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Gemächlich kroch der lebendig wirkende Dunst näher, umschmeichelte die Torflügel, vergewisserte sich, dass sie nicht zuschlugen, und schwebte weiter voran.

Tungdil atmete auf. »Nichts.«

Boïndil ließ enttäuscht die Arme sinken. »Es wäre auch zu schön...«

Sie hörten das dumpfe Klirren einer weit entfernten Rüstung schräg unter ihnen im Schutz des Nebels. Augenblicklich kehrte ihr Unbehagen zurück.

»So klingt das schlechte Eisen der Schweineschnauzen«, sagte Ingrimmsch und wandte sich an die Zwerge, die den Gefangenen auf die Zinnen gebracht hatten. »Ist euch etwa noch einer entkommen?«

Sie sahen sich ratlos an.

»Ich denke nicht«, bekam er zur Antwort, der Sprecher klang unsicher.

»Du weißt es aber nicht.« Tungdil hatte die Geröllbrocken gesehen, die auf dem Weg zum Nordpass und am Tor herumlagen. Sie hatten die Ausmaße, einen ausgewachsenen Ork hinter sich zu verbergen. »Was, wenn wir einen übersehen haben?« Das war gar nicht gut. »Gehen wir nachsehen.«

»Wir fangen ihn ab, ehe er auf Bestien aus dem Jenseitigen Land stößt und ihnen von der Lage am Torweg erzählt«, empfahl Boïndil. Er hob die Beile. »Und wenn es Späher von der anderen Seite sind, müssen sie erst recht sterben.«

Einen Zweifrontenkrieg konnte sich ihre kleine Gemeinschaft auf keinen Fall leisten, die anrollenden Orks aus dem eigenen Land genügten vollends. Tungdil nickte seinem Freund zu und deutete auf drei weitere Zwerge, die sich in der Schlacht am Turm gut geschlagen hatten. »Ihr kommt mit mir, der Rest hält Wache«, befahl er und lief zur Treppe.

Das Geborgene Land, Gauragar,

in der Hauptstadt des ehemaligen

Zauberreiches Lios Nudin, Porista,

6234. Sonnenzyklus, Frühling

»Ho, schändlicher Nôdʹonn! Habe ich dich gestellt!« Ein schwer gerüsteter Mann sprang mehr schlecht als recht aus dem Halbdunkel des Zimmers und stellte sich in einer heroischen Pose der robenverhüllten Gestalt entgegen. Der Helm ließ seine Stimme dumpf klingen, als redete er in einen Eimer. »Die Völker des Geborgenen Landes sollen nicht länger unter dir und deinen Scheusalen leiden!« Er hob eine funkelnde Axt. »Ich habe die Macht, dich und deinen Dämon zu vernichten! Stirb!« Er schwang sie einmal um den Kopf, und plötzlich zog sie eine leuchtende Spur aus rotem Licht hinter sich her. Qualm stieg auf.

Aufheulend wich Nôdʹonn vor dem entschlossenen Angreifer zurück, der ihm staksend nachsetzte; die Rüstung klapperte laut und zerstörte den Nimbus des Helden. Der Zauberer richtete seinen Stab gegen ihn, grellgelbe Funken schossen hervor und hagelten gegen das Eisen.

»Ha, schändlicher Nôdʹonn! Deine schwarze Kunst wird dir nichts nützen.« Der Held setzte seine Attacke schwankend fort und führte einen mächtigen Schlag gegen den Feind. An der Stelle, an der die Schneide in den Leib drang, gab es einen mächtigen Knall; der Explosionsblitz blendete jeden im Umkreis von zehn Schritten für eine nicht unerhebliche Zeit.

Als die Augen wieder etwas sehen konnten, war Nôdʹonn verschwunden. Seine kokelnde Robe lag am Boden, der Held stampfte auf ihr herum und versuchte, den Brand zu löschen. Erst als die zaghaften Flämmchen vergingen, hob er den Kopf.

»Oh, ach so, ja, Ihr wart nun Zeugen, verehrte Spectatores, wie ich«, der Panzerhandschuh kämpfte erfolglos mit dem Verschluss des Visiers, »der Unglaubliche Rodario...«, der zierliche Metallhaken quietschte und riss ab. »Bei allen verfluchten und ver...«

Der Held ließ die Axt fallen, die sich knapp neben seinem linken Fuß in die Balken bohrte, und ruckte mit beiden Händen am Helm herum, bis er es aufgab und die Arme von sich streckte. Die eisernen Gelenke des Harnischs kommentierten die Bewegung mit einem Ächzen, das einem die Nackenhaare aufstellte.

»Was sollʹs. Ihr seid Zeugen geworden, wie ich, der Unglaubliche Rodario, das Geborgene Land zusammen mit Andôkai der Stürmischen und ein wenig Beistand der Zwerge gerettet habe. Nehmt meinen Dank für Eure Aufmerksamkeit, verehrte Spectatores, und gebt mir dafür reichlich Münzlinge.«

Er verbeugte sich tief, trat auf ein lockeres Brett, verlor das Gleichgewicht und stürzte kopfüber von der behelfsmäßigen Bühne des Curiosums. Scheppernd landete er im schmalen Graben, in dem die Musiker und Handlanger üblicherweise während einer Vorstellung im Verborgenen saßen und ihren Beitrag zum Gelingen des Stückes leisteten.

Lachend eilten Furgas und Narmora heran, um Rodario aufzuhelfen. »Eine gelungene Probe«, zog ihn die Frau auf.

»Befreit mich von dem Helm«, stöhnte er dumpf. »Ich ersticke.«

Furgas, der Magister technicus des Curiosums, betrachtete die verbogenen Verbindungsschnallen. »Das wird nicht einfach. Du hast sie beschädigt.« Wenigstens gelang es ihm mit etwas Fingerspitzengefühl, das Visier zu öffnen, hinter dem das aristokratische Gesicht des Schauspielers sichtbar wurde. Sein Kinnbärtchen hatte unter dem unwürdigen Abgang gelitten, die Kollision mit dem Metall nahm es dem Mann so übel, dass es sich nach allen Richtungen sträubte.

»Meinen Dank«, schnaufte er erleichtert. »Und?« Erwartungsvoll drehte er sich zu Namora und ihrem Gefährten um. »Wie war ich?«

»Du musst üben, dich in einer Rüstung zu bewegen, sonst glauben die Menschen aus Porista dem überragenden Helden kein einziges Wort«, brachte es Narmora auf das Wesentliche. »Du schwankst wie Schilf im Wind.«

Rodario verzog den Mund. »Das ist eben meine Art, die Gegner zu verwirren.«

»Sie hat Recht.« Furgas, der von Kopf bis Fuß in eng anliegende, schwarze Kleider gehüllt war, fuhr sich durch die Haare und schüttelte etwas von dem Blitzpulver heraus. »Die Verpuffung ist zu stark, die Rezeptur muss von mir überarbeitet werden, wenn wir nicht wollen, dass unsere Spectatores als Blinde nach Hause kehren.« Er klopfte Rodario gegen den Harnisch. »Aber ansonsten ließ es sich sehr gut an. Nur... soll Andôkais Darstellerin wirklich so spärlich bekleidet erscheinen?«

»Ja. Das Weib läuft doch ständig durch die Gegend, als wäre sie eine Kurtisane. Man kann ihre Erscheinung nicht übertreiben.«

»Und dass ihr beiden in dem Stück eine Liebesbeziehung habt... Denkst du nicht, es wird sie stören?«, setzte Narmora zuckersüß nach. »Du weißt, dass sie versprochen hat, Djerůn die Vorstellung anschauen zu lassen.« Ihr Lächeln wurde bösartig. »Du erinnerst dich doch noch an Djerůn, den drei Schritt großen Leibwächter mit den vielen Waffen und der Stärke von zehn Männern? Nicht zu vergessen die unvorstellbare Geschwindigkeit.«

»Furgas, ich weiß nicht, ob du es bemerkt hast, doch du hast eine gehässige Furie an deiner Seite, die sich am Leiden anderer ergötzen will«, sagte der Mime und täuschte den Gekränkten vor.

»Eigentlich nur an deinem«, grinste sie. »Du wirst die Schuld an deinem Leid selbst zu verantworten haben, Rodario, denn mahnende Stimmen gab es genug.«

Er kniff die braunen Augen zusammen und sandte ihr einen verächtlichen Blick. »Es ist künstlerische Freiheit, meine Liebe. Davor muss sich auch Andôkai die Stürmische beugen, Maga hin oder her.« Dann wandte er sich an Furgas. »Rette den Ruf eurer kleinen angehenden Familie und befreie mich aus dem Kerker aus Eisen.« Probehalber wedelte er mit den gerüsteten Armen und schaffte es, die Hände bis auf Höhe der Taille zu heben. »Unfassbar, dass es Menschen gibt, die in solch einem Gebilde kämpfen können.«

»Sie werfen sich allerdings nur in den seltensten Fällen von zweieinhalb Schritt hohen Bühnen«, merkte Furgas trocken an. »Warte hier, ich muss Werkzeug holen. Du hast es geschafft, die Schnallen und Arretierungen zu verbiegen.«

Narmora begleitete ihn in die kleine Werkstatt, in der er die kompliziertesten Vorrichtungen für die Aufführungen ersann und baute sowie Farbpulver für bunte Feuer, einen Flammenstrahl oder einen nachgeahmten Zauber mischte. Sein Lohn war das ungläubige Staunen der Spectatores.