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Kling, kling.

Das Geräusch kam eindeutig näher. Der Zwerg wich zurück, presste den Rücken gegen die Wand, spähte nach rechts und links. Er sog die feuchtkalte Luft ein, um einen Geruch auszumachen, erkannte jedoch nichts außer klammem Stein.

Kling. Ein oder zwei Armlängen entfernt ertönte es ein letztes Mal. Ein Steinchen knirschte, knackend wurde es unter einer Stiefelsohle zermahlen.

Tungdil bildete sich ein, dass er von Orks eingeschlossen war, dass sie um ihn herumstanden und ihre Waffen hoben, er roch den stinkenden Unschlitt, schluckte, drehte und wendete den Kopf unablässig, um den bevorstehenden Angriff als Schemen erahnen und handeln zu können.

Ein gedrungener Schatten trat auf ihn zu.

»Ihr bekommt mich nicht!« Tungdil hechtete nach rechts und schlug zu. Die Axt krachte gegen Metall und steckte fest!

»Vorsicht, Gelehrter«, rief Boïndil schnaufend aus dem Nebel. »Du hättest mich beinahe getroffen.«

Jetzt erkannten Tungdils von Furcht umnachtete Augen, wem seine Attacke gegolten hatte. Ingrimmsch war es gelungen, die Schneide mit überkreuzten Beilklingen abzufangen und einzukeilen, damit Tungdil nicht ein weiteres Mal zuschlug. »Verzeih mir«, stöhnte der Zwerg, erleichtert, wenigstens einen seiner Begleiter wiederzuhaben. »Ich dachte, du wärst ein Ork. Oder Schlimmeres. Wo sind die anderen?«

»Keinen Schimmer. Ich vermutete sie bei dir!«

»Hast du den Ork nicht schreien hören?«

»Eine Schweineschnauze? Und ich soll sie überhört haben?«

»Ich habe ihn enthauptet, und er...«

Kling.

Tungdil stieß seinen Freund zurück, der auf der Stelle vom Dunst verschluckt wurde. Schon sprang ein Ork aus dem Nebel, das Schwert schoss geradewegs zwischen den Zwergen hindurch, ohne einen der beiden zu treffen.

Dafür erschien ein schreiender Boïndil mit wehendem Bart und weit geöffnetem Mund neben der Bestie. Er jagte ihr ein Beil in den Wanst, das zweite trennte Kopf und Torso voneinander. Polternd fielen die Orkteile zu Boden und lagen still.

»Also waren es zwei.« Befriedigt, doch einen Gegner abbekommen zu haben, wischte Ingrimmsch seine Beile an den Kleidern des Leichnams ab. Grün und zäh haftete das Blut an dem schäbigen, abgewetzten Stoff. »Suchen wir unsere Leute?« Tungdil nickte.

Mit den Händen am Fels inspizierten sie die Höhle; sie besaß drei Ausgänge, einer davon trug frische Luft mit sich. Den Weg zum Steinernen Torweg hatten sie wenigstens entdeckt.

Es dauerte lange, bis sie ihre Freunde fanden.

Zwei von ihnen waren tot, bestialisch von den Orks ermordet, der dritte hatte einen mörderischen Schlag mit dem Beistand von Vraccas zunächst überlebt, aber seine Lebensesse erkaltete.

»Drei«, raunte er sterbend in Tungdils Ohr. »Es waren drei...« Boïndil wurde sofort wachsam, lauschte in den Nebel, der sich beharrlich weigerte, sich aufzulösen.

»Hast du gesehen, wohin der Letzte gegangen ist?«, hoffte Tungdil zu erfahren, obgleich er wusste, dass es längst zu spät war, sich an die Verfolgung zu machen. Der Ork befand sich gewiss irgendwo in weiter Entfernung auf dem Marsch zu den Bestien des Jenseitigen Landes.

Der verwundete Zwerg krümmte sich. »Ich...« Seine Augen verloren das Lebensfeuer, die Seele zog hinaus und schwebte in die Ewige Schmiede.

»Gehen wir. Wir können hier nichts mehr tun.« Tungdil wuchtete den Toten über seine Schulter; mit einem Ledergurt sorgte er dafür, dass er nicht abrutschte.

»Und was ist mit dem Letzten der Bande?« Ingrimmsch schien nicht gewillt zu sein aufzugeben, besann sich nach einem langen Blick seines Freundes aber eines Besseren. Wortlos band er sich den zweiten gefallenen Zwerg über die Schulter, den Dritten schleppten sie zu zweit aus der Höhle hinaus.

Nach und nach wurde es heller um sie herum. Sie hatten die Kaverne verlassen, auch wenn Tungdil nicht sagen konnte, wann sie hinausgelangt waren. Tatsächlich zog sich der Nebel zurück, während die vertrauten Sterne über ihnen funkelten und ihnen den Weg wiesen.

Endlich sahen sie die gewaltigen Steinportale der Pforte in das Geborgene Land und hielten darauf zu. Boïndil wandte sich noch einmal um und schüttelte sich, wie um die Beklemmung des Jenseitigen Landes abzuwerfen. »Es wundert mich nicht, dass nur wenige Expeditionen der Menschen zurückgekehrt sind«, sagte er zu Tungdil. »Nichts brächte mich freiwillig dahin zurück.«

Sein Freund konnte ihm nur zustimmen.

*

Bis auf die Wachen, welche pflichtgemäß ihren Dienst an den strategisch wichtigen Punkten versahen, erschienen sämtliche Zwerginnen und Zwerge, die mit Tungdil ausgezogen waren, in der großen Halle. Einst hatte sie den Fünften als Versammlungsstätte gedient, wie die Inschriften auf den silbernen Platten an den Wänden verrieten. Nicht alle hatten die Zeit der Scheusale heil überstanden, vor allem die kostbareren unter ihnen hatten schwer unter deren Beutegier gelitten. Etliche Stücke waren achtlos herausgeschlagen und - gebrochen worden.

Die Halle selbst zeugte vom großen Einfallsreichtum der Fünften.

Sie begann mit einer kreisrunden Grundfläche, die zwanzig Schritt im Durchmesser maß. Die Wände stiegen einen Schritt senkrecht nach oben an und verliefen dann im rechten Winkel etwa vier Schritte nach hinten, woraus sich ein breiter Sims ergab, ehe die Wände erneut senkrecht emporstiegen; auf diese Weise hatten die Steinmetzen Giselbart Eisenauges Kreis um Kreis in den Berg geschlagen. Die Anordnung erinnerte Tungdil an das Theater in Mifurdania, in dem er Narmora, Furgas sowie den im wahrsten Sinne des Wortes unglaublichen Rodario zum ersten Mal gesehen hatte. Jedes noch so leise geflüsterte Wort konnte an jeder Stelle der Halle gut vernommen werden. Ausreichend Licht verschafften ihnen die dunkelrot lodernden Kohlestücke, die in eisernen Haltern verbrannten.

Tungdil stand im Zentrum, dem untersten, ebenerdigen Kreis, die anderen Zwerge füllten die Ränge. Er nutzte die Gelegenheit, um sie zu zählen, und kam auf etwa achthundert seines Volkes, die sich ihm freiwillig angeschlossen hatten; etwa dreihundert von ihnen waren Frauen.

»Ich freue mich, euch alle hier zu sehen«, begrüßte er sie, nachdem Ruhe eingekehrt war. »Wir haben einiges zu bereden.«

Zuerst berichtete er ihnen von den Neuigkeiten, welche sie vom Nordpass mitbrachten, was mit Gelassenheit aufgenommen wurde. Die Zwerge rechneten jederzeit damit, gegen Orks anzutreten, mochten es noch so viele sein.

»Vraccas sei mein Zeuge, dass ich mich niemals dazu gedrängt habe, euer Anführer zu sein«, schnitt er den zweiten Grund für die Versammlung an. »Ich bin nicht von euch dazu gewählt worden und möchte es mir nicht länger anmaßen, dieses Amt zu bekleiden. Wenn die stürmischen Zeiten kommen, muss diese Frage geklärt sein, damit der Feind aus möglichen Streitigkeiten in den eigenen Reihen keinen Vorteil ziehen kann.« Er schluckte den Kloß im Hals hinab. »Ich bin ein Dritter, wie ihr alle wisst. Neulich ist es mir sehr deutlich gesagt worden. Es gibt nach wie vor Bedenken, was meine Ergebenheit gegenüber dem Volk der Zwerge anbelangt. Und solange diese Vorbehalte nicht verklungen sind, werde ich nichts anderes als ein gewöhnlicher Krieger sein.« Tungdil hob die Axt und drehte sich auf der Stelle. »Einer aus euren Reihen soll sich bereit erklären, König im Reich der Fünften zu sein. Ich kann es nicht.« Er senkte den Arm und trat augenfällig zur Seite, um seinen Rücktritt zu verdeutlichen.

Die Zwerginnen und Zwerge berieten sich. Das vervielfachte Echo ihrer tiefen Stimmen erzeugte ein anhaltendes Brummen in der Halle, ein Zeichen des Lebens im Grauen Gebirge.

Tungdil hielt seine Begründung für ausreichend. Als er seine Abstammung erwähnt hatte, hatte er geglaubt, in einigen Gesichtern schlecht verhohlene Erleichterung und offene Zustimmung zu seiner Entscheidung erkannt zu haben. Er dankte Vraccas, dass er ihm diese Einsicht gegeben hatte.