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Über einige Fenster kletterte ich mühselig hinauf, denn ich hoffte immer noch, daß eines offen sein könnte, damit ich leichteren Zugang zum Turminnern fände, denn damit hätte ich mindestens viel Zeit gespart.

Manchmal war mein Halt an den runden Reliefs so fragwürdig, daß ein Niesen oder Husten genügt hätte, mich in die Tiefe zu wirbeln. Aber endlich erreichte ich doch einen Punkt, von dem aus meine Finger nach einem Fensterbrett greifen konnten, und ich tat schon einen Seufzer der Erleichterung, als ich von über mir durch ein offenes Fenster Stimmen hörte.

»Das Geheimnis dieses Schlosses kann er niemals lösen.« Das war Matai Shangs Stimme. »Wir wollen zum Hangar nach oben weitergehen, so daß wir schon längst weit im Süden sind, bis er eine andere Möglichkeit findet, falls das überhaupt zu erwarten ist.«

»Für diesen üblen Kalot scheint alles möglich zu sein«, erwiderte eine andere Stimme, die ich als die Thurids erkannte.

»Dann wollen wir uns beeilen«, drängte Matai Shang. »Um doppelt sicher zu gehen, lassen wir aber zwei Wachen hier, die den Spiralweg beobachten. Später können sie uns dann mit einem anderen Flieger folgen und uns in Kaol einholen.«

Meine Finger erreichten diesen Fenstersims niemals. Als ich diese Stimmen hörte, zog ich meine Hand zurück, drückte mich ganz flach an die Turmmauer und wagte kaum zu atmen.

Welch eine entsetzliche Lage! Und wenn mich Thurid hier entdeckte... Er brauchte sich nur aus dem Fenster zu beugen und mich mit der Schwertspitze anzutippen, dann flog ich auch schon in die Tiefe. Dann waren aber die Stimmen nur noch schwächer zu vernehmen, und ich setzte meinen gefahrvollen Aufstieg fort; er war jetzt noch schwieriger und riskanter als vorher, denn ich mußte ja die Fenster umgehen.

Matai Shangs Erwähnung des Hangars und des Fliegers hatte also zu bedeuten, daß mein Ziel das Dach des Turmes war, und dort hinauf schaute ich nun.

Endlich hatte ich dann doch den gefährlichsten und zeitraubendsten Teil der Reise hinter mir, und mit einiger Erleichterung legte ich die Hand auf einen Steinzapfen der untersten Reihe.

Sie standen natürlich sehr weit auseinander, und auch das letzte Stück meiner Kletterei war nicht gerade eine sichere Sache, wenn ich auch immer wieder einigermaßen Halt fand für meine Füße, aber im Fall einer Gefahr konnte ich mich immerhin an diesen Steinzylindern festhalten.

Ungefähr drei Meter unter dem Dach begann sich die Mauer nach innen zu neigen, und die Neigung betrug auf den letzten Metern etwa einen halben Meter. Die Kletterei war hier wesentlich leichter, und bald konnte ich mich an den Dachbalken festhalten.

Als ich nach oben schaute, sah ich einen startklaren Flieger. Auf dem Deck befanden sich Matai Shang, Phaidor, Dejah Thoris, Thuvia von Ptarth und einige Thern-Krieger, und Thurid kletterte eben an Bord. Er war keine zehn Schritte von mir entfernt und schaute in die entgegengesetzte Richtung. Ich weiß nicht, welch verrückte Laune des Schicksals ihn veranlaßte, sich umzudrehen, aber das tat er jedenfalls. In seinem boshaften Gesicht blitzte ein teuflisches Lächeln auf, als er mich sah; er tat einen gewaltigen Satz mir entgegen, und ich versuchte gerade, mich über die Dachkante hinaufzuschwingen. Auch Dejah Thoris mußte mich im gleichen Moment gesehen haben, denn sie schrie mir eine – leider nutzlose – Warnung zu, als Thurids kraftvoll geschwungener Fuß direkt in meinem Gesicht landete. Wie ein gefällter Ochse fiel ich um und über die Dachkante des Turms hinaus.

5. Auf der Straße von Kaol

Selbstverständlich ist das Schicksal oft grausam zu mir, doch es gibt ganz bestimmt auch eine gütige Vorsehung, die über mir wacht. Als ich zu stürzen begann, hielt ich mich schon für tot. Das hat ganz sicher auch Thurid getan, denn er schaute nicht einmal hinter mir drein, sondern muß sich sofort wieder umgedreht und den Flieger bestiegen haben.

Ich fiel alles in allem etwa drei Meter, und dann fing sich einer meiner kräftigen Waffenriemen an einem der Steinzapfen der Turmmauer und hielt! Selbst als ich schon dort hing, konnte ich noch immer nicht an das geschehene Wunder glauben, das mich vom Tod errettet hatte, und da brach mir kalter Entsetzensschweiß aus allen Poren meines Körpers.

Endlich gelang es mir, wieder festen Halt zu finden; ich zögerte, erneut hinaufzuklettern, weil ich ja nicht wissen konnte, ob mich Thurid nicht oben erwartete.

Aber dann vernahm ich das Propellerschwirren eines Fliegers, und da dieses Geräusch ständig an Lautstärke zunahm, dann aber sehr viel schwächer wurde, konnte ich annehmen, daß Matai Shang mit seiner Begleitung den Flug nach dem Süden angetreten hatte, ohne sich um mein Schicksal weiter zu kümmern.

Vorsichtig stieg ich also wieder weiter nach oben, und ich muß zugeben, daß ich mit sehr gemischten Gefühlen meine Nase über die Dachkante schob. Zu meiner großen Erleichterung war jedoch niemand mehr zu sehen, und einen Moment später stand ich sicher auf dem breiten flachen Dach.

Es war denn ein Kinderspiel, zum Hangar zu gelangen und den anderen darin befindlichen Flieger herauszuziehen. Und in dem Augenblick, da die beiden Thern-Krieger, die Matai Shang zurückgelassen hatte, um gerade diese Möglichkeit zu verhüten, aus dem Turminnern auf das Dach kamen, da stieg ich auf und flog laut lachend über sie hinweg.

Dann tauchte ich aber schnell in den Innenhof hinunter, wo ich meinen Wula zuletzt gesehen hatte. Zu meiner grenzenlosen Erleichterung fand ich das treue Tier auch noch vor.

Die zwölf großen Banths lagen unter den Türen ihrer Zwinger, funkelten ihn an und knurrten, aber gegen Thuvias Befehl hatten sie nicht verstoßen. Ich war dem Schicksal sehr dankbar, das sie zur Wärterin dieser Tiere in den Goldenen Klippen bestimmt hatte, denn in ihrer mitfühlenden, freundlichen Art hatte sie die Zuneigung dieser wilden Tiere gewonnen.

Wula tat einen Freudensprung, als er mich sah, und der Flieger brauchte nur für einen Moment leicht aufzusetzen; schon war er an Bord gesprungen, und um ein Haar wäre er in seiner unbeschreiblichen Freude die Ursache dafür gewesen, daß der Schweber an der Mauer zerschellte. Im allerletzten Moment riß ich ihn noch hoch. Unter dem lauten Protestgeschrei der Thernwächter erhoben wir uns hoch über die Festung und rasten dann weiter in nordöstlicher Richtung nach Kaol, denn das war Matai Shangs Ziel.

Am Spätnachmittag erkannte ich weit voraus einen winzigen Punkt; es war ein Flieger, und es konnte kein anderer sein als der, in dem sich meine verlorene Liebe und meine Feinde befanden.

Während der Nacht war ich gut und schnell vorangekommen. Ich vermutete, daß sie mich gesehen hatten und daher nachts keine Positionslichter setzten, und deshalb stellte ich meinen Destinationskompaß auf sie ein. Das ist ein wundervolles kleines Gerät auf dem Mars, das man nur einmal auf einen Zielgegenstand einzustellen braucht, und dann zeigt es immer auf ihn, egal wie oft dieser auch die Richtung wechseln mag.

Die ganze Nacht hindurch rasten wir durch die schwarze Leere, überflogen niedere Hügelketten und tote Seegründe, lange verlassene Städte und dichtbevölkerte Siedlungen der Roten Marsmenschen entlang den globusumspannenden Wasserwegen, welche die Erdenmenschen Marskanäle nennen. An diesen Wasserwegen liegen die kultiviertesten Länder des ganzen Planeten.

In der Morgendämmerung hatte ich schon sehr weit aufgeholt. Der Flieger meiner Feinde war wesentlich größer als der meine und daher auch nicht ganz so schnell, doch auch er hatte während der Nacht eine unglaubliche Strecke zurückgelegt.