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»Ich bitte dich um Verzeihung und werde es dir erklären«, beschwichtigte Lorimbas ihn. »Das Suchen in den alten Höhlen hat sich in mehrfacher Hinsicht gelohnt. Die Gelehrten fanden einen uralten Vertrag; er müsste zum Ende des viertausendsten Sonnenzyklus abgeschlossen worden sein. Unsere Ahnen haben ein ewig währendes Abkommen mit den Königen Gauragars geschlossen und sich im Gegenzug für ihre Hilfe den Besitz des Wolkenbergs gesichert.«

»Wolkenberg?« Salfalur kannte die Legende, die sich um das Schwarzjoch rankte. Einst wurde es »Wolkenberg« genannt, weil sein Gipfel bis weit in den Himmel ragte. Dieser Berg war mächtiger, stolzer als alle Berge rings um das Geborgene Land, so besagte es die Legende. Der Schnee auf seinem Gipfel taute niemals, und die obersten Hänge bestanden aus purem Gold. Weil die Menschen aber nicht an das Gold gelangen konnten, riefen sie die Zwerge zu Hilfe.

»Soll das heißen, unser Stamm hat ihnen tatsächlich beim Abbau des Goldes geholfen?«

»So ist es. Aus der Legende wird unversehens Wahrheit, denn es waren die Zwerge Lorimburs, die als Erste eine Abordnung nach Gauragar sandten, um den Wolkenberg in Augenschein zu nehmen.« Lorimbas schaute auf die Karte. »Es gelang ihnen, einen Gang in den Wolkenberg zu brechen und sich in seinem Inneren nach oben zu graben. Sie höhlten den Berg aus und trugen das Gold ab. Dafür verlangten sie außer ihrem Anteil, den Berg behalten zu dürfen. Und der damalige Herrscher Gauragars unterschrieb die Übereinkunft.«

Salfalur erinnerte sich, wie es in der Geschichte weiterging, die ihm seine Muhme singend vorgetragen hatte. Als sich die Zwerge und Menschen um das Gold stritten, erbebte der lebendig gewordene Wolkenberg vor Wut, um die Plünderer aus sich herauszuschütteln, aber die Tunnel in seinem Inneren sorgten dafür, dass er einbrach. Seitdem verfolgt er angeblich Menschen und Zwerge mit seinem Hass, und der verstümmelte Fels wurde im Lauf der Zeit schwarz vor Boshaftigkeit.

»Wird uns das Joch nicht erkennen und uns mit Steinen zermalmen, wenn wir in seinem Inneren sind?«, fragte er vorsichtig nach.

»Ich halte diesen Teil der Legende für erfundenen Unsinn, dennoch werden wir wachsam sein.« Der König hatte den Blick nicht von der Karte gewandt. »Meine Nachricht wird König Bruron schon in wenigen Sonnenumläufen erreichen.«

»Er ist ein ehrloser Mensch. Er wird sich nicht an das halten, was einer seiner Vorgänger mit unserem Stamm einst vereinbart hat«, prophezeite ihm Salfalur mürrisch. »Dieser neue Zwergengroßkönig Gandogar wird Bruron unter Druck setzen, weil die Zwerge sein Reich vor der völligen Unterwerfung durch das Tote Land bewahrt haben. Er wird sich niemals zu dem bekennen, was auf dem Pergament geschrieben steht.«

»Er mag ein König sein, aber sein Herz schlägt für Gold. Zugegeben, für Menschenkönige gelten andere Richtschnüre. Eine Münze reicht nicht aus, um ihr Herz zu überzeugen. Daher habe ich ihm gleich zwei Kisten Gold gesendet. Er wird sie benötigen, schließlich muss er sein in großen Teilen verwüstetes Reich neu aufbauen und seine Untertanen mit Nahrungsmitteln versorgen. Nahrung, die er von seinen Nachbarn kaufen muss.« Lorimbas faltete die Hände vor dem Bauch. »Du siehst, auch ich beherrsche das Ränkeschmieden. Und sogar besser als der unglückselige Bislipur.«

Salfalurs Tätowierungen gerieten in Bewegung, als die breiten Kiefer mahlten. »Es ist nicht zu leugnen, mein König. Aber bedenke, was Bislipur im Ganzen erreichte.«

»Du bist ungeduldig, alter Freund. Es ist doch lediglich der erste Pflock, nicht mehr und nicht weniger.«

»So verrate mir, wo du deinen zweiten einschlagen möchtest.«

Lorimbas Hand hob sich, der Zeigefinger senkte sich nach unten und legte sich auf das Reich, das von den Menschen Idoslân genannt wurde. »Ich werde Prinz Mallen einen Besuch abstatten lassen, wenn er mitten drin steckt, die marodierenden Orks in seinem Land zu vernichten oder in die Höhlen Toboribors zu jagen.«

»Mallen ist ein Freund von diesem Tungdil Goldhand. Dein Gold wird nicht ausreichen, was immer du ihm bietest.« Der Krieger legte die Stirn in Falten. »Es mag dich erzürnen, aber in meinen Augen wird dein Vorhaben ebenso scheitern wie das Bislipurs.«

»Ich weiß, dass du einen handfesten Krieg vorziehst, Salfalur«, erwiderte der König hart, und seine braunen Augen richteten sich auf seinen besten Strategen. »Und es mag auch sein, dass die Sterne für uns niemals günstiger standen, weil die anderen Stämme wenige Streiter in ihren Reihen haben. Aber«, er hob den Zeigefinger, »sie haben die Freundschaft der übrigen Völker. Das wiegt tausendfach schwerer als jede zahlenmäßige Überlegenheit. Erst, wenn wir die alte Feindschaft zwischen den Zwergen und den Elben zum Auflodern gebracht haben und das Feuer des Hasses hell leuchtet, können wir darin weitere Pflöcke schmieden. Harte, metallene Pflöcke, die sich tief in die Herzen der Menschen und Elben graben werden!«

Lorimbasʹ Ausbruch ließ Salfalur kalt. Es bedurfte mehr als einer lauten Stimme und einem Funkeln in den Augen, um ihn zu beeindrucken. »Niemand wird glücklicher sein, wenn dein Plan gelingt. Gibt es Anweisungen, die ich unseren Leuten erteilen soll?«

»Ja. Sende Boten an unsere Söldnerstationen und lasse ihnen ausrichten, dass sie ihre Waffen sofort niederlegen sollen, sobald ihnen eine Nachricht mit den Worten Lorimburs Rache zukommt.

Selbst der höchste Satz an Gold darf sie nicht zu Diensten verlocken. Sie werden einzig dann kämpfen, wenn sie ihr Leben verteidigen müssen.«

Der König stützte eine Hand unter das Kinn und versank in Gedanken. Unschöne Gedanken, die Furcht, Zaghaftigkeit und Schwäche in sein Gemüt brachten.

»Deine Tochter?«

Lorimbas schrak zusammen, als er die knappe Frage hörte. Tatsächlich dachte er an sie, die sich seit einem halben Zyklus nicht mehr gemeldet hatte. »Nichts«, schüttelte er das Haupt. Keine Nachrichten, keine Botschaften, nicht einmal ein winziger Hinweis darauf, dass sie noch lebte und was sie als Letztes getan hatte. »Glaub mir, meine Sorge um sie ist so groß, wie das Schwarze Gebirge hoch ist«, antwortete er leise.

»Sie ist eine gute Tochter und eine noch bessere Gattin. Sie wird unser Vertrauen nicht enttäuschen.« Salfalurs Züge verloren zum ersten Mal, seitdem sie zusammensaßen und redeten, ihre Härte. »Ihr wird nichts geschehen. Ich habe sie im Kampf geschult, und du hast sie meisterlich in der Kunst der Täuschung unterwiesen.« Er blickte in die zuckenden, tanzenden Flammen. »Doch ich wünschte mir, dass sie ein Zeichen sendet.« Seine Linke ballte sich zur Faust, der Panzerhandschuh ächzte und knirschte.

Eine Silbe würde genügen, damit unsere Ungewissheit endet. »Ich kenne deine Gefühle. Dir fehlt das Weib und mir mein Kind. Aber es ging nicht anders. Allein sie konnte es tun, ohne Verdacht zu schöpfen«, verteidigte er sich laut gegen sein Gewissen, das ihn unentwegt daran erinnerte, dass er seine jüngste Tochter auf eine Mission gesandt hatte, die mit ihrem Tod enden würde, sollte auch nur der Hauch eines Verdachts gegen sie entstehen. Er senkte den Kopf und schloss die Augen. »Es ging nicht anders«, wiederholte er flüsternd.

II

Das Geborgene Land, Blaues Gebirge,

Zwergenreich der Zweiten,

6234. Sonnenzyklus, Spätwinter

»Es ist kleiner, aber es ist und bleibt ein Pferd.« Boïndil rutschte unglücklich aus dem Sattel des Ponys und rieb sich übertrieben den Hintern. Dann schüttelte er sich, und Staub rieselte von seiner Kleidung und aus seinem Bart. »Pferde und Zwerge passen nicht zusammen. Sonst hätte Vraccas uns so geschaffen, dass wir uns bei einem langen Ritt nicht die Backen aufscheuern.«