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Eigentlich war er froh darüber, nach unzähligen Nächten in den Kaschemmen der Stadt durch Zufall etwas herausgefunden zu haben. Womit er allerdings nicht gerechnet hatte, war die Geldgier der Räuber, die ihn nun in arge Bedrängnis gebracht hatte, und das trübte seine Hochstimmung beträchtlich.

Sie würden nicht eher aufgeben, bis sie seinem Leben ein Ende gesetzt hätten, denn er kannte ihre Gesichter und hatte von der Gilde der Schurken gehört, die es wohl geben musste.

Was mir fehlt, ist der Auftraggeber der beiden Mörder, dachte er und atmete auf, weil seine Verfolgerin an ihm vorüberging, ohne ihn zu bemerken. Stimmte das, was sie im Wirtshaus besprochen hatten, könnte er es auch nicht mehr in Erfahrung bringen. Die Wahrheit war mit den Angreifern gestorben.

Was ihn viel mehr beschäftigte, war die Tatsache, dass jemand den Glauben schürte, die Schüler Nôdʹonns befänden sich in der Stadt und machten Jagd auf diejenigen, welche Andôkai unterstützten.

Das ergibt wenig Sinn. Außer, sie wären selbst Gegner der Famuli und wollten, dass die Maga die Drecksarbeit für sie erledigt. Diese Annahme brachte ihn zur nächsten Frage, wer denn vom Kampf der beiden Gruppen profitierte. Es scheint mal wieder verzwickter zu sein. Ein verzücktes Lächeln entstand auf seinen herrschaftlichen Zügen. Aber es ist eine großartige Vorlage für ein neues Theaterstück mit Lokalkolorit!

Er wollte eben davonschleichen, da wurde die Tür in seinem Rücken ruckartig geöffnet. Ein schwacher Lichtschimmer drang aus dem Eingang, jemand packte ihn am Rücken und zerrte ihn ins Haus. Krachend fiel die Tür ins Schloss, und Rodario war gefangen.

»Verzeiht, das ist ein Missverständnis, werte Herrschaften und Bürger Poristas.« Rodarios Arme wurden nach hinten gebogen, eine starke Person hielt ihn fest und drehte ihn um. Er blickte auf die vermummten Köpfe dreier Menschen; eines war eine Frau, wie er an den beiden charakteristischen Ausbuchtungen ihrer malachitfarbenen Kleidung erkannte.

»Ein Spitzel der Usurpatorin«, zischte der Mann, der ihn festhielt. »Er hat an unserer Tür gelauscht.«

Die Frau kam auf ihn zu und betrachtete sein Gesicht. »Ich kenne ihn. Es ist dieser Schauspieler, der die Arbeiten in Porista leitet, seitdem sein Freund verwundet wurde.«

Es dauerte nicht lange, bis sich Rodario aus den wenigen Worten und der merkwürdigen Art sich zu kleiden einen eigenen Reim machte. Er hatte die Anhänger Nôdʹonns zur ungünstigsten Stunde überhaupt gefunden. »Nein, das bin ich nicht, werte Bürger«, versuchte er, sich aus der misslichen Lage zu winden, und setzte sein berühmtes Lächeln auf. »Ich sehe ihm in der Tat sehr ähnlich.«

»Nur ein Schauspieler würde so gestelzt daherreden«, lachte sie. »Er ist es.« Sie nickte dem Mann hinter Rodario zu. »Du hattest Recht. Gut gemacht! Nun können wir herausfinden, was die Maga beabsichtigt.« Sie deutete auf einen Stuhl. Rodario wurde unsanft dorthin gezerrt und mit Gewalt daraufgesetzt, dann wurden ihm die Arme zusammengebunden. Die Frau beugte sich zu ihm nieder. »Was heckt deine Herrin aus, du schäbiger Mitläufer?«

»Oh, bitte, Ihr versteht das völlig falsch. Ich bin kein Mitläufer«, lächelte er sie an. »Ich möchte in Ruhe mein Theater errichten, und weil Ihr meinen Freund Furgas verwundet habt, muss ich auch noch seine Pflichten übernehmen.« Er formulierte es absichtlich so, als wüsste er nicht, dass gewöhnliche Räuber hinter dem Angriff steckten.

Prompt fiel sie auf seinen Trick herein. »Wir haben euch nicht angegriffen. Deshalb verwundert es uns ja, dass die Wachen und die Besatzerin Poristas es dennoch behaupten«, brauste sie auf. »Wären wir so töricht, Waffen mit den Zeichen unseres Meisters zu gebrauchen? Welche List steckt dahinter? Möchte die unrechtmäßige Besitzerin der Stadt Nudins die Menschen gegen uns aufstacheln? Was wird ihr nächster Schritt sein?«

»Verehrte Dame, Ihr echauffiert Euch umsonst mir gegenüber. Ich war auf der Flucht vor drei wirklich sehr widerlichen Halunken und suchte Schutz in diesem Hauseingang. Dabei muss Euer Freund mich gesehen und mein Handeln falsch gedeutet haben.« Er schaute sie mit einem bettelnden Blick von unten herauf an. »Lasst mich gehen. Ich werde niemandem sagen, dass es Euch gibt. Um ehrlich zu sein, ich kann die Stürmische nicht sonderlich gut leiden, sie ist eine spröde, verbitterte Frau mit einem Hang zur Geltungssucht.« Er redete und redete, dabei nestelte er vorsichtig an den Stricken. Sein Bewacher hatte den Standort gewechselt, er saß neben dem Fenster und spähte hinaus. »Ich könnte Euch Geheimnisse zuspielen, wie wäre das?«, bot er frech eine Zusammenarbeit an.

An ihren Augen erkannte er, dass er sie beinahe becirct hatte, als ihn ein schmerzhafter Schlag von der Seite gegen das Kinn traf. »Du verdammter Schwätzer!«, herrschte ihn einer der beiden Männer an. »Verneble uns nicht den Verstand mit deinem Gesülze. Antworte auf ihre Frage: Was bezweckt die Maga? Wir haben sie vor wenigen Sonnenumläufen nachts in der Stadt gesehen, als sie...«

»He, seid leise«, raunte der Wächter am Fenster. »Da draußen stehen welche.«

»Wie viele?«, wollte die Frau leise wissen.

»Drei«, kam es. »Sie sind bewaffnet, und sie schauen herüber.«

»Das sind...« Eigentlich wollte Rodario »Straßenräuber« sagen, doch um die Verwirrung zu steigern, entschloss er sich, nun doch besser ein offizieller Spitzel zu sein. Seine Fesseln waren inzwischen locker genug, dass er die Hände jederzeit aus den Schlingen ziehen konnte. »Meine Leute. Es sind meine Leute, sie werden euer Rattennest ausheben!«

Die Frau verpasste ihm eine harte Ohrfeige. »Ich hätte dir beinahe geglaubt, schmieriger Komödiant«, zischte sie. »Bringt ihn um, wir verschwinden durch die Hintertür.«

»Ha! Denkt Ihr, da würden sie nicht lauern?«, sagte Rodario rasch und klang trotz der Angst in seinen Eingeweiden sehr bestimmt und überlegen. »Stellt Euch meinen Männern, und Ihr werdet geschont. Ich lege bei Andôkai ein gutes Wort für Euch ein, wenn Ihr geständig seid.«

»Wir haben nichts zu gestehen. Eher sterben wir, als dass wir uns der Usurpatorin ergeben.« Sie riss einen Dolch aus der Gürtelhalterung am Rücken und wollte ihm die Klinge durchs Herz jagen.

Rodario zog das Bein nach oben und trat ihr mit aller Kraft in den Unterleib. »Ihr mögt kein Gemächt haben, es schmerzt dennoch, hoffe ich«, kommentierte er ihr Stöhnen. Er federte in die Höhe, packte die Lehne des Stuhls und schlug ihn dem heranstürmenden Mann über den Schädel. Ein Stuhlbein löste sich dabei und flog durch das Fenster, sodass die dicke Butzenglasscheibe barst.

»Sie kommen!«, rief der Wächter aufgeregt und riss sein Kurzschwert aus der Scheide. »Tod denen, die Andôkai unterstützen!« Kurzerhand sprang er hinaus und lief ihnen entgegen. Zwar verschwand er aus Rodarios Blick, doch das Klirren von Stahl sagte ihm, dass sich die Räuber und der Nôdʹonn-Famulus gefunden hatten.

Die Frau hatte ihre Schmerzen überwunden und attackierte ihn, er wehrte sie mit den Resten des Stuhles ab. Ihr Begleiter lief hinaus auf die Gasse, um dem Freund zu Hilfe zu eilen. Der auflodernde rote Lichtschein und das Knistern von Feuer verhießen für das Schicksal der Räuber nichts Gutes. Rodario hörte entsetzte Rufe und den lang gezogenen Schrei eines Mannes.

»Stirb, Spitzel«, presste sie wütend hervor und stieß zu.

Der Ruf hatte Rodario rechtzeitig gewarnt, er wich zur Seite aus und drosch ihr die Lehne in den Bauch. Danach zertrümmerte er die Sitzfläche auf ihrem Schädel. Der Stoff ihrer Kapuze riss, und sie sackte mit einer klaffenden Kopfwunde ungelenk auf die Dielen. Der Dolch bohrte sich ins Holz.

Sofort war der Mime an ihrer Seite, drückte sie zu Boden, schwang sich auf sie und platzierte seine Knie auf ihren Handgelenken, damit sie ihre Arme nicht mehr einsetzen konnte. Sie atmete schnell, ihre Brust hob und senkte sich. »So, mir scheint, die Götter haben anders entschieden«, lachte er und riss ihr mit einer theatralischen Geste die Vermummung herunter.