Das Geschrei wurde lauter, aus hundert wurden tausend Kehlen. Die Scheusale gerieten in Aufruhr und liefen blindlings zusammen, um die Schar tollkühner Menschen zu töten.
Das Getrappel der Pferde kehrte zurück, begleitet vom Brüllen der sie verfolgenden Gegner.
Mallen hob den Arm, der das Schwert führte, weithin sichtbar, und schon erklang das Knirschen von Sehnen, die sich unter dem Zug der Bogenschützen streckten und dehnten.
Die erste Schwadron preschte noch nicht über den Hügel, als der Prinz seinen Arm ruckartig nach unten stieß. Mehr als dreihundert Pfeile schnellten durch die Luft, flogen in steilem Winkel über die Kuppe und stießen beinahe senkrecht auf die heranstürmende Welle aus Orks und Bogglins nieder.
Ein Geschossschauer jagte den nächsten. Mallen vernahm die Todesschreie der Kreaturen und lächelte zufrieden, während seine Reiter von ihrem Vorstoß zurückkehrten und sich in die lange Formation einreihten.
»Reitet, Männer! Reitet und bringt den Bestien den Tod!«, rief er. Langsam hob er die Lider, atmete tief ein und aus. »Für Ido! Für das Geborgene Land!« Dann schlug er seinem Pferd die flache Klinge gegen den Hinterleib, und es preschte wiehernd los.
Mit dem Prinzen setzten sich fünfhundert Reiter in Bewegung. Wie eine silberne Welle kamen sie über den Hügel. Das Trommeln von zweitausend Pferdehufen schuf ein anhaltendes Dröhnen und versetzte die herannahenden Bestien in Angst.
Vor der breiten Woge aus Speeren, Tierleibern und zermalmendem Eisen gab es kein Entrinnen. Die Langsamen wurden als Erste überrannt, die Schnelleren erreichte der Tod wenige Schritte später. Grünes Blut spritze hoch und weit, und keiner der Menschen empfand Mitleid angesichts der klaffenden Wunden oder gequälten Laute, welche die Sterbenden von sich gaben.
»Er hätte auf uns warten sollen«, grummelte Boïndil Zweiklinge aus dem Clan der Axtschwinger vom Stamme des Zweiten, Beroïn, während er mit ungeheurer Geschwindigkeit die Leiter des schmalen Schachts erklomm. »Ich habe ganz genau gehört, dass seine Reiterei schon mit dem Angriff begonnen hat.« Die kräftigen Hände schlossen sich abwechselnd um die Eisensprossen; das wenige Licht, das von oben durch einen Spalt hereinfiel, genügte ihm, um Halt zu finden. Wie alle Zwerge sah er selbst im Dunkeln recht gut. »Bei Vraccas, am Ende kommen wir an, und die Langen haben uns nichts mehr von den Schweinchen übrig gelassen!« Er klang richtiggehend bestürzt.
Tungdil Goldhand, der ihm folgte, musste ein Lachen unterdrücken. Er kannte die Vorliebe des Zwerges, der seinen Beinamen Ingrimmsch nicht umsonst trug: aufbrausend, stets kampfversessen und gnadenlos gegenüber seinen Feinden. »Keine Bange, Boïndil. Prinz Mallen hat mir versprochen, einige der Bestien so lange am Leben zu lassen, bis du auftauchst.«
Ingrimmsch stieß die Luft aus, der schwarze Zopf pendelte auf seinem Rücken hin und her. »Ich merke, wenn man mich veralbern will«, rief er nach unten, ohne seinen Aufstieg zu verlangsamen. »Ich rieche schon das ranzige Fett auf ihren Rüstungen«, gluckste er voller Freude. »Wir müssen ganz dicht bei den Schweinchen sein!« Das Gewicht des Kettenhemds, der Beile und des Schilds machten ihm nichts aus; er hatte die Hand bereits an der Luke, zog die Verriegelung zurück und wuchtete sie in die Höhe. Vorsichtig schob er den behelmten Kopf ins Freie.
»Was siehst du?«, keuchte Tungdil, dem das Klettern spürbar in die Arme und Beine ging. »Wie nah sind wir?«
»Also, wenn ihr mich fragt, kann es nur noch in Vraccasʹ Ewiger Schmiede schöner sein«, juchzte er glücklich. »Die ersten zehn gehören mir! Oink, oink, oink, ihr kleinen Schweinchen! Vernehmt den Schrei der sterbenden Sau!«, hörten sie ihn brüllen, dann katapultierte er sich wie ein zwergisches Geschoss aus der Röhre.
Tungdil sah im Gegenlicht, wie seine Silhouette im Sprung die Beile aus dem Gürtel riss, dann war der Zwerg verschwunden. »Los, wir müssen ihm nach!«, schrie er nach unten, um die anderen Zwerge anzuspornen, und schwang sich gleich darauf selbst an die Oberfläche.
Auch wenn er geahnt hatte, dass sie eine böse Überraschung erwartete, fuhr Tungdil der Anblick, der sich ihm nun bot, dennoch in die Glieder. Boïndil mochte es als Geschenk von Vraccas ansehen, mitten in einem Lager von tobenden Orks und lärmenden Bogglins zu landen, er aber empfand das anders.
Kaum stand er mit beiden Füßen fest auf dem Boden, zog er die Feuerklinge aus der Rückenhalterung. Die Diamanten an der Schneide flammten im blutroten Schein der untergehenden Sonne auf.
Die eben noch heranstürmenden Ungeheuer hielten an und wichen grunzend zurück; sie erkannten an der Axt, wer ihnen gegenüberstand. Sein Name hatte sich nach der Schlacht am Schwarzjoch herumgesprochen, denn Tungdil hatte ihren Anführer, den mächtigen Zauberer Nôdʹonn, mithilfe der Feuerklinge vernichtet und mit ihm das dämonische Wesen, das in seinem Innern gelebt hatte.
Die Angst der Orks und Bogglins vor dieser einmaligen Waffe war mehr als begründet. Geschaffen von den kunstfertigsten Zwergenhänden, gefertigt aus den edelsten Materialien und reinstem Stahl, versehen mit einem Quantum Tionium und gehärtet in der heißesten Esse des Geborgenen Landes, war sie von unvorstellbarer Schärfe und Wucht.
Ein einziger Ork fand seinen Mut wieder. Schnaubend kam er auf den Zwerg zu, schwang die Keule gegen ihn.
»Du möchtest ein Held werden?« Tungdil wich dem Schlag aus, holte dabei mit der Feuerklinge aus, drehte sich einmal um die eigene Achse und schlitzte dem Angreifer die Rüstung samt Bauch auf. Die Innereien klatschten in den Staub, gefolgt von stinkendem Blut und dem ächzenden Ork. Tungdil hob die Axt. »Und wo bleibt der Nächste?«
Die übrigen Bestien wichen noch weiter zurück, schrien nach Bogenschützen.
Die Verunsicherung der Gegner ermöglichte es dreißig Zwergen, unbehelligt aus dem Tunnel zu steigen und einen waffenstarrenden Kreis zu bilden, um dem nächsten Ansturm zu begegnen.
Ingrimmsch hingegen wütete weiter; er sprang zwischen die Reihen der Scheusale, die Beile zuckten auf Orks und Bogglins nieder. Tungdil sah ihn nicht mehr, hörte aber sein glückliches Lachen und den verhöhnenden Schrei der sterbenden Sau, mit dem er bezwecken wollte, dass sich die Gegner auf ihn warfen.
Tungdil entdeckte auf der Nordseite des Lagers die Reiterei von Prinz Mallen, die sich anschickte, in einer gut 500 Schritt messenden Front die Anhöhe herabzuwalzen und alles niederzumähen, was sich ihr entgegenstellte.
»Boïndil, komm zurück!«, rief er den Zwilling besorgt zu sich. Hinter ihm stieg der Letzte der insgesamt einhundert Zwerge aus dem Schacht, und Tungdils kleine Streitmacht war vollständig.
»Gehtʹs los?«, kam Boïndils heitere Frage irgendwo aus dem Kampfgetümmel, begleitet vom Scheppern zerstörter Rüstungen und dem Aufgrunzen der Bestien.
Tungdil fasste den Stiel der Feuerklinge mit beiden Händen und senkte den Kopf; seine Augenbrauen zogen sich zusammen. »Bei Vraccas, und wie es losgeht«, murmelte er und hob gleich darauf die Stimme: »Treibt sie vorwärts!«
Seine Soldaten fächerten laut rufend auseinander und stürzten sich mit ihren Äxten, Beilen und Kriegshämmern auf die unschlüssigen Scheusale. Allen voran kämpfte Tungdil mit der Feuerklinge. Nichts hielt sie auf, surrend durchschlug sie Schilde, Panzerplatten und Kettenglieder, trennte Gliedmaßen ab und zerschnitt mit einem schrecklichen Hieb gleich mehrere Lebensfäden.
Tungdil und seine Zwerge wühlten sich durch die Masse. Sie störten sich nicht an dem Gestank des Blutes ihrer Feinde oder an dem widerlichen Geruch der eingefetteten Rüstungen. Flüssiges Grün sprühte aus offenen Wunden auf sie nieder, gekappte Gliedmaßen fielen herab und wurden unter ihren Füßen zertreten, und bald stiegen sie über Leichen. Zu allem entschlossen und beseelt von dem Wunsch, das Übel ein für alle Mal von der Erde zu fegen, marschierten sie vorwärts.