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Königin Umilante, Herrscherin über das Königreich Sangreîn

Königin Wey IV., Herrscherin über das Königreich Weyurn

Königin Isika, Herrscherin über das Königreich Rân Ribastur

König Nâte, Herrscher über das Königreich Tabaîn

Truk Elius, Beamter in Bergensstadt

Hosjep, Zimmermann

Aspila, eine Frau aus Gastinga

Ertil, Händler aus Porista

Lirkim, Frau in Porista

Nufa, Famula Nudins/Nôdʹonns

Vallasin, Hauptmann von Belletains Heer

Die anderen

Ondori, Albin aus Dsôn Balsur, dem Albaereich Estugon, Alb

Liútasil, Fürst des Elbenreichs Âlandur

Ushnotz, Orkfürst des Orkreiches Toboribor

Runshak, Vertrauter Ushnotzʹ

Erstes Buch

Prolog

Das Geborgene Land,

im Osten des Reichs der Ersten,

6234. Sonnenzyklus, Spätwinter

Die Schneeflocken wirbelten unruhig umher. Trunkenen Tänzern gleich, taumelten sie aus dem Himmel herab und dem Roten Gebirge entgegen. Nach Belieben des Windes verteilten sie sich an den Hängen, wo sie als große, eisige Gemeinschaft die Felsen wie ein weißes Tuch bedeckten.

Seit vielen Sonnenumläufen schütteten die Wolken ihre Last aus. Die Menge, die sich an den Schrägen angesammelt hatte, genügte, um zehn aufrecht übereinander stehende Zwerge zu bedecken.

Boëndal Pinnhand aus dem Clan der Axtschwinger vom Stamm des Zweiten, Beroïn, stand auf dem zweithöchsten der neun Türme und schaute nach Osten, während ihn eine dicke Lage Pelze über seinem Kettenhemd vor den frostigen Temperaturen schützte.

Vor ihm erstreckte sich Ost-Eisenwart, die Festung der Nachfahren Borengars, des ersten Zwergenschmieds. Wie gewaltige Schranken ruhten die zweifachen Mauern vor den Felswänden des Gebirges. Acht der neun imposanten Türme waren versetzt in die Wälle eingepasst worden und in schwindelnder Höhe mit zusätzlichen Brücken verbunden. Der höchste Turm Eisenwarts jedoch stand frei hinter der zweiten Mauer; von ihm aus führte eine breite Brücke zu dem einzigen Eingang in den Berg und in das Reich der Ersten. Auf der Westseite des Roten Gebirges erhob sich die baugleiche Schwesterburg West-Eisenwart, ein unüberwindbares Hindernis für die Scheusale, die ins Geborgene Land drängten.

Elendes Warten! Der Zwerg, dem als Gast in den Mauern Unterkunft gewährt wurde, unterdrückte ein Gähnen. So schön der im Mondenlicht glitzernde Schnee in klaren Nächten auch anzusehen war, er bot ihm keine Abwechslung und barg darüber hinaus ungeahnte Gefahren. Wachtürme, Wehrgänge und Brücken am Eingang zum Reich der Ersten mussten ständig vom Weiß befreit werden, denn das tonnenschwere Gewicht lastete auf den Bauten und drohte sie einstürzen zu lassen. Die Erbauer des Bollwerks hatten die Kraft von angreifenden Trollen, die Wucht von einschlagenden Steinkugeln und titanischen Rammböcken berechnet, aber dass es jemals so viel Schnee geben könnte, daran hatten sie nicht gedacht.

»Er kommt aus dem Westen«, sagte einer der wachenden Zwerge mit einem missmutigen Blick zum Himmel. Die Kälte verwandelte seinen Atem in Wölkchen, und der dichte dunkelbraune Bart war unterhalb seiner Nase mit einer Schicht Reif bedeckt. Er schnaubte, nahm seinen Krug und tauchte ihn in den offenen Kessel mit dem Gewürzbier, unter dem ein schwaches Kohlefeuer brannte; auf diese Weise hielten sie es warm, ohne den Alkohol verdunsten zu lassen.

Der Zwerg leerte den Humpen in einem Zug und rülpste laut, danach füllte er ihn erneut und hielt ihn Boëndal hin. »Dabei kam er noch nie aus dem Westen. Immer aus dem Norden.«

Boëndal nahm das Angebot gern an; in Nächten wie diesen vertrieb der starke Gerstensaft die Kühle aus den Gedärmen. Die Ringe des Kettenhemds, das er über dem Lederwams trug, schlugen klirrend aneinander. Die Wunden in seinem Rücken schmerzten noch bei jeder Bewegung, auch wenn sie gut verheilten. Er verzog den Mund.

»Geht es?«, erkundigte sich der andere besorgt. »Ich habe gehört, dass die Verletzungen, welche die Pfeile der Albae schlagen, besonders peinigend sein sollen.«

»Es geht«, erwiderte Boëndal. »Die Schmerzen erinnern mich unablässig daran, wie viel Beistand ich von unserem Gott Vraccas hatte, als mich die beiden Pfeile trafen.« Er entsann sich genau. Nach langer Reise quer durch das Geborgene Land war er mit seinen Freunden auf Ost-Eisenwart zugeritten, als sie von den Albae unerwartet unter Beschuss genommen worden waren. Ihn hatte es am härtesten getroffen; die gefiederten Pfeile hatten die Rüstung perforiert und sein Blut in Sturzbächen zum Fließen gebracht...

»Allerdings verdanke ich mein Leben sicherlich auch euch, denn ihr habt uns aufgenommen und mich versorgt«, fügte er hinzu. »Hast du schon mal gegen einen Alb gekämpft?«, erkundigte er sich nach einer Weile.

»Nein. Wir haben den Durchgang bislang nur gegen Orks und Oger verteidigen müssen«, antwortete der Zwerg. »Sie sehen aus wie Spitzohren, stimmt das?«

Boëndal nickte. »Haargenau so. Groß, schlank, schnell, nur eben heimtückisch dazu.«

»Schade, dass wir sie nicht getötet haben. Sie werden es deinen Freunden nicht eben einfach machen, ihre Mission zu erfüllen.« Der Zwerg blickte nach Nordosten, dorthin, wo die Hoffnung des Geborgenen Landes lag: Drachenbrodem - eine Esse von außergewöhnlicher Hitze, in der eine Waffe gegen das Böse im Geborgenen Land geschmiedet werden sollte.

»Tungdil wird es schaffen«, sagte Boëndal voller Überzeugung. »Mein Zwillingsbruder Boïndil und die anderen Zwerge werden mit ihm zusammen jene Klinge schmieden, die das Böse zerschlagen wird.«

»Ich habe von der legendären Axt Feuerklinge gehört, die sie erschaffen möchten«, begann der Zwerg. »Wird sie dem Leben des Verräters Nôdʹonn wirklich ein Ende bereiten können, trotz der Zaubermacht, die er besitzt?« Die Zweifel in der Stimme des Wächters waren unüberhörbar.

»Sorge dich nicht. Eine alte Schrift besagt, dass die Schneide der Feuerklinge durch Fleisch und Knochen des Lebenden fährt, um das Dämonische in seinem Innersten zu treffen und zu vernichten. Alles, was es verursacht hat, wandelt sich daraufhin zurück zum Guten.« Boëndal sah dem Zwerg in die Augen. »Es muss gelingen, und es wird gelingen. Wir sind Zwerge, die Hüter des Geborgenen Landes. Wir erfüllen unsere Aufgabe.« Boëndal trank vom Gewürzbier und genoss die Wärme, die sich in seinem Inneren ausbreitete. »Gibt es Neuigkeiten von deiner Königin Xamtys?«, fragte er schließlich, denn das Warten war für ihn längst unerträglich geworden.

Die Herrscherin der Ersten war mit einer kleinen Streitmacht durch die Tunnel aufgebrochen, welche die Zwergenreiche unterirdisch miteinander verbanden. Erfindungsreiche Ingenieure hatten einst Eisenschienen darin verlegen lassen, auf denen Loren entlangrollen konnten; ein ausgeklügeltes System aus Steigungen und Gefällen machte es möglich, zügig unter dem Geborgenen Land voranzukommen.

»Bei Vraccas, was gäbe ich dafür, etwas über ihren Verbleib zu erfahren«, grummelte der wachhabende Zwerg und spielte mit der Rechten an einer Bartsträhne. »Die Königin zog zu einem Treffen aus, und nun muss sie den anderen Stämmen in der Schlacht gegen die Horden Nôdʹonns beistehen. Seitdem herrscht Ungewissheit über ihren Verbleib und den unserer Krieger.« Seine Linke lag locker auf der Brüstung des Turmes. »Nichts ist schlimmer als das Ausharren.« Er warf Boëndal einen Blick zu. »Aber wem sage ich das? Ich sehe dich immer hier oben, wenn ich meinen Wachdienst verrichte. Bei Tag und bei Nacht. Schläfst du eigentlich nie?«