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»Geht alle zehn Schritte zurück«, befahl sie. »Niemand darf sehen, was ich tue. Es ist Magie, die euch den Tod bringen kann.« Sie legte einen Mantel über sich und den Kopf Djerůns. Im Verborgenen öffnete sie das Visier.

Die Augenhöhlen in dem grauenvollen Bestiengesicht waren leer, nichts glänzte mehr darin oder kündete von Leben. Narmora empfand kein Mitleid, aber auch keine Genugtuung, war Djerůn für sie doch lediglich ein Handlanger der verhassten Andôkai gewesen.

So hast du deine Strafe für das erhalten, was du mir und Furgas angetan hast. Sie schloss die Maske wieder und ließ den Mantel sinken, dann erhob sie sich. »Er ist tot«, verkündete sie laut. »Djerůn hat sein Leben gegeben, um zwei der Avatare zu vernichten. Wir werden ihn in Erinnerung behalten.« Sie ging hinüber zu Tungdil. »Habt ihr Balyndis gefunden?«

Boïndil verneinte verärgert. »Das verstehe ich nicht. Wohin haben sie sie bloß gebracht?«

»Und ich verstehe nicht, dass es nur zwei selbst ernannte Avatare waren«, fügte Tungdil hinzu. Die Sorge um das Schicksal der Schmiedin bedrückte ihn sehr. »Wo sind die anderen neun hin verschwunden?«

»Vielleicht waren es niemals mehr als zwei«, gab Narmora zu bedenken. »Ich habe die Leichen der angeblichen Göttersplitter gesehen, und auf mich haben sie den Eindruck gemacht, als wären es gewöhnliche Menschen gewesen.« Sie zeigte den Zwergen die Gegenstände, welche sie den Toten abgenommen hatte. »Amulette, Ringe mit Kristallen und andere Utensilien, um Magie darin zu speichern, mehr war es nicht. Nimm sie ihnen, und sie vermögen nichts anzurichten.«

»Deshalb haben sie geglänzt?«, staunte Ingrimmsch.

Die Maga nickte. »Es muss ein Zauber sein, den sie mit Hilfe ihrer Amulette aufrechterhielten. Auf diese Weise erweckten sie den Anschein, sie wären göttlich.« Sie wies auf einen der toten Soldaten. »Sehr ihr den Mondstein, den sie alle knapp neben dem Halsschutz im Harnisch tragen? Der Zauber, der auf ihnen liegt, sorgte dafür, dass sie beinahe ebenso funkelten wie ihre Herren.«

»Betrüger«, brummelte Boïndil und nickte Rodario zu, der zu ihnen gestoßen war. »Wie du. Sie gaukelten uns vor, etwas anderes zu sein.«

»Ich muss doch sehr bitten«, protestierte er. »Ich habe mich wacker gehalten und die Feinde durchaus glauben lassen, dass sie es mit einem echten Magus zu tun hätten.« In der Tat wirkte seine Robe ramponiert und hatte den einen oder anderen Schnitt kassiert, ohne dass er dabei jedoch verletzt worden wäre.

Wie aus dem Nichts stand die Albin unter ihnen, die Finsternis schien sie geradewegs auszuspeien. Sofort riss Ingrimmsch ein Beil aus dem Gürtel und hielt es ihr drohend entgegen. »Zurück, Schwarzauge! Die Schlacht ist geschlagen, wir sind wieder Feinde.«

»Wenn es so wäre«, gab sie herablassend zurück, »lägst du schon lange mit dem Gesicht im Staub, Unterirdischer. Mir ist eingefallen, dass ich euch eine Lösung für das Mysterium der fehlenden Avatare bieten kann. Kurz bevor wir auf sie trafen, sah ich in der Nacht einen zweiten Lichtschimmer, der sich nach Westen bewegte. Vielleicht haben sie sich aufgeteilt?«

»Ohne dass wir es bemerkt hätten?«, lachte Boïndil.

»Ja. Ohne dass ihr es bemerkt hättet. Unterirdische schlafen tief und fest. Es ist ein Leichtes, sie nachts zu überfallen und sie zu töten. Oder sie zu täuschen.« Sie beobachtete ihn abwartend hinter ihrer Maske. »Ich weiß es sehr genau.«

Hätten Tungdil und Boëndal ihn nicht an den Schultern gepackt, er hätte sich auf die Albin gestürzt. So aber tobte er und beschimpfte er sie.

»Wohin wollen sie?«, richtete Tungdil die Frage an die Versammelten. »Was gibt es im Westen, worauf sie es abgesehen haben könnten? Dort leben keine Orks oder Oger.« Er dachte über die Legende nach. »Auch wenn es normale Magi sind, scheint es zu stimmen, dass sie ihre Kräfte aus der Vernichtung des Bösen ziehen. Von daher werden sie etwas suchen, das böse ist.«

Narmora wurde bleich.

»Porista«, wisperte sie.

»Porista ist das Böse?«, staunte Rodario. »So habe ich es aber niemals empfunden, ganz im Gegenteil. Die Menschen sind sehr freundlich, bis auf einige Ehemänner, denen ich...«

»Nein, nicht die Menschen. Die Quelle in den Gewölben des Palasts, die alle Magiefelder in den Reichen speist«, erklärte sie. »Nôdʹonn hatte sie nach seiner Machtergreifung verändert und sie zum Schlechten manipuliert, damit er allein auf sie zugreifen konnte. Nur Andôkai - und mir - war es noch möglich, weil wir Samusin anbeten und sich uns Licht und Dunkel gleichermaßen öffnen.«

Tungdil ahnte, was die restlichen Avatare beabsichtigten. »Die Quelle hat sich nach seinem Tod nicht mehr zurückverwandelt?« Narmora schüttelte den Kopf. »Dann wäre sie ein lohnendes Ziel.«

»Welche Auswirkungen wird das auf das Geborgene Land haben?«, rätselte Boëndal. »Ich kenne mich mit Magie nicht aus, aber es wird ein Nachteil sein, wenn die Felder plötzlich... verschwinden, oder? Vielleicht gehören sie zum Land wie der Untergrund, auf dem ein Berg steht. Man sieht ihn nicht, aber er ist bedeutend.«

»Narmora, kann man die Quelle zum Versiegen bringen oder sie vernichten?«, fragte Tungdil sie alarmiert.

»Ich weiß es nicht«, gestand sie. »In den Archiven könnte darüber etwas stehen, aber... die Schriften sind in Porista.« Sie rang nach Atem, blickte zu Furgas. »Ebenso wie unsere Tochter.«

»Dann bleiben wir Waffenbrüder«, stellte Ondori kühl fest. »Gut für euch. Damit behaltet ihr euer Leben etwas länger.«

Tungdil schaute über das enorme Leichenfeld. Das war erst der Auftakt für das, was uns noch bevorsteht, Vraccas.

Von den etwas mehr als dreißigtausend Zwergen, davon zweiundzwanzigtausend Dritten, waren ihnen nach dem ersten Zusammentreffen mit den Fremden geschätzte zwanzigtausend verblieben. Damit mussten sie gegen eine Stadt und eine unbekannte Anzahl von Feinden ziehen, die von mächtigen Magi geführt wurden.

Auf die Menschen und Elben zählte Tungdil nicht. Die einen waren nach der Vernichtung ihres Heeres vor Dsôn Balsur nicht in der Lage, so rasch neue Kräfte aufzustellen, und die anderen würden sich sicherlich weigern, gemeinsam mit den Albae zu kämpfen. Dennoch gedachte er Boten nach Âlandur zu senden und die Elben um Beistand zu bitten.

Es liegt an uns, Vraccas. Ganz allein an uns. Tungdil wandte seine Augen dorthin, wo irgendwo in der Dunkelheit der Nacht das Graue Gebirge lag. »Die Kinder des Schmieds haben ihre Aufgabe zu erfüllen«, sagte er mit fester Stimme. Aus irgendeinem Grund ging er davon aus, dass Balyndis noch lebte. Ich werde sie finden und befreien.

Ingrimmsch nickte. »Ja, es scheint an uns hängen zu bleiben, Gelehrter. Aber wir haben darin Erfahrung.« Er deutete auf die Albin und eine Gruppe von Dritten. »Auch wenn ich mir andere Verbündete gewünscht hätte.«

Ein Alb trat neben Ondori und raunte ihr etwas ins Ohr. »Wir haben Spuren gefunden, Unterirdische«, erklärte sie. »Sie stammen von einer Gruppe Berittener, mehr als zwanzig dürften es nicht gewesen sein. Vermutlich haben sie Porista zum Ziel. Dort, wo sie in die Sättel gestiegen sind, fanden wir auch den Stiefelabdruck, der zu einem Kind passt.«

Tungdil atmete auf. »Nein, kein Kind. Eine Zwergin. Und sie kennt das Geheimnis der Rüstung, die man benötigt, um gegen die Magie bestehen zu können.«

»Nennt mich herzlos, aber einfacher wäre es wohl gewesen, sie zu töten«, warf Rodario wenig einfühlsam ein.

»Einfacher sicher. Doch sie werden sich denken können, dass sie nicht irgendeine gewöhnliche Zwergin ist. Vielleicht haben sie erfahren, dass Balyndis eine Rüstung schmieden kann, die ihrer Magie trotzt. Bedenkt, dass die nicht gerade göttlichen Avatare ihr Heer mit solchen Rüstungen noch stärker machen könnten. Oder sich selbst.« Entschlossen blickte Tungdil in die Runde. »Bevor wir Porista angreifen, müssen wir Balyndis befreien. Ohne sie und das Geheimnis von Djerůns Panzerung brauchen wir erst gar nicht gegen die Stadt zu ziehen. Sie würden uns zu Asche verbrennen. Ein paar von uns werden uns in die Mauern der Stadt schleichen und sie retten.«