Damit griff er nach meiner Kehle, aber ich machte es jetzt genauso, wie ich es damals im Hof des Tempels der Issus gemacht hatte; ich duckte mich unter seinem ausgestreckten Arm durch, und als er deshalb an mir vorbeisprang, verpaßte ich ihm einen entsetzlichen rechten Haken an den Unterkiefer.
Auch er tat genau das, was er damals getan hatte. Er drehte sich wie ein Kreisel herum, und dann gaben seine Knie unter ihm nach. Zu meinen Füßen lag er dann da wie ein unbedeutendes schwarzes Häufchen. Und dann hörte ich hinter mir eine Stimme.
Es war eine tiefe Stimme voll Autorität, die zu befehlen gewohnt war. Als ich mich umdrehte, um den Sprecher anzusehen, stand vor mir ein Riese von einem Gelben, und ohne zu fragen wußte ich, daß dies nur Salensus Oll sein konnte. Rechts von ihm stand Matai Shang, hinter ihm eine Gruppe Wachmänner.
»Wer bist du?« rief er. »Und was hat dein Eindringen in den Frauengarten zu bedeuten? An dein Gesicht kann ich mich nicht erinnern. Wie kommst du hierher?«
Ich hatte völlig meine Maskierung vergessen, und fast hätte ich ihm in schönster Offenheit gesagt, daß ich John Carter, Prinz von Helium sei. Aber seine Frage brachte mich wieder zu mir selbst. Ich deutete auf die herausgerissenen Gitterstäbe meines Fensters.
»Ich bin Anwärter der Palastwachen«, antwortete ich. »Von diesem Fenster aus, hinter dem ich den Schlußtest der Tauglichkeit erwarten sollte, beobachtete ich, wie dieses brutale Scheusal diese Frau hier angriff und würgte. Ich konnte nicht einfach zuschauen, o Jeddak, denn wenn ich deine königliche Person beschützen und meine Tauglichkeit dazu beweisen soll, dann kann ich nicht zulassen, daß in deinem erhabenen Garten eine wehrlose Frau gewürgt wird.«
Ich schien mit meinen fairen Worten auf den Herrscher von Okar Eindruck gemacht zu haben. Da Dejah Thoris und Thuvia von Ptarth meinen Bericht bestätigten, sah es für Thurid recht schwarz aus. Matais böse Augen funkelten vor Gemeinheit, als Dejah Thoris alles genau erzählte, was zwischen ihr und dem schwarzen Dator vorgefallen war. Als sie zu jenem Teil kam, in dem es um mein Dazwischentreten und meinen kurzen Kampf mit dem Dator der Erstgeborenen ging, da kannte ihre Dankbarkeit keine Grenzen mehr, obwohl ich in ihren Augen las, daß etwas sie schrecklich verstörte.
Solange andere Leute anwesend waren, brauchte ich mich nicht mehr über ihr Benehmen mir gegenüber zu wundern; was mich verwirrte, war nur ihr Verhalten, solange sie mit Thuvia allein im Garten gewesen war.
Dann schaute ich einmal kurz Thurid an, als ich meinen Bericht weiterführte, und da sah ich, wie er mich aus aufgerissenen Augen anstarrte. Und dann lachte er plötzlich schallend.
Nun wandte sich Salensus Oll zu dem Schwarzen um.
»Was hast du zu all diesen Vorwürfen und Anklagen zu sagen?« fragte er mit tiefer, schrecklicher Stimme. »Wie kannst du es wagen, dich einer Frau zu nähern, die der Vater der Therns für sich gewählt hat? Einer Frau, die selbst für den Jeddak der Jeddaks nicht zu niedrig wäre?«
Nun wandte sich der schwarzbärtige Tyrann um und warf Dejah Thoris einen gierigen Blick zu, als wäre durch seine eigenen Worte ein ganz neues Begehren in ihm entzündet worden.
Thurid setzte schon zu einer Antwort an, grinste boshaft und deutete mit dem Finger auf mich, als es ihm vor der Miene Salensus Olls die Stimme verschlug.
Plötzlich war ein kriecherischer Ausdruck in seinen Augen, und dann las ich ihm deutlich vom Gesicht ab, daß seine Worte nicht die waren, die er ursprünglich hatte sagen wollen.
»O mächtigster der Jeddaks, der Mann und diese Frau sprechen nicht die Wahrheit! Der Bursche war in den Garten gekommen, weil er den beiden Frauen zur Flucht verhelfen wollte. Ich war hinter der Mauer und hörte alles mit an. Als ich durch diese Tür hier eintrat, schrie die Frau, und der Mann sprang mich an und hätte mich fast getötet. Was weißt du von diesem Mann? Er ist ein Fremder für dich, und ich will dir sagen, daß er ein Feind und ein Spion ist. Stelle ihn doch vor Gericht, Salensus Oll. Das wäre besser, als deinem Freund und Gast Thurid, Dator der Erstgeborenen, Unrecht zu tun!«
Salensus sah ziemlich verwirrt drein. Dann schaute er Dejah Thoris an. und nun trat Thurid nahe an ihn heran und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Was es war, konnte ich nicht verstehen.
Der Gelbe Herrscher wandte sich an einen seiner Offiziere.
»Sieh zu, daß dieser Mann in sicheren Gewahrsam genommen wird, bis wir uns näher mit dieser Angelegenheit befassen können. Und da Fenstergitter allein nicht zu genügen scheinen, legt ihr ihn zusätzlich noch in Ketten.
Dann verließ er den Garten, nahm Dejah Thoris mit und legte ihr die Hand auf die Schulter. Thurid und Matai Shang gingen ebenfalls, und am Tor drehte sich der Schwarze noch einmal um und lachte mir wieder laut ins Gesicht.
Was konnte er damit meinen? Hatte er meine Identität erraten? Das mußte es wohl gewesen sein, denn ich hatte mich mit dem Trick verraten, der ihm schon einmal zum Verhängnis geworden war. Als die Wächter mich davonzerrten, war mir das Herz schwer wie ein Felsbrocken. Ich war unendlich traurig und verbittert, denn zu den zwei Feinden, die ich von Pol zu Pol gejagt hatte, war noch ein dritter, viel mächtigerer gekommen, und ich wäre ein Narr gewesen, hätte ich nicht bemerkt, daß in der schrecklichen Brust von Salensus Oll, Jeddak der Jeddaks, Herrscher von Okar, ganz plötzlich die Liebe zu Dejah Thoris, meiner geliebten Prinzessin und Gattin, aufgeflammt war.
11. Die Grube des Überflusses
Im Gefängnis von Salensus Oll blieb ich nicht lange. Während der kurzen Zeit, da ich mit goldenen Ketten gefesselt war, überlegte ich mir oft, was aus Thuvan Dihn, Jeddak von Ptarth, geworden sein mochte.
Mein tapferer Gefährte war mir in den Garten gefolgt, als ich Thurid angriff, und als Salensus Oll zusammen mit Dejah Thoris und den anderen zurückgegangen war, hatte man Thuvan von Ptarth offensichtlich unbemerkt zurückgelassen, er sah ja den Wächtern ähnlich. Zuletzt hatte ich ihn gesehen, als er darauf wartete, daß die Krieger, die hinter mir die Tür schlössen, endlich verschwanden, damit er mit Thuvia allein sein konnte. War es möglich, daß die beiden entkommen waren? Ich bezweifelte es, und doch hoffte ich aus tiefstem Herzen, es möge wahr sein.
Am dritten Tag meiner Gefangenschaft erschienen zwölf Krieger, die mich zum Audienzsaal brachten, wo Salensus Oll persönlich mich prüfen und über mich richten sollte. Viele Edle drängten sich im Raum zusammen, und unter ihnen sah ich Thurid, doch Matai Shang war nicht anwesend.
Dejah Thoris war so unfaßbar schön wie immer und saß auf einem kleinen Thron neben Salensus Oll, doch ihr Gesicht drückte traurige Hoffnungslosigkeit aus, die mir ins Herz schnitt.
Daß sie neben dem Jeddak der Jeddaks saß, war für uns beide ein schlechtes Vorzeichen; in dem Augenblick, da ich sie dort sah, faßte ich auch schon den festen Entschluß, diesen Raum nicht lebend zu verlassen, wenn ich sie nicht aus den Klauen dieses mächtigen Tyrannen befreien konnte.
Ich hatte schon bessere Männer als Salensus Oll getötet, und das sogar mit meinen bloßen Händen; jetzt schwor ich mir, ihn zu töten, wenn das die einzige Möglichkeit wäre, meine Prinzessin vor ihm zu retten. Natürlich bedeutete das den sofortigen Tod für mich. Schlimmer als dieses war jedoch der Gedanke, daß ich niemals mehr eine schützende Hand über Dejah Thoris halten konnte, und allein aus diesem Grund war ich bereit, einen anderen Weg zu wählen, so sich mir einer anbieten sollte. Tötete ich Salensus Oll, dann hieße das noch lange nicht, daß meine geliebte Gattin auch zu ihrem Volk zurückkehren durfte. Ich beschloß als doch den Ausgang dieser Prüfung abzuwarten, so daß ich die Absichten des Herrschers besser beurteilen und meine künftigen Taten danach ausrichten konnte. Kaum hatte man mich vor Salensus Oll gebracht, als er auch schon Thurid aufrief.
»Dator Thurid«, sagte er, »du hast ein merkwürdiges Verlangen an mich gestellt. Da du aber bestimmt versprochen hast, das Ergebnis würde ausschließlich meinen Interessen und Wünschen dienen, bin ich bereit, deiner Bitte zu entsprechen.