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Tungdil lächelte den Krieger an und reichte ihm die Hand. »Verzeih mir, aber ich fürchtete, dass du mich mitschleifen würdest.«

»Das hätte ich auch getan, Gelehrter«, erwiderte Boïndil feixend und nahm sich einen Kloß, tunkte ihn in die kalte Soße und biss hinein. »Oh, dafür würde ich sogar vier Dutzend Schweineschnauzen verschonen«, schwelgte er schmatzend. »Und sie erst nach dem Essen erschlagen.«

»Es sieht einmal mehr nicht gut für das Geborgene Land aus.« Tungdil schenkte ihnen und sich dunkles Bier ein. In Porista warteten eine neue Aufgabe und Balyndis, in Goldhort hatte er Myr und führte ein ruhiges Leben wie ein Gelehrter, von gelegentlichen Ausflügen an Esse und Amboss oder den Kampfübungen abgesehen.

Sein Blick fiel in den Nebenraum, auf den diamantenbesetzten Gurt von Giselbart Eisenauge, der ihm diesen zum Geschenk gemacht hatte. Nun hing er an der Wand, unter den beiden gekreuzten Äxten, die er sich geschmiedet hatte.

Boëndal bemerkte seinen Blick. »Ja, es sieht nicht gut aus«, sagte er und ließ offen, was er damit meinte.

»Und du bist vollends zum Gelehrten geworden?« Ingrimmsch deutete mit dem angebissenen Kloß auf ihn. »Kein Kettenhemd mehr, bequeme Stiefel - und wenn ich richtig sehe, hast du etwas zugenommen?«

Er lachte. »Nein, Boïndil. Du täuschst dich. Ich gehe bei Sanda Feuermut in die Lehre, und glaube mir, sie wäre die wahre Gefährtin für dich. Sie würde dich mit ihren bloßen Fäusten niederringen.«

Ingrimmsch lachte einmal kurz auf. »Sicher, Gelehrter. Nur weil sie dich schlägt, heißt das noch lange nicht, dass ein Kerl wie ich vor ihr nicht bestehen würde. Sie würde um Gnade flehen.« Er schob sich den restlichen Kloß in den Mund und spülte ihn mit einem Schluck Bier die Kehle hinunter. Dann rülpste er laut.

»Nimm den Gurt, Tungdil, und die beiden Äxte«, bat ihn Boëndal, »und komm mit uns. Oder fühlst du dich schon zu sehr als einer von ihnen? Die Zwerge des Geborgenen Landes brauchen dich und deinen Verstand. Es gibt niemanden sonst, den Gandogar zu den Verhandlungen schicken könnte.«

Der eher praktisch veranlagte Boïndil schritt an ihm vorbei, nahm den Gurt und eine Axt von der Wand, um sie Tungdil in die Hand zu drücken. »Lass dich nicht lange bitten, Gelehrter.« Er blinzelte ihm zu. »Gehen wir?«

Die Haustür fiel laut zu. Myr war nach Hause gekommen, die Behandlungstasche hing um ihre Schulter. »Sind die Schleusen am Wasserfall undicht geworden?«, fragte sie gespielt vorwurfsvoll, die Hände in die schmalen Seiten gestemmt und die roten Augen auf die Fußspuren geheftet. »Oh, Gäste! Und sie haben die Küche gefunden!« Lachend nahm sie zuerst Boïndil, dann seinen Bruder in den Arm und drückte sie. »Ihr seid aber schnell zurückgekehrt.« Sie schnupperte. »Da riecht jemand nach Klößen. Nach dem letzten Kloß, um genau zu sein.«

»Du bist selbst schuld«, lamentierte Ingrimmsch. »Sie waren unbewacht.«

»Ihr seid nicht gekommen, um meine Klöße zu vertilgen«, schloss sie aus den ernsten Gesichtern der drei Zwerge, und Boëndal erklärte ihr den Grund dafür. »Wenn du gehst, Tungdil, werde ich an deiner Seite sein. Wenigstens bis nach Porista«, entschied sie, ohne zu zaudern. »Ich werde meinen Gemahl nicht allein lassen.«

»Gemahl?«, rief Boëndal überrumpelt. »Meinen Glückwunsch und Vraccasʹ Segen!« Er schüttelte ihnen die Hände. »Hätten wir das geahnt, hätten wir Geschenke mitgebracht.«

Ingrimmsch hatte eben eine Hand voll Moosbeeren in den Mund geschüttet und drohte wegen seiner großen Überraschung nun daran zu ersticken. Das beherzte Klopfen auf die richtige Stelle seines Rückens durch die Chirurga bewahrte ihn davor, sein Leben äußerst unwürdig zu verlieren. Mit hochrotem Kopf nahm er einen Schluck Bier. »Auf euch«, krächzte er.

Tungdil zeigte ihnen stolz den selbst geschmiedeten Ring, den er am rechten Mittelfinger trug, Myr besaß das kleinere Gegenstück dazu. »Wir haben den Ehernen Bund im Vraccas-Tempel geschlossen.« Und niemand kam, um es zu verhindern, fügte Tungdil in Gedanken hinzu.

»Dann bringen wir eben zwei Gelehrte mit nach Porista«, lachte Boëndal. »Es kann nur gut für das Geborgene Land sein.«

Myr strahlte. »Das ist aufregend. Ich werde die Hauptstadt des Zauberreiches sehen. Oh, ich kann gar nicht so viele Blätter mitnehmen, wie ich Skizzen machen möchte.« Sie begab sich auf den Weg nach oben. »Ich suche gleich ein paar Dinge zusammen, damit wir bald aufbrechen können.«

»Dürfen wir zuerst trocknen?«, fragte Boïndil und wackelte mit den Schuhspitzen, die merkwürdige Geräusche von sich gaben. »In feuchten Stiefeln läuft es sich Blasen.«

*

Bevor sie abreisten, stattete Tungdil der Festung und damit Gemmil und Sanda einen letzten Besuch ab. Wie immer wurde er freundlich empfangen, und Sanda bot ihm etwas zu trinken an. So ausführlich wie er konnte, schilderte er dem Herrscherpaar die Lage. »Ihr seht, ich muss gehen.«

Sanda hatte aufmerksam zugehört. »Ich kenne Romo Stahlherz. Er ist einer der schlimmsten Zwergentöter, die mir begegnet sind, verdorben von seinem Oheim Lorimbas und ausgebildet von Salfalur. Ihn zu einer diplomatischen Mission zu schicken hat den gleichen Wert wie einen Ork zu heißen, auf das Wohl einer Horde Menschenkinder Acht zu geben. Lorimbas sandte ihn, um keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit aufkommen zu lassen.« Sie schaute kurz zu ihrem Gemahl. »Er wird nicht verhandeln. Seine Aufgabe wird sein, den Willen des Königs in die Tat umzusetzen. Ohne Ausnahme und Abstriche.« Sie blickte Tungdil warnend an. »Oder auch, um jemanden umzubringen. Traue ihm nicht. Nicht ihm und auch sonst keinem, die du in seiner Nähe siehst.«

»Danke für deinen Rat.« Er deutete eine Verbeugung an. »Myr und ich sind bald wieder zurück.«

»Myr begleitet dich?«, sagte die Königin verdutzt, überwand ihre Überraschung aber schnell und ging nicht weiter darauf ein.

Tungdil hielt es für Freude, die unliebsame Beobachterin für eine Weile los zu sein. Falls sie überhaupt etwas davon ahnt, auf Schritt und Tritt überwacht zu werden. Die Chirurga hatte ihre Vorbereitungen in die Wege geleitet, ihre Mitwisser würden auf Sanda während ihrer Abwesenheit besonders gut Acht geben.

»Richte dem Großkönig meinen Gruß aus«, bat ihn Gemmil. »Bestell ihm von mir, dass ich ihn gern sehen möchte, sobald sich die Lage im Geborgenen Land beruhigt hat. Ich fände eine Unterredung angebracht. Auch wenn die wenigsten zurück in den Schoß des Clans möchten, so dürfte ein Handel zwischen den Stämmen und uns von beiderseitigem Vorteil sein. Du wirst ihm am besten schildern können, wie es bei uns aussieht und dass wir weit davon entfernt sind, eine Gemeinschaft von Mördern und Verbrechern zu sein. Vraccas achte auf deine Schritte!«

»Ich überbringe deine Worte gern.« Tungdil verneigte sich. »Goldhort hat einen begeisterten Fürsprecher in mir.«

Er verließ den kleinen Saal und stieg die Stufen zur Eingangshalle hinab, als er hinter sich Schritte hörte, die hastig zu ihm aufschlossen. Er drehte sich um, um nach dem Verfolger zu sehen, und blickte in das runenverzierte Antlitz der Dritten.

»Meine Worte mögen in deinen Ohren unfassbar klingen«, sprach sie eindringlich. »Du wirst sie nicht glauben wollen, doch es ist so. Achte unterwegs auf alles, was dir widerfährt, und nichts davon wird Zufall sein, solange Myrmianda in deiner Nähe ist.« Sie schaute sich nach allen Seiten um und vergewisserte sich mit gehetzten Blicken, dass sie allein waren.

Tungdil runzelte die Stirn und wich einen halben Schritt vor Sanda zurück. »Ich verstehe nicht, was das heißen soll«, beschied er sie und seine Miene verlangte deutlichere Worte. »Was hat meine Gemahlin damit zu tun?«

»Du wirst es selbst herausfinden müssen, Tungdil. Es liegt an ihrer Familie«, blieb sie geheimnisvoll. »Sprich nicht mit ihr darüber, dass wir uns über sie unterhalten haben, sonst verdirbst du es.« Eine Wache erschien am Ende der Treppe und sah zu ihnen. »Ich weiß, dass sie mich beobachten lässt und ihre Fäden spinnt, wie es ehrlose Gnome nicht besser können«, raunte sie. »Ich bitte dich um deinetwillen: Vertraue ihr nicht bodenlos.« Sie reichte ihm die Hand und sagte laut: »Das wollte ich dir noch für Gandogar auf den Weg geben. Vraccas schütze dich und alle, die dir nahe stehen.«