend stritten sie sich um die fette Beute. Dem Zustand nach zu urteilen, mussten sie schon längere Zeit tot sein. Die Schnäbel der Vögel hatten das dunkle Fleisch teilweise bis auf die Knochen abgezupft.
»Sie haben uns beobachtet«, gab er seine Ansicht kund und betrachtete Boïndil abwartend. »Sie lagen oben auf der Anhöhe und schauten zu, wie wir ihre Artgenossen vernichteten, und als sich abzeichnete, dass wir gewinnen, zogen sie weiter.«
»Feige Brut«, ärgerte sich Ingrimmsch und trat gegen den Leichnam des Orks. Einer der Raben hopste ungelenk und Flügel schlagend zur Seite. »Sie wären mir gerade recht gekommen, ich war so schön in Fahrt.« Er trat an Tungdils Seite. »Ich schätze, dass es viertausend Schweineschnauzen sind, die nordwärts laufen. Mindestens.«