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Die Eilande behagten Narmora nicht. Sie bevorzugte festen Boden unter den Füßen; sie bildete sich sogar ein, dass manche, die sie überquert hatten, im Sturm geschwankt hätten.

Angeblich schwammen kleinere Inseln wie Brotstücke in einer Suppe auf dem See; die Bewohner reisten mit ihnen umher und vertäuten sie dort, wo sich gerade die ergiebigsten Fischschwärme aufhielten, was den Fang beinahe immer zu einer sicheren Sache machte. Narmora konnte und wollte es sich nicht vorstellen, auf treibendem Land zu stehen.

Als das Feuer die mannshohen Scheite zu Asche verbrannt hatte, legte Narmora neue nach. Da es ihr unmöglich gewesen wäre, sie durch ihre Körperkraft vom Ende der Halle in die Mitte zu schleppen, benutzte sie Magie. Von Zauberhand bewegt, schwebten vier Scheite heran, senkten sich gehorsam in die Glut und loderten bald auf.

Narmora strengte es nicht einmal mehr an, sie hatte sogar die Muße, Dorsa ein leises Lied vorzusingen, ein Lied in der Sprache ihrer Mutter, von trauriger Melancholie und Schönheit zugleich. Furgas liebte es.

Sie bat Samusin und Tion, dass Rodario als Pfleger gute Dienste verrichtete. Sie hörte die inständigen Beteuerungen des Mimen noch immer, sah ihn schwören. Dieses Mal glaubte sie seinen Worten, denn er bangte ebenso um das Leben seines Freundes wie sie.

»Andôkai schickt mich. Wir können fahren«, sagte Rosild hinter ihr. Narmora hörte auf zu singen. »Was war das für eine Melodie? So etwas habe ich noch nie gehört... Obwohl ich den Text nicht verstanden habe, hat es mich gerührt«, sagte sie prompt.

»Es bedeutet nichts«, log Narmora und erhob sich, die schlafende Dorsa auf dem Arm. »Es ist eine erfundene Sprache, die ich mir ausgedacht habe. Die Kleine liebt sie.« Sie ging voraus und vermied es, die Amme anzublicken.

»Dann möchte ich sie auch lernen«, beschloss Rosild, nahm die letzten Taschen und folgte ihr.

Das Geborgene Land, Graues Gebirge,

das Reich der Fünften,

6234. Sonnenzyklus, Spätfrühling

Balyndis tastete sich am Kettenhemd entlang und fühlte, wie der Arm, den sie mit dem Schulterpanzer rüsten sollte, breiter und breiter wurde, bis sie endlich auf das Gelenk stieß. Es gestaltete sich nicht einfach, jemandem, der etwas mehr als doppelt so groß und breit war wie man selbst, mit verbundenen Augen einen Harnisch anzupassen.

Seit etlichen Sonnenumläufen machte sie nichts anderes, als die Metallplatten in Form zu schlagen, Scharniere einzusetzen und Ösen für die Eisendrähte anzubringen, mit denen die einzelnen Komponenten anstatt mit Lederschnüren verbunden wurden.

Es sieht so aus, als schlüpfte Djerůn niemals aus seinem eisernen Kleid.

Nach der groben Gestaltung musste die Feinabstimmung am Leib des Giganten erfolgen, und weil sie ihr Leben behalten wollte, legte sie sich die Augenbinde an und schloss zusätzlich die Lider, sobald sie sich ihm zuwandte. Sie erinnerte sich zu genau an das entsetzte Gekreische der Orks und Bogglins, als sie auf das geblickt hatten, was hinter dem Visier verborgen lag.

Die Maße der Maga stimmten beinahe genau. Fast jedes Teil der Rüstung passte, und Balyndis musste nicht mehr tun, als mit ein, zwei Hammerschlägen kleinere Korrekturen vorzunehmen.

Danach ätzte sie die Teile und gab ihnen Verzierungen, trieb Gravuren hinein und schmückte die Rillen mit Silber- und Golddraht, wie es die Maga auf den Zeichnungen verlangte.

Gerade setzte sie eines der letzten Elemente an, danach kamen die Schienen für Ober- und Unterarm, zum Schluss der Helm mit dem fingerlangen, an eine Krone erinnernden Dornenschmuck.

Die ganze Zeit über lauschte die Zwergin auf ein Geräusch, einen Laut, ein Grollen, das von Djerůn stammen könnte. Der Leibwächter der Maga verhielt sich jedoch völlig still.

Sie roch seinen heißen Atem, der merkwürdig rein war. Insgeheim hatte sie angenommen, dass er einen unglaublichen Gestank verströmte, aber entweder überlagerten die Gerüche der Schmiede seine Ausdünstungen, oder er war reinlicher, als sie angenommen hatte. Menschen, die ständig eine solche Last mit sich herumschleppten, würden hundert Schritt gegen den Wind nach Schweiß stinken.

Balyndis arbeitete zügig, verzurrte Drähte, ließ Djerůn Armbewegungen machen und hörte genau hin, ob sich irgendein Teil möglicherweise im Kampf verkeilen könnte. Glücklicherweise blieb das Metall ruhig, nichts quietschte oder kreischte aufbegehrend.

Erleichtert verließ sie das Podest, auf dem sie arbeitete, kehrte an den Amboss zurück, schob die Binde hoch und nahm Djerůns Helm vom Halter. Sie hatte ihn mattiert und die dämonische Visierfratze poliert, um sie hervorzuheben; die Augenpartie wurde durch eine dünne Lage schwarzes Tionium eigens betont. Stolz fuhr sie mit dem Lappen noch einmal drüber und gab einen Tropfen Öl auf die Scharniere.

»Djerůn, wir haben es geschafft«, sagte sie, ohne zu wissen, ob der Koloss sie verstand. »Wenn bei deinem Anblick kein Feind schreiend davonläuft, weiß ich es auch nicht.« Sie zog den Stoff vor die Augen, nahm die ledergefütterte Kettenhaube sowie den Helm und tastete sich an dem gespannten Faden entlang, der sie zu dem Leibwächter führte.

Dann passierte es.

Balyndis trat auf etwas am Boden der Schmiede, es fühlte sich an wie ein rundes Stückchen Kohle, das unter der harten Sohle wegglitt.

Sie geriet ins Ungleichgewicht, taumelte und fiel. Ein Dorn des Helms zischte knapp an ihrem Gesicht vorbei, er verfehlte ihr Auge nur um die Dicke einer schmalen Messerklinge - und er zog ihr die Binde in die Höhe.

Sie lag am Boden, Helm und Haube vor sich, den Kopf nach vorn gerichtet, und blickte genau auf den auf einem Amboss ruhenden Djerůn.

Und ihre Lider waren nicht geschlossen.

Balyndis hatte in ihrem Leben als Schmiedin und tapfere Kriegerin manch Schreckliches auf dem Schlachtfeld gesehen. Sie hatte Orks und Ogern gegenübergestanden, deren Gesichter sicherlich kaum als schön zu bezeichnen waren; auch der Anblick von offenen Wunden und hervorquellenden Gedärmen brachte sie nicht mehr aus der Fassung.

Jetzt aber öffnete sich ihr Mund zu einem unterdrückten Schrei, den ihr das Grauen aus der Kehle wrang. Sie starrte auf die breiten Kiefer mit den vorstehenden Reihen nadelspitzer Reißzähne, die mühelos das dickste Fleisch schnitten und die Gebeine darunter brachen. Das menschenähnliche, viel zu große Haupt Djerůns bestand aus Knochen, über dem sich eine dünne, ungesund bleich aussehende weiße Haut spannte; die Adern schimmerten grellgelb hindurch. Ohrmuscheln fehlten ihm, anstelle der Nase hatte er zwei dreieckige Löcher.

Die riesigen Augen wandten sich ihr zu. Langsam erhob er sich, näherte sich ihr und streckte die gepanzerte Hand aus, die spielend Stein zu Mehl zerquetschen konnte.

Ich habe ihn angeschaut! Vraccas sei mir gnädig und steh mir bei, oder er wird mich umbringen! Alles in der Zwergin schrie danach, sich in Sicherheit zu bringen, doch ihr Körper gehorchte ihr nicht.

Die Finger packten zu, erwischten das Kettenhemd und zogen sie daran in die Höhe. Helm und Haube entglitten ihren schreckenssteifen Händen, aber Djerůn fing sie auf, bevor sie auf die Steinplatten schlugen.

Dann trug er sie zu ihrem Podest, stellte sie darauf ab und drückte ihr den Kopfschutz in die Hand, setzte sich und schob mit dem kleinen Finger der Linken das Tuch wieder über ihre Augen.