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»Ja, Myr. Ich bleibe.« Er schaute in ihre roten, geheimnisvollen Augen. »Und wenn ich darf, würde ich gern in deinem Haus wohnen.«

»Hat dein Herz einen Entschluss gefasst?«, wagte sie sich zu erkundigen. »Darf ich es verbinden, wie ich es dir versprochen habe?«

Bewundernd betrachtete er ihre Züge, den feinen silbrigen Flaum und die geschwungenen Lippen, er las die Einladung in ihren Augen, sie zu küssen.

»Bald«, wich er ihr zu seinem eigenen Erstaunen aus und stand auf. Die innere Unruhe zwang ihn dazu, sich zu bewegen. »Ich schaue mir die Gärten noch einmal an. Die Kanäle haben mich an etwas erinnert.« Viel zu schnell sprang er auf, küsste sie auf den Haaransatz und lief zur Tür hinaus.

Du Narr, beschimpfte er sich selbst auf der Straße. Ein Clanzwerg hätte seine Schwierigkeiten nicht, er würde dem Wort seiner Anführer folgen und sein Herz zwingen können, diejenige zu lieben, die ihm als Gemahlin vorgestellt wurde. Oder leidet Balyndis ebenso wie ich?

Er schlug die Gasse ein, die ihn zu den Wasserfällen führte, und sah sie schon von weitem. Tosend ergossen sie sich in das Becken, Gischtschleier umwehten die breiten Kaskaden und schlugen sich an den Felswänden nieder.

In der Nähe der Schleuse, welche die Wassermenge in den Kanälen regulierte, entdeckte er Sanda Feuermut, die Gattin Gemmils und Kriegsherrin der Freien. Sie redete mit den Wachen, die den Durchfluss beobachteten und die Stellschrauben bedienten. Tungdil blieb stehen.

Die breit gebaute Zwergin hatte ihre Anweisungen erteilt und wandte sich zum Gehen, als sie ihn bemerkte. Sie hob grüßend die Hand und näherte sich ihm.

Ihre furchtbaren Tätowierungen im Gesicht machten jedem unmissverständlich klar, dass sie einst zu den erbittertesten Feinden der Zwerge gehört hatte; auch die langen, dunkelblonden Haare, die sie offen trug, konnten die Runen nicht verbergen.

»Vraccas hüte und bewahre den Funken deiner Lebensesse«, redete sie ihn an. Obwohl sie eine Steigung erklommen hatte, kam sie nicht außer Atem, trotz des Ledergewands und des plattenverstärkten Kettenhemds darüber. Sie trug einen rockähnlichen, gepanzerten Schutz, der bis zu den Knöcheln reichte.

»Er sei auch mit dir«, erwiderte er. »Ziehst du in den Krieg? Ich dachte, Rüstungen seien in Goldhort nicht notwendig?«

Sie lächelte, was nicht unbedingt freundlich aussah. »Ich bin eine Kriegerin, Tungdil, es ist meine Art, so wie es die deiner beiden Freunde ist. Und ganz so friedlich, wie dich die kleine Myr glauben machen möchte, ist es hier nun auch wieder nicht. Gelegentlich tauchen Felstrolle oder Bogglins auf, die aus Versehen in unsere Tunnel gerieten.« Ihre Hand legte sich an den Griff ihrer Axt. »Meine Leute und ich halten sie auf, ehe sie die Stadt erreichen.«

Er sah, dass sich ihr blonder Gesichtsflaum an manchen Stellen in Silber wandelte; folglich konnte sie nicht mehr die Jüngste sein. »Du bist noch nicht lange hier, habe ich gehört?«

»Etwas mehr als zwei Zyklen, ja. Es ist kein Geheimnis.« Sie musterte ihn. »Du weißt nicht, wie du mir begegnen sollst, habe ich Recht? Wir stammen beide von Lorimbur ab, und dennoch haben wir uns entschlossen, keine Kinder des Schmiedes zu töten.«

»Ich habe es von Anbeginn an nicht getan.«

»Und ich von Beginn an mit Widerwillen«, gestand sie offen ein. »Ich mordete, weil es mir eine Selbstverständlichkeit war und weil es nicht den geringsten Zweifel daran gab, es könnte anders sein. Doch mein Herz und meine Seele bäumten sich mehr und mehr dagegen auf.« Sie setzte sich auf den dichten, dunkelgrünen Moosteppich, das Gesicht der Stadt zugewandt; Tungdil nahm neben ihr Platz. »Dann musste ich mich entscheiden, ob ich mein Handwerk weiterhin verrichten wollte oder nicht.«

»Und du hast die Verbannung gewählt.«

»Nein. Ich habe den Tod gewählt«, berichtigte sie. »Mein eigener Stamm wird mich auf der Stelle vernichten, sollte er mich zwischen die Finger bekommen. Einst war mein Platz bei den besten, angesehensten Kriegern der Dritten, wie meine Tätowierungen dir verraten. Das war einmal. Nun gehöre ich für sie zu denjenigen, die sie mit ihrem Hass verfolgen.« Sie schaute zur Festung hinauf. »Das ist mein Zuhause, ich habe einen Gatten gefunden, der mit mir den Ehernen Bund einging und für den es nicht zählte, was ich zuvor getan habe. Es ist ein neuer Anfang, aber ein sehr, sehr schwerer Anfang.« Sie drehte sich zu ihm. »Und du? Wer waren deine Eltern?«

Tungdil schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich war zu klein und kann mich an nichts erinnern. Lot-Ionan, mein Ziehvater, erzählte mir, dass er mich Kobolden abkaufte. Dass ich ein Dritter bin, weiß ich mit Sicherheit erst, seit ich Nôdʹonn mit Hilfe der Feuerklinge besiegt habe.«

Sie schaute ihn plötzlich sehr aufmerksam an. »Wie alt bist du, Tungdil?«

»Genau kann ich es nicht sagen, doch es werden etwas mehr als sechzig Zyklen sein. Weshalb?«

Sanda betrachtete ihn genauer. »Ich habe mir den Verstand zermartert, warum mir dein Gesicht so bekannt erscheint. Du gleichst ihr sehr.« Sie blickte wieder nach vorn, auf die Dächer Goldhorts. »Vor etwa sechzig Zyklen geschah etwas, Tungdil, das mich meinen Clan und meinen Stamm verlassen ließ. Es wäre eine unvorstellbare Fügung, wenn...« Sie verstummte. »Vraccas hat es vorherbestimmt«, raunte sie dankbar, die braunen Augen auf die Statue des Gottes gerichtet. »So hat meine Entscheidung das Geborgene Land gerettet. Das wiegt alles auf, was ich erdulden musste.«

Tungdil packte sie an der Schulter. »Wovon redest du, Sanda? Weißt du, wer meine Eltern sind?«, fragte er, und sein Herz pochte schnell und laut.

Ihre Hand legte sich auf die seine, und sie sah ihn wohlgesonnen an. »Ich kannte deinen Vater, Tungdil, und ich kannte deine Mutter. Er hieß Lotrobur, ihr Name lautete Yrdiss, und dich nannten sie Calúngor. Aber ihre Liebe stand unter einem schlechten Funken, denn sie war einem anderen versprochen. Doch ihre Gefühle ließen sich nicht beugen, und so entsprangst du heimlich Yrdissʹ Leib. Dein Vater wollte dich in Sicherheit bringen, weil er die Rache des Versprochenen und des Vormunds seiner Geliebten fürchtete.« Sie atmete tief ein. »Ich verfolgte ihn, denn ich sollte ihn mitsamt dem Kind umbringen.«

»Du hast ihn...?«

»Nein. Ich stellte ihn, wir kämpften, und er unterlag.« Ihre Augen nahmen einen abwesenden Ausdruck an, sie schaute in die Vergangenheit und erlebte all das wieder. »Ich schwang meine Axt«, ihre Hand pochte gegen das Eisenblatt, »diese Axt!, und wollte ihm den Schädel spalten, als ich deinen Schrei hörte. Es war ein jämmerlicher Laut, aber er machte meinen Arm schwach. Ich sah in das Gesicht deines Vaters und begriff, dass ich keine Zwerge mehr töten wollte, ja, dass ich es nie gemocht hatte, sie zu töten.« Sie senkte den Kopf, fuhr über ihre Waffe. »So half ich ihm auf und ließ ihn gehen.«

Tungdil hing an ihren Lippen, begierig zu hören, was weiterhin geschehen war.

»Als ich zurückkehrte und log, dass ich Lotrobur verloren hätte, zeigte man mir den toten Körper deiner Mutter und den Kopf deines Vaters, Tungdil. Ich war nicht die Einzige auf seiner Spur gewesen. Yrdissʹ Oheim und Vormund hatte sie getötet, beide, und dich in den Abgrund gestoßen, wie er berichtete. Vraccas konnte deine Eltern nicht beschützen, aber dich bewahrte er vor dem Tod, damit du Großes vollbringst. Er leitete dein Geschick, damit du zu dem Magus gelangtest.« Sanda lächelte ihn voller Rührung an. »Und nun sitze ich hier, mehr als sechzig Zyklen später, zusammen mit dir.«

Er schluckte schwer. »Wie hieß der Oheim meiner Mutter?«

»Es war Salfalur Schildbrech, die rechte Hand von König Lorimbas«, raunte sie. »Und er lebt immer noch. Dein Vater war sein Vertrauter und bester Freund, so lernte er deine Mutter kennen. Ich bin mir sicher, dass er eines Tages die Nachfolge Salfalurs als oberster Kriegsmeister angetreten hätte. Lotrobur galt als der zweitbeste Kämpfer. Nach Salfalur.«