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»Wenn ich dich nach deinem sehnlichsten Wunsch fragte, den ich dir erfüllen könnte, was würde ich wohl hören?«, fragte Glaïmbar gefasst und schaute ihm in die braunen Augen, um jede Lüge sofort zu erkennen.

»Ich würde dich bitten, Balyndis freizugeben, damit sie zu dem Zwerg gehen kann, dem sie ihr Herz geschenkt hat«, sagte er wahrheitsgemäß. »Aber ich weiß, dass du es nicht kannst, deshalb wirst du es niemals von mir hören.« Er drückte die Finger des Königs. »Daher wünsche ich mir, dass du auf sie Acht gibst, sie ehrst und sie niemals unglücklich machst.«

Glaïmbar schüttelte beeindruckt den Kopf. »Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich bewundere, Tungdil?« Er wandte sich zum Gehen. »Du hättest der König der Fünften sein sollen, nicht ich«, sagte er über die Schulter, und es war aufrichtig gemeint; dann trat er hinaus.

Tungdil nahm die Augen nicht vom Ausgang, er dachte nach. »Wenn ich es gewollt hätte, Glaïmbar, wäre ich es geworden«, antwortete er lächelnd und goss sich einen frischen Tee ein.

Nach dem Trunk wollte er früh zu Bett gehen. Es standen lange Reisen an, die ihn zuerst nach Âlandur und von dort aus nach Dsôn Balsur führen würden, ehe er ins Reich der Vierten marschierte, um den Stein des Eoîls unter die Fälschungen zu geben. Bis zum Frühjahr würden seine Füße reichlich Schnee, Matsch und Erde unter sich spüren.

Er musste lächeln, als er das entsetzte Gesicht Rodarios vor sich sah, nachdem er ihm eröffnet hatte, dass er allein ins Reich der Albae gehen wollte.

»Warum, bei allen guten Göttern, willst du an den schrecklichen Ort? Dich vergewissern, dass der Stern der Prüfung auch den Letzten von ihnen vernichtet hat?«, hatte er ihn gefragt.

»Nein. Ich will wiederhaben, was mir die Albae raubten«, hatte er dem Schauspieler geantwortet.

Am Tee nippend, ging er zu seinem Feldbett und legte die schweren Pelze ab, um unter die Decke zu schlüpfen.

Bevor er einnickte, legte er einige Scheite in den tragbaren Ofen und heizte ihn ordentlich ein, damit die Kälte der Nacht nicht in sein Zelt kroch. Es ist meine Pflicht, die Sache zu Ende zu bringen, dachte er, während er in den Schlaf sank.

X

Das Geborgene Land, Elbenreich Âlandur,

6235. Sonnenzyklus, Spätwinter

Tungdil blinzelte zu den hohen Wipfeln hinauf, die sich unter der Last des Schnees bogen, sich aber beharrlich weigerten, unter der weißen Last zu brechen. Die Kraft der Sonne hatte in den letzten Umläufen zugenommen, hier und da rutschte der Schnee bereits von den Ästen und Zweigen.

Der Frühling streckte seine Hand nach dem Geborgenen Land aus. Bald würde die Natur zu neuem Leben erwachen. Es war die Zeit, die Frala, die Magd in den Diensten seines Ziehvaters Lot-Ionan, am meisten gemocht hatte.

Ich habe viele tote Freunde, fiel es dem Zwerg einmal mehr schmerzhaft auf, während er seinen Weg zwischen den Stämmen der mächtigen Bäume fortsetzte.

Bei seinem letzten Besuch in Âlandur waren er und seine Freunde sehr unfreundlich von den Elben begrüßt worden; dieses Mal ließen sie sich gar nicht blicken.

Unbehelligt wandelte er seit zwei Umläufen auf dem schmalen Pfad immer tiefer in das waldreiche Reich von Liútasil, dem Elbenfürsten mit den dunkelroten Haaren, die in der Sonne wie schwerer Wein schimmerten.

Es schien, als hätte man seine Gedanken gehört.

Der Pfad mündete auf eine Lichtung, auf der ein großes Zelt stand, dessen Wände aus grünem Samt gearbeitet zu sein schienen. Vor dem Eingang hielten vier Elbenkrieger Wache, und aus dem Eingang trat ein in festliche Gewänder gehüllter Liútasil; mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen ging er auf Tungdil zu und reichte ihm die Hand.

»Ich beglückwünsche dich, Tungdil Goldhand. Die Nachricht von deiner grandiosen Tat in Porista eilte dir voraus.« Er ging einen Schritt zur Seite und hielt ihm den Durchlass ins Zelt auf. »Wir haben deine Ankunft bemerkt und wollen dir eine Erholung gönnen.«

Der Zwerg verneigte sich leicht vor dem höchsten Elben. »Meinen Dank.« Er betrat das Innere der Unterkunft und staunte über die Schönheit der Einrichtung.

Wo die Menschen und Zwerge einfache Holzstützen und Streben errichteten, um die Stoffbahnen zu spannen und zu halten, benutzten die Elben verzierte Pfeiler aus duftendem Holz, in die auf kunstvolle Weise Runen und Jagdszenen geschnitzt worden waren. Auf Tungdil machte es den Eindruck, als wäre das Zelt für die Ewigkeit und nicht für kurze Zeit errichtet worden. Von den Deckenstreben hingen verzierte Öllampen, die für warmes Licht sorgten, und es roch weder nach Talg noch nach Ruß. Zwei Öfen sorgten für behagliche Wärme.

In der Mitte hatte Liútasil einen Tisch aufbauen lassen, an dem zwei Stühle standen. Darauf warteten dampfende Speisen gekostet zu werden.

»Setz dich und stärke dich nach deinem langen Marsch«, bat ihn der Elb. »Bist du gekommen, um mir und meinem Volk Vorwürfe zu machen, weil wir uns nicht an dem Kampf beteiligt haben?«

Tungdil warf den schweren Mantel ab, unter dem er die Rüstung trug, die ihm im Kampf gegen die Avatare von großem Nutzen gewesen war. Er nahm sich von dem heißen, mit Tannennadellikör gewürzten Bier und genoss es, etwas Warmes in den Magen zu bekommen. Die Elben schienen das Bier für ihn gebraut zu haben, es schmeckte herrlich malzig und keineswegs lieblich, wie man es von ihnen hätte erwarten können.

»Es war mehr die Neugier, die mich trieb. Niemand wird euch Vorwürfe machen. Ihr hättet zusammen mit den Albae an einer Seite kämpfen müssen, und das wäre euch wohl niemals in den Sinn gekommen«, sagte er ruhig. »Das ist die Erklärung, die sich die Menschen selbst gegeben haben. Mein Volk schob es auf das wiedererwachte Misstrauen, das seit der Schlacht vor Dsôn Balsur zwischen unseren Völkern herrscht, und war erleichtert, dass sich die Elben nicht blicken ließen. Als Prellbock zwischen Albae und Elben zu stehen lässt den stärksten Zwerg wie auf glühenden Kohlen sitzen.« Er füllte sich seinen Teller mit den Gerichten, deren Anblick er nicht einmal kannte. Liútasil tat es ihm nach und hörte aufmerksam zu. »Wenn ich es recht bedenke, war es für die Kampfkraft bei Porista nur gut, dass die Elben Âlandurs nicht erschienen sind.« Er schob sich einen Bissen in den Mund, von dem er annahm, dass es sich um Fleisch handelte. Zu seiner Erleichterung schmeckte es auch danach.

Der Elb bemerkte sehr wohl, dass Tungdil nicht mit seinen Ausführungen zu Ende war. »Nun?«, machte er gespannt. »Du denkst etwas anderes?«

»Ja, das tue ich.« Tungdil sah ihm in die Augen. »Ich nehme an, den wahren Anlass zu erahnen. Ihr habt nicht eingegriffen, weil Ihr von der Eoîl wusstet«, unterstellte er dem Fürsten. »Rodario und ich werden niemandem von der Elbin erzählen, welche die vermeintlichen Avatare anführte. Es sollen keine neue Feindschaften entstehen.« Er beobachtete, wie sein Gegenüber dies aufnahm. Dessen ertapptem Gesicht nach zu schließen hatten seine Vermutungen ins Schwarze getroffen. »Aber mir, Fürst Liútasil, schuldet Ihr die Wahrheit. Was war diese Eoîl?«

Der Elb ließ die Gabel sinken, mit der er sich eben noch ein Stück Fleisch in den Mund hatte schieben wollen. »Ja, Tungdil, deine Ahnung trügt dich nicht. Niemals hätten meine Krieger zu den Waffen gegriffen, um gegen die Eoîl in die Schlacht zu ziehen. Sitalia weiß, was es mich gekostet hat, sie dazu zu bringen, abzuwarten und nicht nach Porista zu reiten, um ihr beizustehen. Letztlich ließen sie sich nur überzeugen, weil sie zusammen mit den Menschen, die ihr folgten, zu viel Leid über das Geborgene Land gebracht hatte.«