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»Ich bringe Euch Nachricht, von der ich nicht weiß, ob sie Euch freut oder wütend macht«, begann Mallen mit ernster Miene. »Als mich König Belletain bat, ihn mit seinem Heer durch mein Königreich ziehen zu lassen, ahnte ich nicht, was er beabsichtigte. Im Glauben, er eilte euch nach Porista zu Hilfe, sagte ich ihm uneingeschränktes Marschrecht durch Idoslân zu.« Seine Augen wanderten über die Gesichter der gespannt wartenden Zwerge. »Es hat seinen Grund, weshalb sein Heer die Stadt niemals erreichte.« Er holte tief Luft. »Es wandte sich nach Osten. Gegen das Schwarze Gebirge.« Er nahm einen zerknitterten Brief unter seinem Gewand hervor. »Als ich merkte, dass sein Heer in die falsche Richtung vorrückte, verlangte ich eine Erklärung für sein Tun. Er schrieb mir daraufhin, dass König Lorimbas für den Bruch eines Vertrages mit ihm bezahlen müsse und er die Gelegenheit nutzen wolle, sich an den Schätzen der Dritten zu laben, da ihm der versprochene Hort der Vierten nicht überantwortet worden war.« Er gab den Schrieb an Gandogar weiter, damit er diese Unglaublichkeit mit eigenen Augen las. »Es gab ein Bündnis zwischen Belletain und Lorimbas. Gegen Euch, Großkönig Gandogar, und Euren Stamm.«

»Ist er immer noch dort?«, fragte Xamtys, da Gandogar die Sprachlosigkeit gefangen hielt.

Mallen verneinte. »Ich sandte Späher aus, die mir berichteten, dass sie durch das offene Tor ins Reich der Dritten schreiten konnten, ohne dass ihnen der Zutritt verwehrt wurde. In den Gängen und geplünderten Hallen fanden sie die erschlagenen Körper von Zwergen, Zwerginnen und ihren Kindern. Das Heer Belletains übte auf Geheiß des Königs furchtbare Rache.«

»Keine Überlebenden?« Tungdil hörte die Worte, fand sie jedoch so erschreckend, dass er sie nicht glauben wollte.

»Bestimmt haben sich einige von ihnen verbergen können, das Reich ist ebenso weitläufig wie eines der unseren«, schätzte Xamtys, die aber stutzte, als sie den Einspruch Mallens vernahm.

»Meine Späher berichteten von zahlreichen eingestürzten Stollen. Die Beben«, sagte er zu Erklärung. »Ich möchte nicht ausschließen, dass es noch Dritte gibt, aber ihre Zahl wird gering sein.«

»Sie sind beinahe gänzlich ausgerottet«, sagte Tungdil leise. Als ich mir wünschte, dass Zwerge einander ohne Angst im Geborgenen Land begegnen können, meinte ich es nicht so, dachte er bestürzt. Er schaute zu Gandogar. »Auch wenn ich noch nicht dein Berater bin, empfehle ich, so schnell wie möglich ein kleines Heer in den Osten zu senden, um das Tor zu sichern, bevor Bestien Wind davon bekommen, dass es kaum mehr Bewacher gibt.«

»Die Dritten werden die Hilfe sicherlich annehmen. Es wird ihnen nichts anderes übrig bleiben. Es kann der Anfang eines neuen Zeitalters unserer Völker sein«, sagte Gemmil überzeugt. »Eines friedlicheren Zeitalters. Diejenigen der Dritten, die den schrecklichsten Hass gegen unser Volk in sich trugen, sind tot und liegen vor Porista begraben.«

»Und ich«, sagte Mallen, »werde die Herrscherinnen und Herrscher vom unverzeihlichen Verrat Belletains in Kenntnis setzen. Wir können es ihm nicht durchgehen lassen. Wer weiß, was der Wahnsinnige als Nächstes unternimmt und ob er nicht noch einen Krieg mit den Fünften anzettelt.« Die Zwerge bekundeten lauthals ihre Zustimmung.

»Ich muss euch noch etwas zeigen. Ich habe lange überlegt, ob ich es euch offenbaren soll, denn umso weniger davon wissen, desto besser.« Tungdil langte unter seine Rüstung, zog das kleine Ledersäckchen hervor, in dem er den Diamanten aufbewahrte, und legte ihn vor Mallen und den Zwergen auf den Tisch. »Doch ihr seid die Könige, die Edelsten eueres Volkes und habt ein Recht darauf, es zu erfahren.« Er strich über den Stein. »Das ist die neue und einzige Quelle magischer Energie im Geborgenen Land«, erklärte er ihnen. »Der Eoîl hat darin für einen Magus unermessliche Macht gespeichert, ehe wir ihn vernichtet haben.«

»Du ihn vernichtet hast«, berichtigte Rodario ihn leise und mit einem Lächeln.

Sie betrachteten den wunderschön geschliffenen Stein, dessen Wert Gandogar am besten von ihnen einzuschätzen verstand.

»Es ist ein Meisterwerk. Der Diamant kann nur von der Hand eines Zwergs bearbeitet worden sein. Aber mir ist nichts von einem solchen Glanzstück bekannt, das aus unseren Werkstätten stammen könnte. Auch die Art, wie er geschliffen wurde, habe ich noch nie gesehen.« Er nahm ihn ehrfurchtsvoll auf und hielt ihn vor die Flamme einer Kerze. Das Licht brach sich in den Facetten, sie versanken in der makellosen Schönheit und wollten sich nicht mehr satt daran sehen.

»Der Eoîl sprach mehrmals von den Untergründigen.« Tungdil brach das Schweigen im Zelt. »Ich nehme an, dass er den Diamanten von den Zwergen im Jenseitigen Land erhielt.« Gandogar reichte den Stein an ihn zurück.

»Dieser Diamant gibt einem Magus unermessliche Kraft?« Mallen zog ein besorgtes Gesicht. »Auch wenn wir die Einzigen sind, die davon wissen, benötigt er unermesslichen Schutz.«

»Und viele Brüder.« Tungdil schaute zu Gandogar. »Du hast den Stein gesehen, und ich habe«, er stand auf, ging zu seinem Arbeitspult und nahm ein Blatt Papier, »eine Zeichnung angefertigt. Sie beinhaltet die Maße des Diamanten, den genauen Schliff. Mein Vorschlag ist, dass wir Abbilder anfertigen und sie im ganzen Geborgenen Land verbergen. Jeder König und jede Königin, gleich ob es ein Mensch, ein Zwerg oder ein Elb ist, wird einen erhalten und ihn verteidigen, als wäre es der echte Diamant. Umgebt ihn mit Mauern, Fallen, Kriegern, aber er muss gehütet werden.« Für seinen Einfall erntete Tungdil großen Beifall.

»Woher wissen wir denn, wo sich der Stein des Eoîls befindet?«, fragte Xamtys.

»Niemand wird es wissen. Das ist das Beste«, gab Tungdil zur Antwort. »Sobald Gandogar uns berichtet, dass die Kopien fertig sind, treffe ich mich mit ihm und gebe mein Original in einen Beutel mit den Fälschungen. Der Inhalt wird gemischt, und danach verteilen wir die Steine mittels Boten auf gut Glück an die Königreiche. Jeder von euch kann ihn besitzen, ihr werdet sie nicht unterscheiden können. Ihr nicht, ich nicht und auch kein anderer, der durch einen widrigen Zufall davon erfährt und danach trachtet.« Er schaute sie verschwörerisch der Reihe nach an. »Niemand außer uns, den Menschenherrschern und Liútasil darf von dem Stein erfahren. Er wird das größte Geheimnis des Geborgenen Landes sein.«

Balendilín rieb sich den Bart. »Und wie lange, Tungdil? Ohne den Stein wird es weder einen Magus noch eine Maga geben, da sie die Energien benötigen, die darin schlummern.«

»Ich weiß es nicht. Es mag eine Zeit anbrechen, da wir die Steine einem Menschen, einem Elben oder einem Zwerg anvertrauen, damit er die Linie der Maga und Magi neu begründet. Er wird herausfinden, welcher Diamant der rechte ist.« Er packte den Stein zurück in den Beutel und verstaute ihn an seinem alten Ort. »Aber ich denke, dass es besser ist, wenn wir in den kommenden Jahren ohne Magie auskommen.« Niemand widersprach ihm.

Als Nächstes berieten sie darüber, ein gemeinsames Kontingent zusammenzustellen, das in den Osten aufbrechen würde, um die überlebenden Dritten aus den eingebrochenen Stollen zu befreien und den Durchgang ins Geborgene Land zu sichern. Da die Tunnel, in denen die Loren fuhren, durch das Beben vollends unbrauchbar geworden waren, standen den Zwergen für die Zukunft lange Märsche bevor, wollten sie sich zwischen den Gebirgen hin und her bewegen.

Spät in der Nacht hob man die Versammlung auf, die Herrscherin und die Herrscher kehrten zu ihren Heeren zurück. Mallen verließ die Unterkunft als Erster, danach folgten die anderen, bis nur noch Glaïmbar und Tungdil übrig blieben.

Der König kam näher und streckte ihm die Hand hin. »Meinen ewigen Dank, Tungdil Goldhand. Nach meinem Leben am Grauen Gebirge hast du nun das meiner Gemahlin gerettet, als du sie aus den Fängen der Avatare befreitest.«

Tungdil schlug ein, der Hass gegen den König der Fünften bestand nicht länger. Nach all dem Leid und den vielen Toten hatte er schlichtweg keine Lust mehr, Kraft auf ein schlechtes Gefühl zu verschwenden. »Ich habe meine beste Freundin vor dem Tod bewahrt. Nichts hätte mich aufhalten können.«