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Der alte Mann zögerte. Ein Ausdruck von Gier und Verachtung prägte seine nicht allzu schönen Züge. »Verdopple die Zahl«, antwortete er. »Und sogar der Betrag ist noch viel zu niedrig für den Dienst, den ich dir erweisen soll. Ich riskiere mein Leben ja schon allein dadurch, daß ich mich hier in den geheimen Räumen meiner Station mit dir unterhalte. Erführe Salensus Oll davon, dann würde er mich den Apts vorwerfen, ehe noch der Tag zur Neige geht.«

»Das wird er nicht wagen, Solan, und das weißt du auch recht genau«, widersprach ihm der Schwarze. »Deine Macht über Leben und Tod des Volkes von Kadabra ist viel zu groß, als daß Salensus Oll auch nur das Risiko eingehen könnte, dir den Tod anzudrohen. Ehe seine Schergen Hand an dich legen könnten, brauchst du ja nur den Hebel herunterzudrücken, den du mir eben gezeigt und vor dem du mich gewarnt hast. Mit einem Druck deiner Hand würdest du eine ganze Stadt ausradieren.«

»Und um meinen Kopf geht es«, sagte Solan und schüttelte sich.

»Wenn du sowieso sterben müßtest, hättest du auch den Mut, es zu tun«, erwiderte Thurid.

»Ja«, murmelte Solan. »Oft habe ich schon mit diesem Gedanken gespielt. Nun, Erstgeborener, ist diese Rote Prinzessin überhaupt den Preis wert, den ich für meine Dienste verlange? Oder willst du von hier weggehen und sie morgen abend in den Armen von Salensus Oll wissen?«

»Nun, Gelber, du sollst das bekommen, was du verlangst. Die Hälfte jetzt, die andere Hälfte dann, wenn du deinen Kontrakt erfüllt hast.«

Damit und mit einem Fluch warf er einen gut gefüllten Geldbeutel auf den Tisch.

Solan zog die Schnur des Beutels auf und zählte mit zitternden Fingern dessen Inhalt. Seine merkwürdigen Augen wurden noch gieriger, und sein struppiger Kinn- und Schnurrbart hüpfte bei jeder Mundbewegung mit. Thurid schien die Schwäche dieses kleinen Mannes genau erraten zu haben, denn selbst die Handbewegungen

- seine Finger sahen wie Klauen aus – drückten die unendliche Habgier des Alten aus.

Als Solan das Geld gezählt und festgestellt hatte, daß die Summe stimmte, strich er alles wieder in den Beutel und stand auf.

»Nun, bist du ganz sicher, daß du den Weg zu deinem Ziel kennst?« fragte er. »Du mußt dich sehr beeilen, um zu der Höhle zu kommen und von dort aus über die Große Macht. Und das alles innerhalb einer kurzen Stunde. Mehr kann ich dir nicht zugestehen.«

»Ich will es wiederholen«, schlug Thurid vor, »damit du siehst, wie genau ich alles weiß.«

»Dann fang an.«

»Durch jene Tür«, begann er und deutete auf ein Tor am anderen Ende des großen Raumes, »dann folge ich einem Korridor und gehe an drei davon rechts abzweigenden Korridoren vorbei. Im vierten gehe ich solange geradeaus weiter, bis ich dorthin komme, wo drei Gänge aufeinander treffen. Hier folge ich wieder dem rechten, halte mich aber sehr eng an die linke Wand, um nicht in die Grube zu fallen. Am Ende des Korridors komme ich zu einem Spiralgang, auf dem ich nach unten gehe, nicht nach oben. Dann führt der Weg weiter über einen Korridor ohne Abzweigungen. Ist das so richtig?«

»Genau richtig, Dator«, bestätigte Solan. »Und jetzt verschwinde. Du hast das Schicksal schon allzu sehr herausgefordert, da du so lange an diesem verbotenen Ort gewesen bist.«

»Heute abend oder morgen kannst du also das Signal erwarten«, sagte Thurid und erhob sich, um zu gehen.

»Heute abend oder morgen«, wiederholte Solan, und als sich die Tür hinter seinem Gast geschlossen hatte, murmelte der alte Mann noch lange vor sich hin. Er wandte sich dem Tisch zu, auf den er wieder den Inhalt des Beutels leerte, und dann wühlten seine Finger in dem Haufen glänzenden Metalls; er machte kleine Türme aus den Münzen, zählte sie, zählte sie noch einmal und streichelte zärtlich seinen Reichtum. Und dabei murmelte er ununterbrochen.

Und dann hörte er auf einmal mit seinem Spiel auf. Die Augen wurden noch größer und drohten ihm aus dem Kopf zu fallen, als er zu jener Tür hinschaute, durch die Thurid verschwunden war. Der alte Mann schimpfte streitsüchtig vor sich hin, und dann knurrte er böse. Schließlich stand er vom Tisch auf, schüttelte seine Faust zur geschlossenen Tür und rief nun so laut, daß ich jedes einzelne Wort klar verstehen konnte: »Du Narr! Du erbärmlicher Narr! Glaubst du vielleicht, deines Glückes wegen würde Solan sein Leben opfern? Wenn du entkommst, dann weiß Salensus Oll, daß du das nur mit meiner Hilfe konntest. Und dann schickt er nach mir. Und was wolltest du von mir? Ich soll die ganze Stadt und mich selbst zu Asche verbrennen? Nein, mein Freund, du elender Narr, es gibt eine viel bessere Möglichkeit – die nämlich, daß Solan das Geld hier behalten und sich gleichzeitig an Salensus Oll rächen kann.« Und dazu lachte er boshaft und keckernd.

»Du armer Narr! Du kannst ruhig den großen Schalter herumwerfen, der dich frei macht von der Luft von Okar. Und dann gehst du mit der Roten Prinzessin in eine trügerische Sicherheit – in die des Todes. Wenn du auf deiner Flucht über diesen Raum hinausgekommen bist, was kann Solan davon abhalten, den Schalter wieder so zu stellen, wie er war, ehe deine gemeine Hand in berührt hat? Nichts! Und dann wird der Wächter des Nordens dich und die Frau sehen und melden, und wenn Salensus Oll eure toten Leiber sieht, wird er nicht im Traum daran denken, daß Solan damit etwas zu tun hatte.«

Schließlich murmelte er wieder leise vor sich hin; vieles verstand ich nicht, und andere Dinge lassen sich nicht wiedergeben. Jedenfalls konnte ich mir jetzt eine ganze Menge zusammenreimen, und ich dankte der gütigen Vorsehung, die mich zur richtigen Zeit in diesen Raum geführt hatte, weil sie so ungeheuer wichtig war für Dejah Thoris und mich selbst.

Aber wie sollte ich nun an dem alten Mann vorbeikommen? Das dünne Seil war auf dem Boden nahezu unsichtbar, aber es lief quer durch den ganzen Raum bis zu einer Tür an der anderen Seite. Da es keine andere Möglichkeit gab, mußte ich es wagen, denn der Anweisung ›folge dem Seil‹ mußte ich ja gehorchen, wenn ich die Freiheit gewinnen wollte. Doch wie sollte ich von dem alten Mann unentdeckt quer durch dieses riesige Zimmer kommen?

Selbstverständlich hätte ich ihn anspringen und mit bloßen Händen für immer zum Schweigen bringen können, aber ich hatte genug mit angehört, um diese Möglichkeit erst gar nicht ins Auge zu fassen. Ich war, ganz im Gegenteil, davon überzeugt, daß er mir lebend wesentlich mehr nützen konnte, denn tötete ich ihn und trat ein anderer an seine Stelle, dann käme Thurid ganz gewiß nicht mit Dejah Thoris hierher, wie es doch anscheinend seine Absicht war.

Da stand ich nun im Schatten des dunklen Tunnelmundes und zermarterte mir das Gehirn nach einem Plan, der sich auch ausführen ließe, und sah dem alten Mann zu – wie eine Katze, die vor dem Mauseloch auf der Lauer liegt –, wie er den Geldbeutel nahm, zum anderen, entfernten Ende des Raumes ging, niederkniete und an einem Brett der Wandverkleidung herumfummelte.

Hier hatte er also sein Versteck! Und während er, den Rücken mir zugewandt, in seinen Reichtümern wühlte, schlich ich auf Zehenspitzen quer durch das Zimmer, immer dem Seil nach.

Dreißig Schritte waren es etwa, aber in meiner von der Spannung überzogenen Fantasie schien die Wand Meilen weg zu sein. Doch schließlich erreichte ich sie, hatte aber auch nicht für einen Moment den Rücken des habgierigen Alten aus den Augen gelassen. Er richtete sich erst auf, als meine Hand auf der Türklinke lag, und dann drehte er sich sogar von mir weg, als ich durch den Türspalt schlüpfte und leise wieder zumachte.

Da blieb ich nun für ein paar Augenblicke stehen und atmete erst einmal tief durch. Dann legte ich mein Ohr an die Türfüllung, um zu erraten, ob er etwas bemerkt hatte, aber es war nichts Verdächtiges von drinnen zu hören, das auf Mißtrauen und Verfolgung hätte schließen lassen. Ich folgte nun weiter dem Seil, das ich im Weitergehen aufwickelte und mitnahm.

Ein kleines Stück weiter kam ich zum Ende des Seils, und zwar ausgerechnet an einer Stelle, an der fünf Korridore gleichzeitig einmündeten. Was sollte ich nun tun? Welchen der fünf Gänge sollte ich wählen? Ich war ratlos.