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Narmora öffnete einen der Doppelflügel und stürmte hinein. Die Maga beugte sich soeben über das Bett, in dem Furgas mit geschlossenen Augen ruhte. Ein dünner Schweißfilm haftete auf seiner Stirn, die Laken wirkten feucht.

»Geliebter«, raunte Narmora angsterfüllt und trat neben das Lager. »Seine Lippen sind bleich wie der Tod«, sagte sie leise. Dann sah sie den Verband auf dem Bauch, durch den sich das Blut drückte. »Ist er...«

»Nein«, kam ihr Andôkai mit der Antwort zuvor. »Rede leise, sonst schadet es ihm. Die Angreifer haben eine Klinge mit einem mir unbekannten Gift benutzt. Wenn die Wachen ihn nicht auf der Stelle zu mir gebracht hätten, so weilte er nicht mehr unter den Lebenden, Narmora. Samusin gewährte ihm das Leben.«

Die Halbalbin fiel schluchzend vor Erleichterung auf die Knie. »Habt meinen Dank, ehrenwerte Andôkai. Ich stehe tief in Eurer Schuld.«

Die Maga bedeutete ihr aufzustehen. »Du wirst deine Meinung ändern, wenn ich zu Ende gesprochen habe«, prophezeite sie besorgt. »Meine Magie hat ausgereicht, um ihm das Leben zu bewahren.« Ihre stahlblauen Augen suchten Narmoras Blick. »Doch allein kann ich nicht mehr für ihn tun. Das Gift muss magischen Ursprungs sein. Vermutlich waren die Angreifer nicht einmal auf das Gold aus, sie gehörten sicher zu den Famuli Nôdʹonns. Das Schwert, das in seinem Bauch steckte, trug Gravuren mit dessen Zeichen.«

Narmora erhob sich und nahm Furgasʹ feuchte, kalte Hand zwischen die Finger, um sie wärmen. »Weshalb sollten sie das tun?« Sie streichelte liebevoll das fahle Gesicht. »Warum sollten sie meinem Mann das antun? Er ist nicht begabt, was die Magie angeht.«

»Das nicht. Aber er steht in meinen Diensten. In deren Augen bin ich die Okkupantin des Zauberreiches, das sie sich nach dem Tod ihres Magus aneignen wollten.« Andôkai legte eine Hand auf Narmoras Schulter. »Solange es sie gibt und wir den Dienern des Bösen nicht Einhalt gebieten, ist Porista in Gefahr - und damit auch das Geborgene Land. Ich kann ihre Zahl unmöglich schätzen. Ich brauche jemanden an meiner Seite, dem ich vertrauen kann. Von dem ich weiß, dass er mich niemals hintergehen würde. Wenn es zum Schlimmsten kommt und sie mich bezwingen, muss es jemanden geben, der mein Werk fortführt. Sonst werden die kommenden Zauberer im Geiste von Nôdʹonn erzogen, und das darf nicht sein. Stimmst du mir zu?«

Narmora schloss die Augen. »Können wir ihm gemeinsam seine Gesundheit zurückgeben?«, fragte sie heiser.

»Ich verspreche es dir. Wenn wir unsere Kräfte bündeln, schaffen wir es.« Die Maga atmete auf, sie wertete die Frage bereits als Zustimmung. »Er wird es jedoch nur schaffen, wenn wir das notwendige Ritual, um den vom Gift und der Klinge übertragenen Zauber zu brechen, innerhalb eines halben Zyklus durchführen. Du musst bei Sonne und Mond studieren, Narmora.« Sie legte die Hand auf den runden Bauch, der das Kind barg. »Denkst du, du schaffst es?«

»Ja«, antwortete sie fest. »Ich möchte, dass unser Kind seinen Vater erlebt und nicht nur aus Erzählungen kennt, während seiner Mutter die Tränen über die Wangen rinnen.« Sie ließ Furgasʹ Hand los, ihre Fäuste ballten sich. Das Weiß in ihren Augen verdunkelte sich und wurde schwarz, dünne Linien zogen sich wie Risse über ihr schmales Antlitz. »Ich werde ihm vorsingen, wie diejenigen, die schuld an all dem sind, den Tod fanden. Und es wird kein leichter Tod sein.«

Rodario lag im Bett auf der anderen Seite des Raumes und verfolgte das Geschehen schweigend mit. Sein von einem Verband geschmückter Kopf brummte noch immer; der Schlag mit der Keule gehörte zu den Erfahrungen, auf die er gern verzichtet hätte. Er nahm es Narmora nicht übel, dass sie bisher nicht ein einziges Mal nach seinem Wohlbefinden gefragt hatte. Ihm wäre es vermutlich ebenso ergangen, wenn seine Geliebte in einen Scheintod verfallen wäre.

Die Maga hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, ihn mit einem Zauber zu behandeln, das hatte er trotz seines Dämmerzustandes mitbekommen. Wie im Traum war es ihm vorgekommen, als ihn die Wachen durch die zerstörten Straßen Poristas zum Palast getragen hatten.

Er erinnerte sich genau, dass ihm jemand die Wunde gesäubert und bandagiert hatte, er sah die Hände vor sich, doch an das Gesicht seiner Pflegerin entsann er sich nicht.

Andôkai wandte sich ihm zu. »Geht es dir besser, Rodario?«

Sofort zauberte er ein Lächeln auf die Lippen, um nicht als Weichling verschrien zu werden.

»Gut. Dann kannst du wieder in deine eigene Unterkunft zurückkehren.«

Seine Mundwinkel sanken nach unten. »Ich habe verstanden, dass Ihr mich nicht in Eurer Nähe haben wollt.« Er richtete sich vorsichtig auf und wartete auf einen Schwindel, der sich einfach nicht einstellen wollte. Vorsichtig schlüpfte er in seine Schnabelschuhe, stand auf und trat zu ihnen.

Narmora hatte sich scheinbar wieder beruhigt. Mit dem verräterischen Gefühlsausbruch, der das Erbe ihrer Mutter zum Vorschein gebracht hatte, waren auch die schwarzen Augen und Linien gegangen. Nun sah sie wieder aus wie eine sehr hübsche werdende Mutter. Sie berührte ihn am Arm. »Entschuldige, dass ich dich vorhin nicht begrüßt habe. Natürlich war ich auch besorgt um dich...«

Rodario hob die Hand. »Kein Wort. Ich verstehe das.«

Die Maga verschränkte die Arme auf dem Rücken. »Könntest du das Werk von Furgas fortführen?«

»Ich?« Erstaunt legte er die Hand auf seine Brust. »Ihr wollt, dass ein Mime Eure Stadt neu errichtet?« Lag eben noch eine Ablehnung auf seiner Zunge, besann er sich nun anders. »Ich... werde es gern versuchen.«

»Du sollst nichts versuchen, du sollst es fortführen«, unterbrach sie ihn. »Wenn du dich nicht dazu in der Lage siehst, sag es gleich, und ich suche einen anderen Baumeister.«

Die Münzen, die ihn als Lohn erwarteten, machten Rodario mutiger, als er angesichts der zweifelnden Miene Andôkais sein durfte. Er vollführte einen Kratzfuß. »Ehrenwerte Maga, ich bin zutiefst geehrt, an die Stelle meines Freundes zu treten, jedenfalls so lange, bis er wieder mit allen seinen Sinnen in der Gegenwart weilt. Gern verschiebe ich den Ausbau meines eigenen Theaters und die Uraufführung meines eigenhändig geschriebenen Stückes...«

»Gut«, fiel sie ihm in die blumenreiche Rede. »Geh nach Hause, ruh dich aus und sei morgen pünktlich bei den Baustellen. Es darf keine Unterbrechungen geben.« Sie wandte ihre Aufmerksamkeit Narmora zu. »Ich lasse deine Sachen in den Palast bringen. Du kannst dir ein Zimmer frei wählen, es sind genügend vorhanden.«

»Ich bleibe bei Furgas. Der Raum ist groß genug...«

»Nein«, lehnte sie ab. »Er benötigt absolute Ruhe, und wir haben ihn schon viel zu lange mit unseren Stimmen belästigt. Er könnte uns hören und sich aufregen; dann würde sein Herz schneller schlagen und das Gift in den letzten Winkel seines Körpers pumpen. Es würde den Tod für ihn bedeuten.« Sie drängte sie in Richtung der Tür. »Du wirst ihn an jedem Umlauf für eine Stunde sehen können, Narmora, aber du darfst nicht zu ihm sprechen. Sei für ihn da, halte seine Hand. Schweigend.« Sie öffnete die Tür, und Djerůns stählerner Rücken schob sich zur Seite, um sie hinauszulassen. »Ich versorge ihn und bin gleich bei dir«, verabschiedete sie sich.

Narmora begleitete den Schauspieler bis zum Tor. »Meinst du«, fragte sie ihn unterwegs, »du kannst herausfinden, ob es noch mehr Anhänger Nôdʹonns in den Mauern Poristas gibt? Du bist ein Meister, wenn es um Verkleidung und Täuschung geht.«

Er grinste. »Sicher bin ich das. Ich werde mich nachts durch die Gassen pirschen und mich auf die Suche nach ihnen begeben.« Innerlich bereute er die Worte, sobald sie ihm über die Lippen kamen. Aber mit dem Bild des leichenblassen Furgasʹ vor Augen drang ein wenig von dem Heldenmut, den er auf der Bühne zeigte, zu dem echten Rodario durch. »Ich werde mich besonders schlau maskieren, dann wagt es niemand, Hand an mich zu legen«, beschloss er. »Die Maga wird bald von mir erfahren, wo sich das Nest der Brut befindet, und wird es ausheben können.«