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Darunter kam ein adrettes Gesicht zum Vorschein; das Blut, das ihr über die langen schwarzen Haare in die Augen lief, ließ sie noch verwegener wirken. Sie war kaum älter als zwanzig Sonnenzyklen.

»So, meine Hübsche. Nun werdet Ihr reden«, verlangte er von ihr und kämpfte mit dem Verlangen, sie in der Hitze des Gefechts einfach aus Übermut zu küssen, sozusagen als Lohn für seinen Sieg über sie. »Ihr habt die Maga also nachts in den Straßen gesehen?«

Sie versuchte erfolglos, ihn abzuschütteln. »Du weißt, was sie gewollt hat, warum sollte ich es dir nochmals erzählen?«, keuchte sie, als ihre Gegenwehr erlahmte. »Geh von mir runter, oder ich mache dich zu einer lebenden Fackel!«

Er strahlte und fuhr sich über das Bärtchen. »Wenn Ihr es könntet, würde ich schon lange brennen, so viel ist sicher. Ihr seid eine Anfängerin in Sachen magischer Künste, habe ich Recht?« Er nahm den Dolch und setzte ihn ihr an die Brust, direkt über das Herz. »Berichtet mir, was Ihr gesehen habt. Wobei habt Ihr die Maga beobachtet?«

»Sie hat sich mit zwei Männern unterhalten«, spie sie ihm entgegen. »Du weißt es doch!« Sie schwang die Beine plötzlich nach oben, die Unterschenkel legten sich wie eine Klammer von hinten um seinen Hals, ihr Körper spannte sich, und sie zog den Mann von sich herunter.

Rodarios Wirbel ächzten unter der Behandlung. Wollte er verhindern, dass sie sein Genick brach, musste er dem Druck nachgeben.

Sobald er die Knie von ihren Armen nahm, rutschte sie wie eine flinke Schlange unter ihm hinweg und trat ihm zwischen die Beine. »Da ich weiß, dass du ein Gemächt hast, weiß ich auch, dass es dir wehtut«, lachte sie boshaft.

Er krümmte sich und rang um Fassung, den Dolch vor sich haltend, damit sie von einem neuerlichen Angriff absah.

Einer ihrer Begleiter kehrte zurück, er lehnte sich schnaufend gegen den Türrahmen, Blut rann aus seiner Schnittwunde am Oberarm. Von der Straße her erklangen die Rufe der Bürger, es wurde nach den Wachen geschrien. »Lauf, Nufa, sie werden gleich hier sein.«

Die Frau eilte zu ihm und stützte ihn. Sie warf Rodario einen hasserfüllten Blick zu, ehe sie zum Hinterausgang liefen, um zu flüchten.

Er hatte nicht vor, tatenlos zuzusehen. Die Maga sprach heimlich mit zwei Männern. Nachts. Heimlich. Obwohl sie als Stadtherrin jeden zu sich lassen konnte, wenn sie gewollt hätte.

Hier stimmt etwas nicht, und sie werden es mir sagen. Er zwang sich auf die Beine und folgte ihnen vornüber gebeugt; sein kleiner Rodario und die beiden Brüder pochten und klopften heiß in der Hose, die Schmerzen in seinem Unterleib waren unvergleichlich.

Nufa und ihr Famulus-Freund hatten die Tür erreicht. »Verschwinde, Spitzel!«, rief sie, entwand dem Verletzten hastig das Schwert und reckte es drohend gegen ihn. »Wenn wir uns noch einmal begegnen, werde ich dich töten!«

»Wie bedauerlich. Dabei wollte ich Euch eben eine Anstellung in meinem Theater anbieten«, antwortete er, eine Hand im Schritt, als ließen sich damit die Schmerzen stillen. »Mir fehlt eine gute Schauspielerin, und wenn ich Euch so sehe, wie Ihr dramatisch da steht und mich bedroht, kann ich mir vorstellen, dass Ihr das Zeug zu einer guten Mimin hättet.«

Hinter ihr landete dumpf polternd ein gewaltiger Umriss, der sich zu seiner wahren Größe entfaltete. Eisen knirschte.

»Vorsicht!«, schrie Rodario, ohne dass er sich hätte erklären können, weshalb er Nufa warnte.

Djerůns zwei Schritt langes Schwert durchschnitt pfeifend die Luft, die Frau duckte sich. Die blitzende Klinge trennte lange Strähnen ihres wehenden Haares ab, dann fuhr es durch den Rumpf ihres Begleiters. Die schwarzen Büschel und die Körperhälften des Mannes fielen zu Boden.

Rodario wusste, dass der Leibwächter der Maga keine Gnade kennen würde, dennoch versuchte er es. Er hinkte heran und stellte sich schützend vor Nufa. »Spielt mit, wenn Euch Euer Leben lieb ist«, raunte er ihr im Vorbeigehen zu. »Ihr müsst mir alles erzählen, was Ihr von Andôkais heimlichen Besuchen wisst.« Sie nickte, die nackte Todesangst in den Augen. »Nein, Djerůn!«, rief er in die metallene Dämonenfratze. »Sie muss überleben, damit wir sie befragen können!«

Hinter den Augenlöchern glomm das schreckliche purpurne Licht auf. Djerůn schien eingefroren zu sein. Er hielt das Schwert waagrecht am ausgestreckten Arm; das Blut des Getöteten rann langsam daran herab, sammelte sich vor dem Griffschutz und tropfte auf die Steine.

»Djerůn«, sagte er langsam. »Lass sie leben, hörst du? Andôkai wird sehr, sehr böse auf dich sein, wenn du sie umbringst. Schau, sie ist wehrlos und kann mir nicht mehr gefährlich werden.« Er trat einen Schritt zur Seite, um dem Koloss ihre Harmlosigkeit zu beweisen.

Es geschah so schnell, dass er es gar nicht richtig mitbekam.

Der Arm des stählernen Riesen vollführte eine rasche Bewegung, die Schneide surrte knapp über Rodarios Kopf hinweg, am Gesicht vorbei und traf Nufa mitten durch das Schlüsselbein. Aufschreiend sank sie zu Boden, und das Blut spritzte aus ihrem Körper.

»Nein!« Er kniete sich neben sie. »Nufa, es tut mir Leid! Ich wusste nicht, dass er es tun würde. Ich dachte...« Ein Blick auf die schwere Wunde ließ Übelkeit in ihm aufsteigen.

Ihre blutigen Finger tasteten nach seinem Kragen, sie zog ihn zu sich herab. »Die Maga... hat zwei Männern... Tasche gegeben«, hechelte sie. »Schwert... Gravuren...«

Ein völlig absurder Verdacht stieg in ihm auf. »Hast du ihre Namen verstanden?«

Sie nickte. »Gran...« Ihre Augen schauten an ihm vorbei und weiteten sich. »Nein!«, stöhnte sie, da sirrte das Schwert an seiner Schulter vorbei und fuhr durch ihren Mund. Sie war auf der Stelle tot.

Rodario konnte nicht glauben, was Djerůn eben getan hatte. Vorsichtig legte er die Tote auf die Erde und erhob sich. »Du Scheusal aus Blech!«, schrie er ihn an. »Du hast sie ermordet! Sie wollte mir gerade...« Mit einem Mal verstand er, warum Djerůn der Wehrlosen den Tod gebracht hatte, durfte es jedoch nicht zeigen, um nicht ihr Schicksal zu teilen. »Sie wollte mir gerade die Namen des Oberhauptes sagen«, log er. »Andôkai wird böse sein.«

Der Leibwächter der Maga verstaute seine Waffe. Wenn ihn die Worte des Mimen überhaupt erreichten, zeigte er es nicht. Hinter dem Visier herrschte tiefes Schwarz. Er wandte sich nach rechts, eilte die Gasse entlang und war verschwunden.

Betroffen ließ sich Rodario auf ein leeres Fass sinken, das neben dem Hinterausgang stand, und betrachtete die beiden Toten. Du wärst sicher gut auf der Bühne gewesen, dachte er, während er Nufas hübsches Gesicht betrachtete.

Djerůn hatte die Klinge so geführt, dass man ihrem Antlitz nichts von dem Stich ansah, der ihr durch den Mund in den Hals gegangen war. Diese Tat war es gewesen, die Rodarios schwelendem Verdacht den letzten nötigen Lufthauch zufächelte, um daraus eine Flamme des Argwohns zu machen. Ich hatte geahnt, dass es mich in Schwierigkeiten bringt.

VII

Das Geborgene Land, Dsôn Balsur,

Hauptstadt Dsôn,

6234. Sonnenzyklus, Frühling

Der schwarze Samthandschuh umschmeichelte die Diamanten an der Schneide der Waffe, fuhr ehrfürchtig über den intarsiengeschmückten Axtkopf und glitt hinab zum robusten Stiel, um den sich die Finger schlossen. Behutsam wurde die Waffe von ihrem Bett aus dunklem Brokat gehoben. »Sie ist schwer«, stellte die wohl klingende Stimme eines Albs fest.

Die Überbringerin des Geschenks kniete vor der Treppe aus schwarzem Marmor, die zu den beiden Thronen hinaufführte, hielt das Samtkissen nach oben gereckt und schaute auf die erste Stufe. Ohne Aufforderung durfte sie die Augen nicht heben. »Ich weiß, ich habe sie bis nach Dsôn Balsur getragen, Nagsor Inàste.«