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»Eure Börsen«, erklang die Anweisung aus der Ruine. »Sofort.«

»Geht die Vorstellung etwa weiter?«, fragte Furgas seinen Compagnon.

Rodario hob die Arme, sein Gesicht war kreidebleich. »Nein, der gehört nicht zu mir. Es muss ein echter sein.«

Sie drehten sich um und standen vor einem Maskierten, der ihnen ein Messer entgegenreckte. Die Hand mit der Waffe zuckte nach vorn. Geistesgegenwärtig wich Furgas der schmalen Klinge aus und stieß dem Angreifer Rodarios Dolch in die Schulter.

Aber die Schneide glitt nach hinten in den Griff und schnellte mit einem leisen Klicken wieder heraus, als der Räuber den Arm zurückzog. Er und Furgas schauten verdutzt.

»Ein Theaterdolch«, rief Rodario. »Ich würde dich niemals mit einem echten angreifen!«

Hämisch lachend sprang der Gegner auf Furgas zu, der nichts anderes tun konnte, als dem Messer unter Aufbietung seiner Geschicklichkeit durch rasche Drehungen und Haken zu entgehen. Wenn er es richtig erkannte, haftete eine grellgelbe Flüssigkeit daran - der Mann gebrauchte Gift.

»Ich komme, geliebter Freund!« Der Mime hob ein Stück Holz vom Boden und wollte seinem Freund zu Hilfe eilen, als ein zweiter Mann aus der Ruine trat und ihn sofort mit einem Knüppel niederschlug. Ächzend brach er zusammen, rang gegen die Ohnmacht. »Das war... äußerst hinterhältig...«

»Bist du Furgas?«, fragte der Angreifer ihn. Die Stimme hallte laut in seinem verletzten Schädel. Mühsam öffnete er die Lider und sah ein gelblich schimmerndes Kurzschwert vor sich.

»Nein, lass ihn«, rief der erste der Räuber. »Der hier ist es.«

»Glaubt ihm nicht. Ich bin...« Die Finger Rodarios streckten sich, er versuchte trotz seiner Benommenheit den Angreifer zu fassen, doch seine Kraftlosigkeit verhinderte es. Im Gegenzug bekam er einen Tritt gegen die Stirn und verlor das Bewusstsein vollends.

Furgas stand mit dem Rücken zur Wand, den Kleineren seiner Gegner beobachtend. »Was wollt ihr von mir?«

»Dein Gold, wirdʹs bald?«, fauchte der Maskierte ihn an, und sein Kumpan begab sich an seine Seite.

Furgas nestelte den Beutel zum zweiten Mal an diesem späten Abend von seinem Gurt und warf ihn den Räubern vor die Füße. »Zufrieden? Mehr habe ich nicht.«

Der Angreifer mit dem Messer hob die Börse auf, wog sie in der Hand. »Nicht schlecht. Ja, ich denke, wir sind zufrieden.«

Er wollte noch etwas sagen, als ein gewaltiger Schatten über die beiden fiel.

Sie hoben die Köpfe und sahen im Gegenlicht des Mondes die dunklen Umrisse von Djerůns Rüstung. Der Leibwächter der Maga kauerte sprungbereit auf einem hohen Mauerrest, die Linke hielt ein zwei Schritt langes Schwert. Hinter der polierten Dämonenfratze glomm es schwach purpurfarben auf, das Leuchten intensivierte sich, begleitet von einem dumpfen Grollen.

»Bei... Palandiell!«, stammelte der Kleinere und wankte rückwärts, unfähig, die weit aufgerissenen Augen von der unheimlichen Bedrohung abzuwenden. »Weg! Es wird uns...«

Djerůn stieß sich ab und stieg hoch in den schwarzen Himmel, gleichzeitig schleuderte der zweite Räuber sein Kurzschwert nach dem staunenden Furgas.

Während die Klinge ihn genau in den Bauch traf und das verletzliche Fleisch und die empfindlichen Innereien durchbohrte, wurde sein Gegner in zwei Blut sprühende Hälften zerteilt und fiel in den Schmutz von Poristas Gosse. Djerůn war über ihn hinweggesprungen und hatte ihn beim Aufkommen auf den Boden mit seinem Schwert der Länge nach halbiert.

Dasselbe Schwert schoss unmittelbar darauf durch die Luft, waagerecht um die eigene Achse wirbelnd, und traf den anderen Räuber in den Rücken. Die Klinge schnitt sich knapp oberhalb des Beckens durch alles, was ein ungeschützter menschlicher Körper an Widerstand bot, und trat vorn wieder aus.

Die Wucht des Schlags hatte nicht ganz ausgereicht, um den Ober- vom Unterkörper zu trennen, ein dünnes Band aus Fleisch auf der linken Seite hielt sie noch zusammen. Nicht menschliche Laute heulend, ging der Mann zu Boden und wälzte sich in einer roten Lache, in die seine Gedärme rutschten. Kurz darauf verstummte er.

Djerůn ging achtlos an ihm vorbei, nahm sich sein Schwert, das sich tief in eine Ziegelmauer gebohrt hatte, und wartete regungslos neben Furgas, bis die Wachen der Maga herbeigeeilt kamen. Doch als er das Rasseln ihrer Rüstungen hörte und den Schein der Fackeln sah, verschwand er im Dunkel.

V

Das Geborgene Land, im Norden Gauragars,

6234. Sonnenzyklus, Frühling

Tungdil, Boïndil und zehn weitere Zwerge hatten das Graue Gebirge seit fünf Sonnenumläufen hinter sich gelassen und marschierten durch menschenleere Landstriche Gauragars geradewegs nach Süden, wo sie gemäß den Anweisungen der Karte einen Einstieg in die Tunnel suchten.

Der Frühling zeigte zum ersten Mal seit Zyklen seine volle Macht nun auch dort, wo einst das Tote Land geherrscht hatte. Es kam den Zwergen so vor, als blühte die Natur bunter und prächtiger denn je; dass der Nektar nicht aus den prallen Blüten troff, grenzte schon an ein Wunder. Bienen summten geschäftig durch die reine Luft, um Honig von besonderer Güte für den Stock zu sammeln.

Nicht dass dieses Spektakel die Zwerge mit Ausnahme von Tungdil sonderlich beeindruckte; für sie zählten die unterirdischen Schönheiten ihrer Heimat weitaus mehr. Ganz im Gegenteil, das Sonnenlicht erschwerte den Neulingen das Sehen. Ihnen fehlte der Umgang mit der ungewohnten Helligkeit, und daher reisten sie meistens am frühen Morgen, rasteten über Mittag bis zum Nachmittag und liefen bis in die späte Nacht hinein.

Als Tungdil mit der frisch geschmiedeten Feuerklinge vor den Orks geflüchtet war, hatten er und seine Freunde sich im Elbenreich Âlandur verborgen, weil ihre Verfolger niemals angenommen hätten, dass sich Zwerge zu Elben begaben. Dieses Mal mussten sie niemanden täuschen. Sie konnten ohne Umschweife den nächsten versteckten Zugang in das Tunnelsystem auswählen, um von dort ihre Suche nach den Geisterzwergen zu beginnen.

Der eilige Aufbruch kam nicht von ungefähr.

Erstens verspürte Tungdil keine Lust, den Vorbereitungen für den anstehenden Ehernen Bund zwischen Balyndis und dem neuen König der Fünften beizuwohnen und ständig an den Verlust seiner großen Liebe erinnert zu werden. Zweitens drängte die Zeit. Da die Orks ihre Späher vorausgeschickt hatten, durfte die Hauptmeute Ushnotzs nicht mehr allzu weit entfernt sein, was wiederum bedeutete, dass sie ihre Verbündeten so rasch wie möglich finden und überzeugen mussten, mit ihnen zu kommen. An eine zweite Orkstreitmacht aus dem Norden wollte er lieber nicht denken.

Wie seine Begleiter schwieg Tungdil die meiste Zeit; die Anstrengung des schnellen Marsches mit Gepäck und Proviant auf dem Rücken verhinderte, dass lange Gespräche zwischen ihnen entstanden.

Ingrimmsch hatte sich nur schwer davon überzeugen lassen, seinen Bruder zu verlassen. Schließlich hatte er aber eingesehen, dass er Tungdil mehr nutzte als Boëndal. Das verhinderte nicht, dass er in Gedanken ständig bei ihm war und sehr einsilbig blieb.

Am Morgen des sechsten Umlaufs ihrer Reise erschienen die Mauern einer befestigten Stadt. Tungdil schlug ohne zu zögern den Weg dorthin ein. »Boïndil und ich werden uns umhören, ob es Anzeichen von Orks gibt«, erklärte er seinen Entschluss. »Ihr legt euch hin, damit wir heute Abend weiter gehen können. Bei Sonnenaufgang sollten wir am Einstieg sein.«

Sie betraten die Stadt durch das große Tor, an dem es zu ihrem Erstaunen keine Wachen gab. Als sie in die verwinkelten, schattigen Gassen eintauchten, fiel ihnen sofort auf, dass so gut wie keine Bewohner zu sehen waren.

»Ist die Pest ausgebrochen?«, wunderte sich Ingrimmsch. »Welchen Grund kann es haben, dass die Langen so selten wie ein Goldstück auf der Straße zu finden sind?«