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Sie drehte verwundert den Kopf und sah einen braunen Haarschopf, der auf ihrem Bett lag, hörte leise Atemgeräusche, die ihr sehr vertraut waren.

Tungdil? Behutsam streckte sie die Hand aus und berührte das Haar, streichelte es vorsichtig, um ihn nicht zu wecken. Er war wohl bei seiner Wache an ihrem Lager eingeschlafen. Vraccas hat meine Gebete erhört.

Sie hob die Lage aus mehreren Decken an und betrachtete die Brandmale auf ihrem Körper, die unter der Wundsalbe als rot schimmernde Flecken zu sehen waren. Narmora muss meine gebrochenen Knochen geheilt haben. Voller Verwunderung strich sie über die Partien, aus denen bis gestern ihre gesplitterten Gebeine herausgestanden hatten.

Tungdil schreckte aus seinem Schlummer hoch. Als er sah, dass sie aufgewacht war, legte sich ein Leuchten auf sein Gesicht, das auf die Zwergin gereifter, ernster wirkte als bei ihrem letzten Zusammentreffen. Was immer er in der Zwischenzeit erlebt hatte, es konnte nichts Gutes gewesen sein.

»Wie geht es dir?«, fragte er sie behutsam und umfasste ihre Hand.

»Die Maga hat Wunderbares vollbracht«, antwortete sie leise. »Ich habe beinahe keine Schmerzen mehr.« Sie zog ihn zu sich und umarmte ihn lange. Schweigend verharrten sie, bis er sich von ihr löste. »Ich stehe ewig in deiner Schuld.«

»Freunde schulden sich nichts«, lehnte er ab. »Wenn du noch meine Freundin sein möchtest, Balyndis. Ich habe mich benommen wie ein dämlicher Gnom, und darum kann ich dich nur um Verzeihung bitten«, begann er seine Rede, die er sich lange überlegt hatte. »Ich weiß nicht, ob es mein verletzter Stolz, Eifersucht oder ein anderes Gefühl waren, die mich so handeln ließen, doch ich bin mir darüber klar geworden.« Er drückte ihre Hand. »Ich wäre sehr froh, dein Freund zu sein.«

»Ich habe niemals aufgehört, dich als Freund zu sehen«, erwiderte sie, gerührt von seiner Ehrlichkeit. »So wird es immer bleiben.«

»Ja. So wird es immer bleiben«, wiederholte er glücklich und schaute in ihre Augen. Ihre Blicke verschmolzen in Liebe zueinander. »Du wirst dich übrigens auch bei Ingrimmsch und Boëndal bedanken müssen, und Furgas trägt ebenfalls einen großen Anteil an deiner Befreiung.« Rasch berichtete er von ihrem wagemutigen Ausflug in den Palast und dem Ausgang ihres Unternehmens.

Balyndis fuhr sich über den kahlen Schädel. »Diese Albin, die euch begleitete...«, sagte sie mit Wut in der Stimme. »Nach deinen Schilderungen denke ich, dass es dieselbe ist, die meine Begleiter und mich abfing und mich an den Baum band, wo die Avatare mich fanden.« Nun erzählte sie, wie es ihr ergangen war. »Nachdem die Albae verschwunden waren, dauerte es nicht lange, und ein Zwerg näherte sich mir. Ich war zu froh, einen von unserem Volk zu sehen, und verriet zu viel, bis mir sein merkwürdiges Verhalten auffiel und er sich als Avatar zu erkennen gab. Sie brachten mich nach Porista und versuchten, meinen Willen zu beugen.« Sie schwieg, ihren Augen füllten sich mit Tränen. »Doch Vraccas gab mir die Stärke, ihnen die Formel nicht zu verraten«, erzählte sie mit erstickter Stimme. »Lange hätte ich es nicht mehr ertragen, Tungdil«, schluchzte sie.

Er nahm sie in den Arm und streichelte behutsam ihren haarlosen Kopf, bis sie sich beruhigte. »Nun hast du es geschafft, Balyndis. Du bist sicher.« Er ahnte, dass Ondori den Angriff des Avatars genutzt hatte, um sich von ihnen abzusetzen. Sie hatte die Zwergin erkannt und befürchtet, dass sie nach Balyndisʹ Erwachen in Schwierigkeiten geriete, Waffenbruderschaft hin oder her.

»Was hat es mit Djerůns Rüstung auf sich?«, wollte sie wissen, und Tungdil erklärte es ihr. »Dann muss ich schleunigst zurück ins Graue Gebirge und noch mehr von diesem Metall herstellen«, beschloss sie ohne Rücksicht auf ihren Gesundheitszustand.

»Wieso musst du dazu...«

Sie klopfte gegen den Panzer vor seiner Brust. »Diese Legierung ist ausschließlich mit dem Feuer der Esse Drachenbrodem herzustellen, Tungdil. Ich habe Tionium und Palandium miteinander verbunden, und nur ihre Glut vermag es, die beiden Metalle zu vereinigen.«

Er überschlug die Entfernung, die vielen hundert Meilen, das widrige Wetter und ihre geschwächte Verfassung. »Die Zeit wird nicht ausreichen«, kam er zu dem niederschmetternden Ergebnis. »Porista muss innerhalb von neun Umläufen fallen, oder dieses Wesen, das sie Eoîl nennen, bringt ungekanntes Verderben über das Geborgene Land.«

Sie schwieg und bedachte ihn mit einem traurigen Blick, weil sie ahnte, dass eine mehr als gefährliche Aufgabe auf ihre Freunde wartete. »Dann liegt es an dir und den Zwillingen, euch den Avataren zu stellen und sie zu besiegen.« Sie entdeckte eine Stelle an der Rüstung, die ihr nicht gefiel. »Wer hat das geschmiedet? Du?«, fragte sie vorwurfsvoll.

»Es blieb mir nicht viel Zeit«, entgegnete er, um ihre Rüge zu mildern.

Sie stand auf, warf sich die bereit gelegte, notdürftig gekürzte Menschenkleidung über, setzte sich eine Mütze auf und streckte ihre Hand nach seiner aus. »Komm.«

»Was hast du vor? Du musst dich...«, wollte er protestieren.

»Nein, wir müssen deine Schnitzer ausbessern«, fiel sie ihm lächelnd ins Wort. »Ruf die Zwillinge. Wir schmieden euch drei Rüstungen, dass die Avatare neidisch werden. Ich will nicht, dass es später einmal heißt, dass Zwerge in unvollkommenen Harnischen das Geborgene Land retteten.«

Er lachte, fasste ihre Hand und folgte ihr in die Feldschmiede. Unterwegs sammelten sie Boïndil und Boëndal ein, die Balyndis freudig in die Arme schlossen.

Die Hitze der Esse, der Umgang mit Hammer, Zange und Metallbeitel weckten die verborgenen Kräfte in der Schmiedin. Auch Tungdil genoss es, den Hammer auf dem Amboss tanzen zu lassen und Schlag für Schlag die letzten Makel aus den Rüstungen zu treiben.

Ingrimmsch stimmte zum Rhythmus der Hiebe ein altes Kampflied an, sein Bruder fiel mit ein, während sich Tungdil und Balyndis den Spaß erlaubten, immer schneller zu werden und aus dem getragenen Hymnus ein Lied voller Feuer und Tempo zu machen, bis die Zwillinge lachend aufgaben.

In diesen Stunden, umgeben von Wärme, Eisen und guten Freunden, vergaßen die vier, was ihnen bevorstand.

Bald hörten sie, dass die Zwerge in der Nähe der Feldschmiede das Lied aufgenommen und die Stimmen erhoben hatten.

Die Freien und die Ersten schmetterten die Strophen abwechselnd in rasantem Tempo und machten einen Wettstreit daraus, wessen Zunge zuerst ins Stolpern geriet.

Als auch ihre Lieder in Beifall endeten, vernahmen sie den tiefen Bass eines einzelnen Sängers, der durch den Lärm klagend zu hören war:

»Ein einsamer Stein im Schwarzen Gebirge,

wissend, dass es dennoch viele Steine um ihn herum gibt,

die ihm gleichen und doch verschieden sind.

Darf nicht nach ihnen schauen,

obgleich er es wünscht,

darf nicht nach ihnen rufen,

obgleich er es ersehnt,

darf nicht zu ihnen gehen,

obgleich er es begehrt,

sein eifersüchtiges Gebirge

hat es ihm verboten,

ihm,

dem einsamen Stein im Schwarzen Gebirge.«

Die gelöste Stimmung schwand auf der Stelle.

Tungdil hatte bemerkt, dass der Sänger aus den Reihen der Dritten stammte. Er musste an die Worte von Sanda denken, die angedeutet hatte, dass nicht alle Dritten Hass auf die übrigen Zwergenstämme verspürten.

Das eifersüchtige Gebirge, sann er vor sich hin. Damit war sicherlich Lorimbas und mit ihm jeder Herrscher der Dritten gemeint, die sich gegen eine Aussöhnung stemmten. Er bat Vraccas, dass er den Tag erleben durfte, an dem sich alle Zwerge des Geborgenen Landes begegnen konnten, ohne dass einer von ihnen um sein Leben bangen musste.