Выбрать главу

Der Mime holte tief Luft und nahm innerlich Anlauf. »Also gut. Sie hat gesagt, dass sie beobachtet hätten, wie Andôkai...« Sein ernstes Gesicht wurde abrupt freundlich, ein gewinnendes Lächeln legte sich auf seine Züge. »Andôkai!«, wiederholte er lauter und hob die Hand zum Gruß. »Die ehrenwerte Maga streift persönlich durch die Gassen, um für Ordnung zu sorgen.« Er lachte falsch, was jedoch nur Narmora erkannte. »Wie schön. Ist der kleine Djerůn auch dabei?« Hastig schaute er über die Schulter.

Die Maga trat an sie beide heran. »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, Narmora«, erklärte sie ihr Erscheinen, wenngleich auf dem kantigen Gesicht nichts dergleichen zu sehen war. »Du warst lange weg, länger als vereinbart. Deine Tochter schreit nach dir, ohne sich zu beruhigen, und ich bin sicherlich nicht die Richtige, wenn es um das Ammendasein geht.«

»Ich komme.« Narmora schaute abwartend auf Rodario. »Und? Was war es, was du mir sagen wolltest?«

»Dass... wohl alle Nôdʹonn-Jünger getötet wurden«, würgte er hervor, während die blauen Augen der Maga forschend auf ihm ruhten. »Ich habe nichts weiter herausgefunden. Du kannst dich um deine Tochter kümmern.« Er machte kehrt und ging die Gasse entlang. »Ich muss schlafen, morgen wird es ein langer Umlauf«, rief er zum Abschied und gähnte hörbar übertrieben. »So viel zu tun. Mögen die Götter mit euch sein!« Schon bog er ab und verschwand aus ihrem Blickfeld.

Narmora schüttelte den Kopf. »Ich verstehe ihn nicht immer.«

Andôkai zuckte mit den Schultern. »Wir müssen morgen abreisen, Famula. Wir werden nach Westen gehen und die Archive Königin Weys nach Hinweisen durchsuchen. Du kannst deine Tochter mitnehmen, ich habe eine erfahrene Amme beschafft, die sich um sie kümmert, während ich dich in Magie unterrichte.« Sie gingen nebeneinander her. »Du hast es dir doch nicht anders überlegt? Denke an Furgas«, sagte sie und betrachtete dabei die zur Hälfte wieder aufgebauten Häuser, an denen sie vorbeizogen.

»Ich hasse Magie«, antwortete Narmora ohne jede Beschönigung. »Sie zwingt mich, mich mit ihr zu beschäftigen, und hat mir meinen Sohn genommen. Dennoch kann ich nicht anders, um den Mann zu retten, den ich liebe.« Sie schaute zu Andôkai. »Ihr zwingt mich«, stellte sie fest, »auch wenn es aus einem achtbaren Grund geschieht. Es kann nichts Gutes daraus erwachsen.« Sie senkte die Stimme. »Und es ist bereits nichts Gutes daraus erwachsen.«

»Es wird dir ein Ansporn sein, die Formeln zu beherrschen«, sagte Andôkai mitleidlos. »Es mag dir kein Trost sein, aber auch ich habe im Lauf des Studiums Verluste erlitten, die mich ebenso sehr trafen wie dich jetzt.« Ihr herbes Gesicht zeigte so etwas wie Regung. »Es scheint, dass sich die Magie nicht ohne Vergütung beherrschen lässt.«

Sie waren vor dem Tor des Palasts angelangt.

»Dann sollte man sie nicht weiter betreiben.« Narmora nannte die Formel, und der Flügel öffnete sich für die beiden ungleichen Frauen. Schweigend durchquerten sie den Palast, bis sie vor der Unterkunft standen, in der Narmoras Tochter untergebracht war.

Die Halbalbin betrat den Raum und schloss die Tür hinter sich, ohne die Maga hereinzubitten.

Das Rumpeln der Tür hatte jemanden geweckt. Das dünne Schreien klang erbärmlich. Sofort stand Narmora an der Wiege, holte das winzige Kind heraus, legte es an ihre Schulter und fuhr ihm beruhigend über das Köpfchen, das sich so zerbrechlich wie eine Eierschale anfühlte. Nach einer Weile verebbten die Klagelaute.

Es war eine Überraschung für sie gewesen, als die Krämpfe nach dem toten Jungen ein lebendiges Mädchen aus ihrem Leib gepresst hatten; mit Zwillingen hatte sie nicht gerechnet und sie auch nicht gefühlt. Samusin sorgte für den Ausgleich. Er nahm ihr ein Kind und ließ ihr ein zweites. Was verlangst du von mir, damit Furgas nicht stirbt?

Tapsig suchte das winzige Mädchen ihre Brust. »Hast du Hunger, meine Kleine?«, fragte Narmora das quengelnde Bündel. Sie öffnete die Tür und klopfte an der gegenüberliegenden an. Die Gestalt einer verschlafenen jungen Frau erschien im Türrahmen. Narmora deutete auf ihre Tochter. »Sie braucht Milch.«

»Sofort«, murmelte sie, nahm das Kind behutsam auf den Arm und legte es an die Brust; sofort begann es zu saugen. Leise singend trug die Amme es umher.

Der Anblick tat Narmora weh. Da sie selbst keine Milch hatte, war dies die einzige Lösung gewesen, um das Überleben ihrer Tochter zu sichern. In Porista gab es genügend junge Frauen, die gegen ein paar Münzen als Nährmutter in den Palast kamen.

Als das Stillen endete, nahm Narmora ihre Tochter sogleich an sich und kehrte in den Schlafraum zurück. Sie wiegte das Bündel, bis es eingeschlafen war. Dann packte sie es unter die wärmende Decke, küsste die Nase und strich über den flaumbedeckten Kopf.

»Träume, meine Schöne. Ich bin bald wieder da«, raunte sie und verließ leise das Zimmer, um nach ihrem geliebten Furgas zu sehen.

Eine Stunde lang saß sie an seinem Bett und hielt seine kaltschweißige Hand, dann schlich sie sich hinaus in die Straßen der Stadt, um Rodario zu besuchen.

Es war offensichtlich gewesen, dass er mehr wusste. Und dass die Maga damit zu tun hatte.

Das Geborgene Land, das Graue Gebirge

vor dem Reich der Fünften,

6234. Sonnenzyklus, Frühling

Tungdil sah, wie die maskierte Albin von dem Felsbrocken sprang und im Getümmel der Leiber, Lanzen und Schwerter verschwand. Sie verschmolz mit der Menge und würde unbemerkt neben ihm oder sogar hinter ihm auftauchen wollen. Es war, als stünde man in einem wogenden Feld, in dessen Schutz sich ein Raubtier heranschlich.

Doch er fühlte, so absurd es klang, eine unendliche Erleichterung. Die Feuerklinge liegt nicht im Weiher. Die Albin wird die Axt zu mir bringen und sterben. Ich danke dir, Vraccas!

Ingrimmsch schlug die Beilköpfe gegeneinander, seine Kampflust raste heiß durch seine Adern. »Schaut sie euch an, diese Prachtexemplare. Da werden meine Klingen wieder einmal richtig in grünem Schweineblut baden dürfen.« Er schaute zu Tungdil. »Gehtʹs los?«

Der Zwerg betrachtete den tobenden Kampf. Die Überlegenheit der schwer zu erschlagenden Orks, die glücklicherweise keine Ahnung hatten, wie wenig Zwerge sich ihnen entgegenstellten, war offensichtlich. Die einzige Rettung bestand darin, das Tor zu schließen.

Sollte es Glaïmbars Plan gewesen sein, den Eingang offen zu halten, bewies er wenig Verstand. Es freute ihn ein wenig, einen Fehler an dem Widersacher entdeckt zu haben. »Wir müssen rasch zum Tor«, wies er Ingrimmsch und die Abordnung der Freien an. »Die Bestien wissen, dass sie es nicht aufbrechen können, also müssen wir es schließen.« Er zog seine Axt und lief auf die ihnen entgegenstürmenden Orks zu.

Der Zwilling war enttäuscht. »Wir metzeln sie nicht alle nieder?«, beschwerte er sich und überholte Tungdil, um die Gegner vor ihm zu erreichen. Das Geschrei und Gegrunze störte ihn nicht weiter, damit fachten sie seine Lebensesse umso mehr an. »Die ersten zehn gehören mir«, meldete er seine bekannten Ansprüche an und drosch im nächsten Augenblick auf den Ersten ein. Das rechte Beil fuhr in den Oberschenkel des Orks, das linke schnellte dem sich nach unten beugenden Oberkörper entgegen und traf das Gesicht. Das Eisen des Helms konnte den Schlag nicht bremsen, eine grüne Fontäne spritzte aus dem Visier. Ohne eine Silbe brach das Scheusal zusammen, gleich danach rollte sein Kopf abgetrennt davon.

»Oink, oink!«, schrie Boïndil und stürzte sich auf den Nächsten, um eine Schneise in den tobenden Pulk zu hacken, in der Tungdil, Myr und die Übrigen folgten.

Dank des unaufhaltsamen Kriegers kamen sie zügig voran, die Beile bissen um sich und rissen einen Ork nach dem anderen in den Tod, auch wenn das Töten nicht mehr ganz so leicht fiel. Einen wütenden Ork zu köpfen war nicht unbedingt einfach, schon gar nicht, wenn mehrere zugleich von allen Seiten auf einen eindrangen. Schließlich arbeiteten sie zu zweit zusammen, einer brachte den Gegner zu Fall, der andere zerteilte das Genick. Das rettende Tor rückte näher.