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»Nein, ich darf nichts sagen«, grunzte der Ork viel zu schnell, die Klinge nicht aus den Augen lassend.

»Wenn du leben möchtest, berichte von deinem Auftrag!«

»Nein, Ushnotz wird mich...«, er verstummte. Sein hektisches Blinzeln verriet ihn, und so blieb Tungdil ausreichend Zeit, dem nach vorn hechtenden Gegner auszuweichen und seinen Schlag zu unterlaufen.

Er hatte allerdings nicht mit der glimmenden Kampflust Ingrimmschs gerechnet, der sich mit einem wilden Schrei auf den Ork warf und ihm die Schneiden durch Hals und Brust schlug, dass es spritzte. Röchelnd brach die Bestie zusammen und starb, da die Klinge sein Genick durchtrennt hatte.

»Gut gemacht, Boïndil«, lobte Tungdil ihn mit ätzendem Spott in der Stimme. »Er wird sich nicht mehr erheben.«

»Er wollte dich angreifen«, verteidigte Ingrimmsch sich, wusste aber genau, dass er einen Fehler begangen hatte. »Hat er dir etwas verraten?«

»Er war kurz davor, als dein Beil ihn getötet hat.« Nachdenklich betrachtete Tungdil den erkaltenden Leib. Der Name Ushnotz weckte Erinnerungen, doch er konnte ihn keiner passenden Begebenheit zuordnen. »Durchsucht sie«, verlangte er schließlich von seinen Leuten. »Wenn sie irgendetwas bei sich tragen, aus dem ihr schließen könnt, dass sie am Schwarzjoch waren, berichtet es mir auf der Stelle.« Er bückte sich und fing an, die Kleidung und den Rucksack vor sich zu durchwühlen.

Ingrimmsch, den noch immer das schlechte Gewissen wegen seiner voreiligen Tat plagte, blieb bei ihm und tat so, als inspiziere er die Berghänge. »Wenn du Recht hast, müssen sie irgendwie an uns vorbeigelangt sein«, sagte er, darum bemüht, belanglos zu klingen.

»Nicht unbedingt. Sie könnten lange vor uns eingedrungen und durch die Stollen geirrt sein. Weil ich sie verstehe, heißt es noch lange nicht, dass sie unsere Runen deuten können.« Er schüttete die Gürteltasche aus. »Kaum Proviant. Entweder haben sie ihr Lager in einer Höhle angelegt und von dort ihre Erkundungen gemacht, oder sie brauchten wirklich so lange, um bis zum Torweg zu gelangen.«

Boïndils Augen hatten das fanatische Glitzern endgültig verloren. Die Ausgeglichenheit würde eine Zeit lang anhalten, ehe er aufs Neue vom Drang beseelt wurde, unter allen Umständen gegen die Kreaturen des Bösen antreten zu müssen. Er betrachtete die Riegel, der kühle Wind strich über sein Gesicht und trocknete das Blut in seinem Bart.

»Sie haben sie abgeschlagen«, sprach er seine Gedanken laut aus und entdeckte die Kratzspuren von Meißeln am oberen Teil der Torflügel. »Sieh nur! Sie wollten das Tor abtragen, aber als sie merkten, dass es zu hart für ihre jämmerlichen Werkzeuge war, brachen sie die Bolzen der Riegelbettung heraus.«

»Unsere Steinmetzen und Schmiede werden den Schaden beheben können«, beruhigte ihn Tungdil, der noch keine brauchbare Spur auf die Herkunft des Orks gefunden hatte. Seine Finger durchforsteten Schicht für Schicht, er zog ihm sogar die Rüstung aus, um darunter zu schauen, bis er im Handschuhaufschlag ein sorgsam zurechtgefeiltes Stück Holz entdeckte; das Zeichen eines Fürsten war mangelhaft darin eingeritzt worden. Es war schwarz, schwer und mehr wie Kohle denn Holz.

Neugierig kam Ingrimmsch näher. »Totes Holz«, sagte er. »Es sieht aus, als stammte es aus dem Entseelten Wald in Gauragar.«

Nun fiel es Tungdil wie Schuppen von den Augen.

Ushnotz zählte zu den drei Orkfürsten, die er vom Baum herab belauscht hatte, damals, kurz vor dem Angriff auf Gutenauen. Eigentlich gehörten der Fürst und seine Meute ins südöstlich gelegene Toboribor, das selbst geschaffene Orkreich inmitten von Idoslân. Das sind 1500 Meilen. Warum sollte er Kundschafter in den Norden schicken? Und stammt das Schwarze Wasser aus dem See, den wir in dem Wald sahen? Er teilte Boïndil seine Überlegungen mit.

»Wenn ich eine feige Schweineschnauze wäre, bei der alles entscheidenden Schlacht verloren hätte und wüsste, dass meine Feinde mich entweder zu Hause erwarten oder mir unterwegs auflauern, würde ich nicht mehr nach Hause wollen. Warum also nicht über den Pass hinaus ins Jenseitige Land?«

Tungdil fand einen wahren Kern in den Ausführungen des Kriegers. »Du hast Recht. Bis auf eine Sache.« Er erhob sich und stellte sich an die steinernen Aufbauten, in die Regen, Wind, Schnee und Sonne ihre Spuren eingegraben hatten. Seine Finger fuhren über den rissigen Fels, während seine Augen hinüber zu den legendären Berggipfeln wanderten. »Sie wollten das Land nicht verlassen. Sie wollten sich ein neues Reich im Grauen Gebirge errichten.«

»Was?«, schnaubte sein Freund und stapfte heran. »In unseren Bergen?« Er spie auf den toten Ork. »Vraccas möge deine Seele, so du eine besitzt, mit glühenden Hämmern auf dem Amboss schlagen und sie mit feurigen Zangen zwicken, du Scheusal!«

Für Tungdil passte alles zusammen. Hätte Ushnotz den Eingang in das Reich der Fünften vor ihnen erreicht und wieder in Stand gesetzt, wäre es ein Ding der Unmöglichkeit geworden, ihn jemals wieder aus den Stollen zu vertreiben.

Schleierhaft blieb ihm derzeit noch, was Ushnotz mit der Pforte am Steinernen Torweg beabsichtigte. Vernichten oder schließen? Er traute es dem Orkfürsten durchaus zu, eine Art Wegzoll von den Scheusalen zu verlangen, die aus dem Jenseitigen Land anrückten. Auf diese Weise bekam er alles, was er und seine Leute zum Leben benötigten, ohne einen Finger zu rühren.

Von den Kundschaftern über Ushnotz und den Entseelten Wald war es ein kleiner Gedankensprung hin zu denen, die ihm und den Zwergen im Grauen Gebirge in absehbarer Zeit einen unschönen Besuch abstatten würden. Sie müssen aus dem Wald in Gauragar entkommen sein. Wie viele haben wir gezählt? Waren es nicht viertausend gewesen?

Tungdils Blick schweifte über Berge, Schluchten und Täler und verweilte an der Drachenzunge.

»Wir haben euch zurückerobert und werden euch gewiss nicht noch einmal an diejenigen verlieren, welche Verderben über das Geborgene Land brachten«, schwor er den schroffen Gipfeln leise. »Der Nordpass ist und bleibt in unseren Händen, und wenn wir viertausend Köpfe von den Hälsen schlagen müssen.«

Boïndil nickte. »Wahr gesprochen, Gelehrter. Verfluchte Schweineschnauzen! Wenn es die Orks sind, die wir in Gauragar verfolgt haben, sind sie in großer Übermacht. Keine unmöglich zu schlagende Übermacht, aber eine Übermacht.«

»Wir müssen sie enthaupten, um sie zu töten, vergiss das nicht. Das macht es vierfach so anstrengend für uns. Du hast gesehen, wie viele von uns sie getötet oder verwundet haben. Wir brauchen unbedingt Verbündete«, entschied er. »Wir können nicht zurück zu den Ersten, es würde zu lange dauern.«

»Die Elben?«

»Nein, sie sind damit beschäftigt, ihr Reich von den Albae zurückzuerobern und Dsôn Balsur zu vernichten. Auf sie können wir gewiss nicht zählen.«

»Mh.« Ingrimmschs Blick heftete sich auf das erhabene Massiv der Großen Klinge. »Wer bleibt uns dann noch?« Dann weiteten sich seine Augen voller Erkenntnis, da er sich die Antwort in Gedanken selbst gegeben hatte.

»Da! Da war etwas!« Einer der Zwerge spähte nach Norden, den Steinernen Torweg entlang, in den der Nebel von den umliegenden Hängen sank und ihn mit milchiger Trübe füllte. »Ich habe einen Schatten gesehen.«

Tungdil presste die Lippen zusammen. Es wäre ein ungünstiger Zeitpunkt für einen Angriff durch ein Heer von Bestien. Mit den wenigen Unverwundeten seines Trupps würde er den Durchgang nicht länger halten, als ein Schrei benötigte, um von einer Bergwand widerzuhallen. »Seid leise«, befahl er, »und horcht.«

Sie lauschten in das dichter werdende Gespinst hinein. Ihre Gesichter waren angespannt, Ingrimmsch hatte eine seiner geflochtenen Bartsträhnen im Mundwinkel und kaute darauf herum, die Augen fest auf die Schwaden gerichtet.