Выбрать главу

Zauberreiches Lios Nudin, Porista,

6234. Sonnenzyklus, Frühling

Andôkai las die Zeilen, die ihr Xamtys nach Porista gesendet hatte, und sah sich in ihrem Bestreben bestätigt, Narmora baldmöglichst zu einer Maga auszubilden. Ein Stern, der fällt, ein nicht mehr verlöschendes Feuer im Jenseitigen Land. O Samusin, Gott des Ausgleichs, was macht sich im Westen bereit, über uns herzufallen?

Immerhin beinhaltete der Brief auch Gutes. Das Königreich der Ersten machte sich unter der Leitung der Königin an den Aufbau dessen, was der Stern und die Lawine vernichtet hatten. Xamtys versprach, die Festung angesichts der möglichen Bedrohung schneller als die Herrscher vor ihr mit allen verfügbaren Kräften wieder zu errichten. Es schwang Zuversicht zwischen den Zeilen mit.

Wird es ausreichen? Sind die tapferen Zwerge genug, um Unheil abzuwehren? Sie legte den Brief auf den Tisch und suchte Narmora, die sie in die Bibliothek geschickt hatte, damit sie sich mit den Schriftzeichen der Gelehrten vertraut machte.

Es würde nicht leicht werden, das angeborene Talent der Halbalbin umzubiegen, sodass sie die gleichen Formeln wie ihre Mentorin nutzen konnte. Die Gabe der Albae basierte teils auf einzelnen Silben, teils auf intuitivem Einsatz einer Magie, die wenig mit dem gemein hatte, was Andôkai beherrschte.

Narmora kannte zwar einige Formeln, die sie von ihrer Mutter erlernt hatte, doch die Zeichen dazu verstand sie nicht. Daher verbrachte sie die Vormittage in der Bücherei des Palasts, während die Nachmittage und späten Abendstunden der praktischen Anwendung vorbehalten waren. Kurz vor der Nachtruhe besuchte sie ihren erstarrten Mann, hielt seine Hand und weinte Tränen des Zorns. Ihr Hass würde verheerend über die kommen, die Furgas das angetan hatten.

Andôkai betrat den Raum, der mit bis zur Decke reichenden Regalen und Schränken voll gestellt war, auf denen sich die Bücher und Folianten, Atlanten und Nachschlagewerke stapelten. Die Bretter bogen sich teilweise gefährlich unter der Last des aufgeschriebenen Wissens.

Mit genügend Papier kann man auch einen Troll erschlagen, stellte sie fest, während sie die Reihen abschritt und nach ihrer Famula suchte.

Sie fand Narmora, die ihre Rüstung aufgrund ihrer fortschreitenden Schwangerschaft gegen weite, angenehme Kleidung getauscht hatte, neben einem der kleinen Fenster sitzend. Das Licht fiel genau auf die aufgeschlagenen Seiten eines dicken Buchs, Staubkörner flirrten in der Luft.

»Es ist Zeit, dass wir an die Sonne gehen.« Erst bei ihrem Anblick bemerkte sie den Geruch in der einzigartigen Bibliothek des Geborgenen Landes: Papier, Leder, Leim und Staub mischten sich zu etwas, das ihr in den letzten Sonnenzyklen kaum vertraut gewesen war. Lieber hatte sie sich in der Kampfkunst geübt, die muffigen Säle bereiteten ihr schon nach einem halben Sonnenumlauf großes Unbehagen. »Machst du Fortschritte?«

»Es geht«, antwortete Narmora zögernd, die Augen noch immer auf die Seite geheftet. »Aber manche Zeichen... Sie kleben an meinem Verstand und lassen nicht zu, dass ich neue lerne, als wären sie eifersüchtig.« Sie stand auf. »Ein halber Sonnenzyklus ist zu wenig, ehrenwerte Maga«, sagte sie niedergeschlagen.

»Es geht darum, dass du die Grundbegriffe beherrschst und sie anwenden kannst«, beruhigte Andôkai sie. »Vergiss nicht, dass du im Gegensatz zu den herkömmlichen Famuli Befähigungen besitzt, die andere erst nach zehn Zyklen erlangen.« Sie bemerkte, dass der Teller mit Essen, den sie ihr gebracht hatte, unberührt auf dem Tisch stand. »So geht das nicht«, rügte sie. »Du musst aufpassen, dass du genügend zu dir nimmst. Dein Kind braucht Nahrung, sonst kann es schlimme Folgen haben.«

Erstaunt blickte Narmora auf das Brot, Gemüse und Fleisch. »Richtig, wie konnte ich es vergessen?« Sie nahm den Teller mit auf den Weg nach draußen und aß im Gehen. »Ihr seht besorgter aus als sonst, so als hättet Ihr eine schlechte Neuigkeit erfahren?«

Andôkai blieb an einem der Regale stehen, erklomm die Leiter, die davor stand, und suchte ein bestimmtes Werk zwischen den rissigen Buchrücken hervor. »Es geht um das Jenseitige Land«, erklärte sie von oben herunter. »Die Ersten haben mir mitgeteilt, dass es zu brennen scheint.« Ärgerlich stellte sie das Buch nach langem Blättern zurück und zog ein anderes heraus. »Wie ich eben feststelle, haben wir und unsere Vorgänger im Palast lediglich die Erkenntnisse gehortet, die in irgendeiner Weise mit unserer Heimat und mit Magie zu tun haben.« Resignierend ließ sie das Buch auf der obersten Sprosse der Leiter liegen und stieg herunter. »Aber ich finde nichts über das, was uns umgibt. Gar nichts. Nur die Hinweise, dass andere Königreiche Expeditionen durch die Berge sandten, von denen die wenigsten zurückkehrten.«

»Gibt es keine Kaufleute, die uns berichten könnten?« Narmora betrachtete die Unzahl von Büchern. »Nicht einmal die Abschriften der Berichte von Expeditionen?«

Sie setzten ihren Weg nach draußen fort.

»So wie es aussieht, muss ich mir die Mühe machen, die wichtigsten Archive und Sammlungen selbst zu besuchen.« Die Maga wirkte alles andere als glücklich. »Das bedeutet, dass du mich auf meiner Reise begleiten wirst. Es tut mir Leid, dass ich dir diese Strapazen abverlange. Ich bin mir sicher, dass wir in Königin Weys Universitäten auf etwas stoßen, das uns weiterhilft. Das Königinnenreich Weyurn hat in der Vergangenheit stets darauf geachtet, alles festzuhalten, was sich im Land ereignet hat, mag es auch so unbedeutend wie ein Blitzeinschlag in einen Baum gewesen sein.«

Sie erreichten den Hof, über dem die Sonne stand. Nachdem sie einen schattigen Platz unter den Freiarkaden gefunden hatten, machte sich Andôkai bereit, mit den Lektionen zu beginnen.

Narmora klaubte das letzte Stück Gemüse vom Teller und verzehrte es. »Furgas wird uns begleiten müssen.« So, wie sie es betonte, machte sie keinen Hehl daraus, dass sie dies als Voraussetzung ansah. Die Maga würde ihre Hoffnungen zerstören müssen.

»Er benötigt Ruhe und nicht eine Reise über die schlechten Wege des Geborgenen Landes, auf denen ein Karren wie ein Schiff in den Wellen tanzt.«

»Wer soll denn auf ihn aufpassen? Djerůn etwa?«

»Ich dachte an seinen besten Freund Rodario. Er wird sich freuen, in meinem Bett zu schlafen, was er ohne Zweifel tun wird, obwohl ich es ihm verbieten werde«, erklärte sie ihr Vorhaben.

Narmora schaute sie an wie eine Geisteskranke. »Ehrenwerte Maga, ich kenne den Unglaublichen schon viele Zyklen lang. Seine Schauspielkunst und seine Wortgewandtheit sind gewaltig, so er denn will, und sie werden sicherlich nur von seinem Paarungsdrang in den Schatten gestellt. Doch einen Heiler so gut zu mimen, dass er zu einem echten wird, das kann er nicht. Vermutlich ist Djerůn tatsächlich geeigneter.«

»Djerůn kann die Aufgabe nicht versehen, selbst wenn er der Bessere wäre. Ich sende ihn als Kundschafter ins Jenseitige Land, damit wir erfahren, was sich dort tut. Zu wissen, dass es brennt, hilft uns nicht.« Sie hatte mit dem Widerstand ihrer Famula gerechnet und sich bestens darauf vorbereitet. »Sorge dich nicht um Furgas. Ich werde meinen Zauber verstärken, und Rodario wird lediglich alle drei Sonnenumläufe frische Laken aufziehen müssen, damit er nicht in seinem eigenen Schweiß liegt.« Sie deutete auf die andere Seite des Bogenganges. »Stell dich dort auf, wir versuchen etwas Neues.«

Die Halbalbin gehorchte, aber sie wirkte nicht einverstanden mit der Lösung. »Seid Ihr sicher, was die Wirkung des Zaubers angeht? Was würde geschehen, wenn er unvorhergesehen endete?«

Andôkai hob die Arme, ihre Finger beschrieben Zeichen und malten silbrige Symbole in die Luft. »Furgas würde sterben«, erwiderte sie ehrlich und schickte einen Spruch auf die Reise.

Instinktiv reckte Narmora den heranschießenden Energien ihre ausgestreckten Hände entgegen und sprach eine kurze Formel.