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Fußspuren hinterließ die Albin keine. Mithilfe der dunklen Kräfte ihres Volkes gelang es ihr, vollkommen unsichtbar zu sein, sobald sich ihr ein wenig Schatten bot, in dem sie sich verbergen konnte.

»Sie ist die Tochter von diesem Sinthoras, habe ich das richtig verstanden?«, fragte Ingrimmsch leise. »Dann sollten wir sie erschlagen, sobald wir sie nicht mehr brauchen, sonst jagt sie uns allen noch einen Pfeil zwischen die Rippen. Ich traue dem Schwarzauge nicht, sie stinkt nach Verrat und Tod. Zwergentod.«

Tungdil gab ihm Recht. »Ich sage dir, wann es soweit ist. Bis dahin behältst du die Ruhe, Boïndil. Einen Kampf mit ihr können wir uns mitten unter Feinden nicht erlauben.«

Sie schlichen näher an die wieder errichteten Mauern Poristas; hier und da waren die Steine nicht ganz so hoch aufgetürmt wie einst, dennoch reichten sie aus, um Angreifern Widerstand zu bieten.

Unterhalb einer halbfertigen Mauer entdeckten sie tatsächlich den von Furgas beschriebenen, mannshohen Durchgang, der mit einem Verschlag verschlossen war. Der Wind hatte den Schnee so gegen die Steine und das Holz vor dem Kanaleingang geweht, dass er einem unkundigen Spaziergänger oder eine Wache nicht aufgefallen wäre. Die Albin kauerte daneben und sicherte.

»Eine gehörige Schwachstelle«, sagte Boëndal leicht vorwurfsvoll. »Das macht die Stadt anfällig für Handstreiche, oder?«

»Nein«, gab Furgas lächelnd zurück. »Wir haben Gatter vorgesehen, die zusätzlich runtergelassen werden, wenn Gefahr droht. Aber derzeit sind sie nicht abgesenkt, was gut für uns ist.«

Er hüpfte durch den Schnee die Böschung hinab, die Zwerge folgten ihm ungelenk. Sie vermissten ihre Kettenhemden, die weniger schwer und auch wesentlich beweglicher waren.

Mit wenigen Griffen hatte Furgas die Schlösser überwunden; seinen Fingern, die sich auf Mechanik jeglicher Art verstanden, hielten sie nicht lange stand. Leise klickend gaben sie ihren Widerstand auf und ermöglichten den Zwergen, Furgas und Ondori, in die Kanalröhre zu steigen.

Furgas zog die Tür hinter ihnen zu und sicherte sie sorgfältig. Dann entzündete er eine kleine Laterne, damit er etwas erkennen konnte, und führte sie zielstrebig vorwärts.

Nach zehn Schritten wies er auf die fünf Schlitze in der Decke, die im Abstand von drei Schritten aufeinander folgten.

»Von da oben werden die Gatter hinabgelassen, armdicke Eisenstücke, die jedem Versuch widerstehen, sie auseinander zu biegen oder gar aus der Verankerung zu reißen«, erläuterte er seine Sicherheitsvorkehrungen. »Niemand wird Porista auf diesem Weg erobern.«

»Und was machen wir gerade? Einen Ausflug?«, feixte Ingrimmsch und gab Acht, dass er in der gefrorenen Wasserlache nicht ausrutschte. »Da hat dein Plan schon einen Fehler, Furgas.«

Der Magister technicus lachte leise. »Die Götter mögen sich was dabei gedacht haben, als sie mich vergessen ließen, die Sicherungen jetzt schon zu betätigen.«

Behutsam tasteten sie sich voran. Ondori verbarg sich irgendwo vor ihnen in der Finsternis; sie blieb verschwunden, bis sie unerwartet neben Boëndal stand. »Ihr könnt schneller gehen«, sagte sie, und Furgasʹ Hand begann vor Schreck zu zittern. »Wir sind allein hier unten. Bis zum Aufgang steht uns kein Hindernis im Weg.« Sie tauchte wieder in die Dunkelheit ein und kam erst zum Vorschein, als sie die Stelle erreichten, wo schmale Treppen nach oben führten.

»Die sind für den Abtrittmeister gedacht«, sagte Furgas. »Es wird seine Aufgabe sein, in regelmäßigen Abständen hier unten nach dem Rechten zu sehen und darauf zu achten, dass sich keine Hindernisse stauen. Wir haben den Eingang mit einer Steinplatte versehen, die man von außen öffnet. Wir müssten sie mit etwas Kraft auch von innen aufstemmen können.«

Ondori ging nach oben und gab ihnen das Signal, zu ihr aufzuschließen. Auf der schmalen Treppe passten sie nur hintereinander auf die Stufen, und so sehr sie auch gegen die Abdeckung drückten, es tat sich nichts.

Furgas versuchte, durch einen Spalt hinauszusehen. »Sie ist von außen verriegelt worden.«

»Wenigstens daran haben sie gedacht.« Ingrimmsch pochte gegen die Wand. »Gut gemauert. Das wird nicht leicht für uns, einen Weg hinauszugraben.«

Ondori hob die Hand, sie verstummten.

Jemand machte sich auf der anderen Seite am Stein zu schaffen. Rumpelnd wurden Balken entfernt, dann wackelte die Abdeckung, und sie hörten unterdrücktes Ächzen.

»Kann es Rodario sein?«, wisperte Boëndal Furgas ins Ohr.

»Machen wir auf, dann sehen wir es«, schlug sein Bruder vor und legte die Hände gegen den Stein. Die anderen halfen, während die Albin ihren Bogen bereithielt.

Die Abdeckung gab nach und klappte mit Schwung auf. Sie blickten in das dreckige Gesicht eines Mannes, der neben sich einen großen Eimer Kehricht stehen hatte und sich sehr darüber wunderte, was ihm da aus dem Untergrund Poristas entgegenkam.

»Magister Furgas«, stammelte er. »Was macht Ihr denn...« Er wich zurück und machte ihnen Platz. »Kommt hervor, rasch. Ihr wollt sicher nicht von den Fremden gesehen werden, oder?«

»Das ist Ertil«, stellte Furgas den Mann knapp vor. »Er hat unsere Bautrupps mit Essen beliefert, daher kennen wir uns.«

»Vertraust du ihm?«, fragte Ondori kühl, sie hatte den Bogen nicht gesenkt.

»Eine Elbin«, entfuhr es Ertil ehrfurchtsvoll, als er die schlanke, hoch gewachsene Gestalt entdeckte. Er versuchte, mehr von ihrem Gesicht zu erkennen, schließlich wurde die Schönheit der Schöpfung Sitalias in unzähligen Liedern gerühmt. Dummerweise lag sie hinter einer Maske verborgen.

»Ja«, beeilte sich Furgas zu sagen, weil er nicht wollte, dass sie Ertil erschoss. »Er kann uns berichten, was geschehen ist.«

Der Mann nickte. »Sicher, Magister Furgas. Es ist mir eine Ehre. Wie gut, dass ich meinen Abfall wegbringen wollte.« Er schaute auf die seltsame Gruppe, die aus dem Kanal stieg. Den Eimer mit Kehricht leerte er neben dem Eingang aus. »Nur, falls Ihr wieder durch den Gang flüchten müsst. Eure Schuhe sollen sauber bleiben.«

Sie setzten die Abdeckung wieder ein und stahlen sich im Schatten der Häuser die Gasse entlang, bis sie Ertils Zuhause erreichten.

Er ließ sie herein, zündete einige Kerzen an und brachte ihnen etwas zu trinken. »Sie kamen vor fünfzehn Sonnenumläufen. Dabei glänzten sie so sehr, dass einige, die sie betrachten wollten, ihr Augenlicht verloren«, berichtete er. »Sie haben sich in der ganzen Stadt verteilt und die Wachen ermordet, die sich ihnen in den Weg stellten, um das Eigentum Narmoras zu verteidigen. Ihre Anführer, schimmernde, leuchtende Wesen, sind im Palast verschwunden und wurden seitdem nicht mehr gesehen. Sie tun uns nichts, lassen uns unsere Arbeit machen wie vorher auch, aber niemand darf es wagen, in die Nähe des Palasts zu gehen. Sie haben verkündet, dass die Stadt nun den Amshas gehöre.«

»Gab es Aufstände?«, erkundigte sich Furgas.

»Nein. Wir haben es nicht gewagt.« Ertil schlug die Augen nieder. »Wir sind zu wenige, sie aber haben zehntausend Soldaten mitgebracht. Das ist zu viel für uns.«

»Niemand macht euch einen Vorwurf«, beruhigte er den Mann. »Hast du diese Lichtgestalten zählen können? Wie viele sind es gewesen?«

»Ich kam auf fünf«, antwortete er. »Andere wollen mehr gesehen haben, es kann sein, dass meine Augen durch das grelle Leuchten getäuscht wurden.« Er schaute Furgas an. »Was sind das für Wesen, Magister Furgas? Gehen sie wieder? Sie machen etwas im Palast, was nicht gut sein kann. Die Tiere benehmen sich seit zwei Umläufen seltsam, sie sind unruhig und wollen aus ihren Ställen. Wann erscheint die ehrenwerte Maga, um uns von den Amshas zu befreien?«

»Bald, Ertil. Wir sind hier, um einige Dinge auszukundschaften«, beruhigte er ihn. »Wichtig ist vor allem, dass du niemandem von uns erzählst.« Der Mann nickte.

»Hatten sie eine Zwergin dabei, als sie ankamen?« Tungdil wollte Gewissheit über den Verbleib von Balyndis. »Weißt du, wohin sie gebracht wurde?«