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Grabesstille lag über diesem geheimnisvollen Tal des Todes, das sich tief in das warme Nest am versunkenen Südpol des sterbenden Planeten schmiegte. In der Ferne ragte die mächtige Barriere der Goldenen Klippen in den sternenhellen Himmel, und die mit kostbaren Metallen und Edelsteinen durchsetzten Felsen funkelten im hellen Licht der beiden herrlichen Marsmonde. Hinter mir lag der parkartig gepflegte Wald, der ebenso wie der Rasen von den häßlichen Baummännern abgeweidet wurde. Vor mir hatte ich die Verlorene See von Korus; etwas weiter entfernt erkannte ich das schimmernde Band des Iss, des Flusses der Geheimnisse, der unter den Goldenen Klippen herausströmte und sich in den Korus ergoß, zu dem seit unendlichen Zeiten die verzweifelten, enttäuschten und unglücklichen Marsianer der äußeren Welt in einer freiwilligen Pilgerschaft zu einem trügerischen Himmel kamen. Die Baummänner mit ihren blutdürstigen Händen und die grausamen weißen Affen, die das Tal Dor auch bei Tag zu einem Alptraum machen, schliefen jetzt in ihren Verstecken.

Jetzt stand kein Heiliger Thern mehr auf dem Balkon in den Goldenen Klippen über dem Iss, um mit seinem geisterhaften Schrei jene Opfer anzulocken, die in dem kalten, breiten Bett des alten Iss in ihr Verderben schwammen.

Die Flotte von Helium und die Erstgeborenen hatten die Festungen und die Tempel der Therns gesäubert, als sie sich weigerten, sich zu ergeben und die neue Ordnung anzunehmen, die ihre falsche Religion von dem seit langem unter ihr leidenden Mars wegschwemmte. In wenigen abgelegenen Ländern besaßen sie noch immer die alte Macht; aber Matai Shang, der Vater der Therns, war aus seinem Tempel vertrieben worden. Unter großen Anstrengungen hatten wir ihn einzufangen versucht, aber er war mit einigen seiner Getreuen entkommen, und wir hatten keine Ahnung wohin.

Als ich vorsichtig zum Rand des niederen Steilufers vordrang, sah ich Thurid, der auf einem kleinen Boot in die schimmernden Wasser der Verlorenen See von Korus eintauchte; es war eines jener uralten, seltsam gearbeiteten Boote der Heiligen Therns, die von den Priestern und niederen Therns an den Ufern des Iss bereitgestellt wurden, um den Opfern die lange Reise zu erleichtern.

Es lagen also noch viele ähnliche Boote am Ufer. Jedes hatte eine lange Stange, an deren einem Ende eine Spitze, am anderen Ende ein Paddel angebracht war. Thurid hielt sich an die Küste, und als er hinter einem Felsvorsprung außer Sicht kam, schob ich eines der Boote ins Wasser, rief Wula zu mir und stieß vom Ufer ab.

Thurids Verfolgung führte mich an der Küste entlang zur Mündung des Iss. Der fernere Mond stand niedrig über dem Horizont und warf dichte Schatten unter die Klippen, welche das Wasser einrahmten. Thuria, der nähere Mond, war untergegangen und erst wieder in vier Stunden zu erwarten, so daß ich für einige Zeit mit einer schützenden Dunkelheit rechnen konnte.

Immer weiter ruderte der schwarze Krieger, bis er zur Mündung des Iss kam. Ohne auch nur einen Moment zu zögern, lenkte er das Boot in den düsteren Fluß und paddelte mit kräftigen Stößen gegen die Strömung an.

Ich folgte ihm mit Wula und verkürzte dabei die Entfernung ein wenig, da der Mann vollauf damit beschäftigt war, sein Boot flußaufwärts zu lenken und daher kaum bemerkte, was hinter ihm vorging. Auch jetzt hielt er sich an das Ufer, wo die Strömung weniger stark war.

Bald kam er zu einem höhlenartigen Portal in den Felsen der Goldenen Klippen, und nun ruderte er in diese höllische Dunkelheit hinein.

Ich konnte meine Hand vor den Augen nicht mehr sehen, und es erschien mir unmöglich, ihm zu folgen. Fast wollte ich schon die Verfolgung aufgeben und mich zur Flußmündung zurücktreiben lassen, um ihn dort zu erwarten, aber da kam ich um eine Biegung und sah einen Lichtschimmer vor mir.

Nun erkannte ich mein Wild wieder deutlich, und im heller werdenden Licht der phosphoreszierenden Flecken im Dach der Höhle wurde seine Verfolgung wesentlich leichter.

Dies war meine erste Reise auf dem Fluß Iss, und alles, was ich dort sah und erlebte, grub sich unauslöschlich in mein Gedächtnis ein. Es waren schreckliche Erlebnisse, aber noch viel schlimmer mußte dort alles gewesen sein, ehe Tars Tarkas, der große grüne Krieger, Xodar, der schwarze Dator und ich das Licht der äußeren Welt in diese Dunkelheit brachten und den irren Ansturm der Millionen auf die freiwillige Pilgerschaft zu dem, wie sie glaubten, wundervoll friedlichen Tal des Glückes und der Liebe, aufhielten. Auch jetzt noch waren die winzigen, niederen Inseln im breiten Strom mit den Skeletten und halb aufgefressenen Leichen jener übersät, die in einem plötzlichen Erwachen zur Wahrheit ihre Reise unmittelbar vor ihrem Ende abbrachen.

Im schrecklichen Gestank dieser grauenhaften Leicheninseln kreischten und jammerten ausgemergelte Irre, die um die Reste ihrer kannibalischen Mahlzeiten kämpften; auf jenen Inseln, auf denen es nur noch saubere Knochen gab, kämpften sie miteinander, da die Schwächeren den Stärkeren zur Nahrung dienten; oder sie griffen mit ihren Klauenhänden nach den aufgedunsenen Leichen, die der Strom mitbrachte.

Aber Thurid beachtete diese kreischenden Wesen nicht, die ihm weder bedrohlich noch erbarmenswürdig erschienen, da er vermutlich mit diesem entsetzlichen Anblick vertraut war. Etwa einen Kilometer weit fuhr er den Fluß hinauf; dann lenkte er zum linken Ufer hinüber und zog sein Boot auf eine Felsleiste hinauf, die fast auf gleicher Höhe mit dem Wasserspiegel lag.

Ich konnte ihm natürlich nicht quer über den Fluß folgert, denn er hätte mich sonst sicher gesehen. Deshalb hielt ich auf meiner Flußseite unter einem überhängenden Felsen an, in dessen dichten Schatten ich kaum bemerkt werden konnte. Hier konnte ich Thurid gut beobachten.

Der Schwarze stand neben seinem Boot auf der Felsleiste und schaute flußaufwärts, als erwarte er aus jener Richtung jemanden.

Wie ich bemerkte, ging eine ziemlich starke Strömung zur Flußmitte hin, so daß es mir ziemlich schwer fiel, mein Boot unter dem Felsen festzuhalten. Ich fuhr also näher an das Ufer heran, um dort einen Halt zu finden, doch umsonst. Ich mußte also dort bleiben, wo ich war, und gegen die Strömung paddeln, die mich sonst weggeschwemmt hätte.

Es war mir nicht klar, woher diese Strömung kam, denn der Hauptkanal des Flusses war deutlich zu erkennen, und ich sah auch die Stelle mit der unruhigen Wasseroberfläche, wo sich der Fluß mit jener geheimnisvollen Strömung vereinte, die meine Neugier erweckte.

Während ich noch darüber nachdachte, erregte Thurid wieder meine Aufmerksamkeit, denn er hob beide Hände mit den Handflächen nach vorne über den Kopf in der allgemeinen Grußgeste der Marsianer, und einen Moment später folgte sein »Kaor!«, das Grußwort auf Barsoom.

Ich sah in die Richtung, in die er sich gewandt hatte, soweit es mir von meinem Versteck aus gelang, und erblickte auch sofort ein langes Boot, das mit sechs Männern besetzt war. Fünf waren an den Paddeln der sechste nahm den Ehrensitz ein.

Die weiße Haut, die langlockigen gelben Perücken auf den kahlen Schädeln und die großartigen Goldreifen mit den Diademen auf den Perücken wiesen sie als Heilige Therns aus.

Sie legten neben der Felsleiste an, auf der Thurid sie erwartete, und der Mann im Bug des Bootes stieg heraus. Ich sah, daß es kein anderer war als Matai Shang, Vater der Therns.

Die offensichtliche Herzlichkeit, mit der die beiden Männer einander begrüßten, verwunderte mich, denn schwarze und weiße Menschen sind und waren auf Barsoom seit uralten Zeiten Feinde. Ich habe noch nie erlebt oder gehört, daß die beiden einander anders als im Kampf gegenübergestanden hätten.

Es schien, als hätten die Ereignisse der letzten Zeit diese beiden Völker einander nähergebracht, und zwischen den beiden Männern mochte es sogar eine Allianz gegen den gemeinsamen Feind geben; jetzt verstand ich auch, warum Thurid so häufig in das nächtliche Tal Dor gegangen war, und ich vermutete, daß sich eine Verschwörung anbahnte, die sich gegen meine Freunde oder auch nur gegen mich richtete.