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Da sich der überwiegende Teil der Zwerge um die Vernichtung des Hauptheeres kümmerte, bemerkte niemand, in welcher Bedrängnis sich die Hand voll Krieger um Glaïmbar befanden.

Tungdil blieb stehen und schaute zu. Seine Gedanken rasten, während er beobachtete, wie sein ungeliebter Nebenbuhler die immer schneller auf ihn einprasselnden Hiebe abwehrte. Noch gelang es ihm. Noch.

Beteilige dich besser an dem großen Kampf, Tungdil, meldete sich der kleine Dämon in seinem Verstand zu Wort. Sieh nicht hin, wie es um Glaïmbar bestellt ist. Wenn er fällt, wird er ruhmreich in die Ewige Schmiede einfahren, und du kannst mit Balyndis alt werden.

Der auserkorene König des neuen Fünften Zwergenreichs kollidierte bei einer Rückwärtsbewegung mit der Felswand, und der Augenblick der Ablenkung hatte Folgen. Ein Orkschwert fuhr ihm in den linken Unterarm.

Kümmere dich nicht um ihn, säuselte die Stimme weiter. Er möchte doch so ein großer Krieger sein, soll er es beweisen. Geh und hilf Ingrimmsch, anstatt die Zeit mit seiner Rettung zu vergeuden.

Tungdil stand kurz davor, den Einflüsterungen nachzugeben, als sein Blick auf Balyndis fiel. Sie stand zu weit vom Geschehen entfernt, um eingreifen zu können, und ihre braunen Augen wandten sich bittend an ihn.

»Verdammt«, fluchte er unterdrückt und packte den Stiel des Beils fester. »Hätte die Klinge ihn doch ins Herz anstatt in den Arm gestochen.«

Er machte sich widerwillig auf, um Glaïmbar beizustehen, als sich ihm eine ausgezeichnete Ausrede bot.

Tungdil hatte die maskierte Albin völlig vergessen, bis sie ihn plötzlich von der Seite angriff. Unvermittelt starrte er auf die heranfliegende Schneide der Feuerklinge, die genau auf seinen Kopf zielte.

VIII

Das Geborgene Land, Königreich Gauragar,

Schwarzjoch,

6234. Sonnenzyklus, Spätfrühling

Gandogar wusste, dass sein mit Diamanten verzierter Helm im Schein der Sonne blitzte und funkelte und selbst die Aufmerksamkeit eines halbblinden Wächters erregte. Doch es war ihm egal. Er wollte bemerkt werden. Zwei­hundert­neun­und­neunzig Sonnenzyklen hatte er bereits gesehen, doch heute stand er zum ersten Mal den Dritten gegenüber.

Der Großkönig strich sich eine dunkelbraune Haarsträhne aus den Augen und bewunderte, wie sich Licht und Schatten an den finsteren Hängen des Schwarzjochs ein Duell lieferten. Während in den tiefen Furchen und Gräben schwärzeste Dunkelheit herrschte, erstrahlte das emporragende Felsgestein der steil abfallenden Wände in der Sonne.

Für den Zwerg haftete ein unerklärlicher Schrecken an dem Tafelberg, um den herum so viele Menschen, Elben und Zwerge ihr Leben gelassen hatten.

Vielleicht liegt es daran, überlegte der kräftige Zwerg und ließ sein Pony weitertraben. Der Staub der Wüste Sangreîns haftete an Pferd und Reiter, hing in Gandogars braunem Bart, hatte sich durch die Kettenringe seiner Rüstung und das Lederwams gedrückt und scheuerte an den unangenehmsten Stellen. Aber die Strapazen ließen sich nicht vermeiden.

Das südliche Gauragar empfing sie weniger heiß und weniger freundlich. Er und seine hoch gerüsteten fünfzig Begleiter ritten geradewegs auf den Berg zu, über dem die Standarte der Dritten wehte, und verkündete, wer im Innern des Schwarzjochs regierte. Erneut regierte.

Die Hufe der Pferdchen traten krachend und knackend auf die Knochen von Bestien, denen keine Bestattung vergönnt gewesen war. Die Reste der Kadaver, die nicht auf den großen Scheiterhaufen verbrannt worden waren, hatten wilden Tieren als Nahrung gedient. Zurück blieben die Gebeine, die irgendwann unter der Sonne, dem Regen und dem Schnee zu Staub zerfallen würden. Bis dahin umgaben sie den Berg wie ein abschreckendes Mahnmal, eine Warnung an jeden Wanderer, sich nicht zu lange in diesem Gebiet aufzuhalten.

Balendilín ritt als König der Zweiten neben ihm, auch er schaute zu den Berghängen. Er hatte dem Großkönig seine Begleitung und seinen Ratschlag angeboten, und Gandogar nahm beides gern an. »Ein seltsames Gefühl. Es ist eine Stätte des Todes und des glorreichen Triumphes der drei Völker des Geborgenen Landes zugleich«, sagte er nachdenklich. »Ist es nicht großartig? Wir haben die Heerscharen von Bestien in ihre Schranken verwiesen. Wir Zwerge sind vorausgegangen und haben die anderen Völker angespornt.«

»Ja. Es könnte ewig so bleiben«, wünschte sich Gandogar.

»Ich hoffe sehr, dass diese Einigkeit, die vor nicht allzu langer Zeit beschworen wurde, anhält und nicht durch die Ränke der Dritten zerstört wird.« Der einarmige Zwerg seufzte, seine Augen richteten sich auf das flatternde Banner. »Ich nehme an, der Berg hat sich gewundert, dass die alten Herren wieder in seinem Inneren Einzug hielten.«

»König Bruron konnte nicht anders, wurde mir von seinem Boten versichert«, sagte Gandogar. »Ihn traf das Vermächtnis seiner Vorgänger.«

»Du klingst zu nachsichtig«, meinte Balendilín unzufrieden. »Was hätte der König verloren, wenn er Lorimburs Nachfahren das Recht verwehrt hätte? Er steht nicht in ihrer Schuld oder benötigt ihre Dienste wie Prinz Mallen. Ich würde meinen rechten Arm verwetten, wenn ich ihn denn noch hätte, dass sie ihn bestochen haben, damit er ihnen das Schwarzjoch überlässt.«

Gandogar lenkte sein Pony um einen Ogerschädel herum, der ihnen den Weg versperrte; noch immer steckten Pfeile und abgebrochene Lanzenspitzen in dem fleischlosen Kopf. Einige Vögel hatten sich auf der höchsten Stelle niedergelassen und hielten nach Pferdeäpfeln Ausschau.

»Du würdest vermutlich gewinnen«, schätzte der Großkönig der Zwergenstämme. »Umso wichtiger erachte ich es, dass wir uns mit ihrem König treffen, damit wir eine Aussprache erreichen. Je eher wir die Fehde zu einem halbwegs vernünftigen Ende bringen, desto schneller kann Friede im Geborgenen Land einkehren.« Er schaute den König der Zweiten an. »Ist es nicht deine Aufgabe, mir zur Besonnenheit zu raten? Du klingst allerdings so, als wolltest du Lorimbas Stahlherz umbringen.«

»Um offen zu sprechen, Großkönig, ich habe es in der Tat in Erwägung gezogen, sah mich aber schon über der Esse der Ewigen Schmiede für meine Gedanken schmoren und betete so lange, bis ich mir sicher war, die Schuld von mir genommen zu haben«, erwiderte er lachend. »Nein, ich will ihn nicht töten«, sagte er ernsthafter. »Ich bin kein Dritter. Ich ärgere mich einfach darüber, dass Lorimbas die Einigkeit, die auf dem Schwarzjoch beschworen wurde, mit seinen Bestechungen und Intrigen gefährdet. Doch nur zum Spaß: Nenne mir ein Mittel gegen ihn, und damit meine ich nicht Mord«, forderte Balendilín von dem Zwerg. »Du siehst, dass es nichts nützt, ihn mit Verachtung zu strafen oder ihn zu meiden.«

»Deswegen sind wir hier, auch wenn du anderer Meinung bist«, hielt Gandogar dagegen. »Ich bin mir sicher, mich mit Lorimbas Stahlherz einigen zu können.« Er deutete nach vorn, wo hinter den zahlreichen Baumstümpfen ein Tor am Fuß des Berges sichtbar wurde.

Einst erhoben sich hier Tannen von fünfzig Schritt Höhe und mehr, doch sie waren unter den Äxten der Orks und anderen Bestien gefallen, die Belagerungstürme und Rampen daraus errichtet hatten. Danach hatten sie den Siegern als Brennholz für die gewaltigsten Scheiterhaufen gedient, die jemals im Geborgenen Land gebrannt hatten.

Gandogar schenkte seinem Berater einen beruhigenden Blick. »Ich will und werde keine Freundschaft mit ihm schließen, doch soll die Feindschaft wenigstens beendet werden und gegenseitiger Achtung weichen.«