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Als ich das so dachte, sah ich nur eine einzige Möglichkeit und einen einzigen Mann, der den Erfolg meiner Hoffnungen sichern konnte. Auch in diesem Fall handelte ich so wie immer – ohne lange zu überlegen und ohne Rat einzuholen.

Jene, die mich, meine Pläne und meine Art zu handeln nicht mögen, haben immer Schwerter an ihrer Seite, mit denen sie ihre Mißbilligung nachdrücklich bekunden können. Jetzt wurde aber keine Stimme laut, die Einspruch erhoben hätte, als ich Talus Arm nahm und ihn zum Thron zog, der einmal Salensus Oll gehört hatte.

»Krieger von Barsoom!« rief ich. »Kadabra ist gefallen und mit der Stadt der gehaßte Tyrann des Nordens. Aber Okars Integrität muß erhalten bleiben. Der Rote Krieger wird von roten Jeddaks beherrscht, der Grüne erkennt keinen anderen an als einen Mann aus seiner Mitte, die Erstgeborenen des Südpols erkennen das Gesetz an, das ihnen der Schwarze Xodar gibt. Es läge nicht im Interesse der Roten oder Gelben, wenn auf dem Thron von Okar ein anderer säße als ein Gelber.

Nur einen Krieger gibt es, der alle Gaben hat, die dem alten, mächtigen Titel Jeddak der Jeddaks des Nordens zustehen. Männer von Okar, erhebt eure Schwerter zum Gruß für euren neuen Herrscher

- Talu, der Rebellenprinz von Marentina lebe hoch!«

Ein Freudenschrei erhob sich unter den freien Männern von Marentina und den Gefangenen von Kadabra, denn alle hatten geglaubt, die Roten, die das Land mit Waffengewalt besetzt hatten, würden nun auch in Zukunft die Herrschaft ausüben wollen.

Die kriegerischen Sieger, die Carthoris in den Norden gefolgt waren, fielen in diese Demonstration der Freude ein, und ich benützte den Tumult und das allgemeine Freudengeschrei, um mich mit Dejah Thoris in den großartigen Garten zurückzuziehen, den einer der Jeddaks in einem Palasthof von Kadabra angelegt hatte. Wula wich nicht mehr von unseren Fersen, und als wir uns auf einer kunstvoll geschnitzten Bank niederließen, die unter einem prachtvollen Busch mit purpurnen Blüten stand. Und da sahen wir dann auch die beiden an uns vorbeigehen, die unmittelbar nach uns den Saal verlassen haben mußten – Thuvia von Ptarth und Carthoris von Helium.

Der schöne Kopf unseres Sohnes neigte sich über das liebliche Gesicht seiner Begleiterin. Ich sah Dejah Thoris an, die mich lächelnd an sich zog. »Warum nicht?« flüsterte sie mir ins Ohr. In der Tat, warum nicht? Was sagt ein Altersunterschied von ein paar Jahren in dieser Welt ewiger Jugend?

Wir blieben als Talus Gäste in Kadabra, bis er mit allen Zeremonien in sein hohes Amt eingeführt worden war. Dann bestiegen wir die mächtigen Schiffe, die ich glücklicherweise vor der Zerstörung hatte retten können, und segelten über die Eisbarriere nach Süden. Zuvor hatten wir aber noch die völlige Zerstörung des grimmigen Wächters des Nordens überwacht, denn dazu hatte der neue Jeddak der Jeddaks den Befehl gegeben.

»In Zukunft steht es der Flotte der Roten und der Schwarzen Krieger frei zu kommen und zu gehen, wie sie will, so als sei sie in ihrem eigenen Land.

Die Höhlen von Carrion werden gesäubert, damit die Grünen einen leichten Weg finden, die Gelben zu besuchen, und die Jagd auf den geheiligten Apt sei in Zukunft der Sport meiner Edlen, bis keines dieser furchtbaren Tiere mehr den Norden unsicher macht.«

Dann schieden wir voll Bedauern von unseren neuen Freunden und nahmen Kurs auf Ptarth. Dort blieben wir einen Monat lang als Gäste von Thuvan Dihn, und wäre Carthoris nicht der Prinz von Helium gewesen, dann wäre er wohl am liebsten ganz geblieben. Über den riesigen Forsten von Kaol schwebten wir mit unseren Schiffen, bis ein Wort von Kulan Tith uns zu seinem Landeturm brachte, wo unsere Schiffe einen ganzen Tag und eine halbe Nacht lang ihre Mannschaften ausluden. Wir besuchten natürlich auch die Stadt Kaol, um die neuen Bande zwischen Kaol und Helium zu festigen, und wenig später erblickten wir von weitem die hohen, schlanken Türme der Zwillingsstädte von Helium. Dieser Tag ist unauslöschlich in unser Gedächtnis eingegraben.

Das Volk hatte sich schon lange auf unsere Ankunft vorbereitet. Am Himmel schwebten zahllose Flieger, an denen fröhlich die Fähnchen flatterten. Jedes Dach in den beiden Zwillingsstädten war mit kostbaren Seiden und Teppichen belegt.

Dächer, Straßen und Plätze waren mit Gold und Juwelen bestreut. Die beiden Städte funkelten und blitzten, weil jeder Sonnenstrahl von Millionen bunter Steine und poliertem Metall tausendfach reflektiert wurde.

Nach zwölf langen Jahren war endlich die königliche Familie in ihrer eigenen mächtigen Stadt wieder vereint, und Millionen vor Freude fast irrer Menschen drängten sich an den Palasttoren. Frauen und Kinder und sogar kraftvolle Krieger weinten vor Dankbarkeit, weil ihnen das Schicksal ihren geliebten Tardos Mors und die göttliche Prinzessin zurückgegeben hatte, denn beide wurden von der ganzen Nation zutiefst verehrt, Keiner von uns, die jene Expedition voll unglaublicher Gefahren und Triumphe hinter sich hatten, brauchte sich über einen Mangel an Applaus zu beklagen.

Als ich nachts mit Dejah Thoris und Carthoris auf dem Dach meines Stadtpalastes saß, wo wir einen hübschen Garten angelegt hatten, damit wir fern vom Pomp und Zeremoniell des Hofes miteinander glücklich sein konnten, kam ein Bote, der uns aufforderte, zum Tempel der Vergeltung zu kommen, »wo einer heute nacht abgeurteilt werden soll«, wie die Botschaft lautete.

Ich zerbrach mir den Kopf, welch wichtiger Fall anhängen konnte, der die Anwesenheit der königlichen Familie erforderlich machte. Es war ja schließlich unser erster Abend zu Hause nach einer Abwesenheit von vielen Jahren. Aber wenn der Jeddak ruft, muß jeder seiner Aufforderung Folge leisten.

Als unser Schweber die Landebühne auf dem Tempeldach berührte, sahen wir zahllose andere ankommen und wieder abfliegen. In den Straßen unter uns drängten sich gewaltige Menschenmengen den Tempeltoren entgegen. Und da fiel mir schließlich jener unheilvolle Tag ein, da mir Zat Arras nach meiner Rückkehr vom Tal Dor und der Verlorenen See von Korus für diese Sünde den Prozeß gemacht hatte.

War es möglich, daß ein überzogener Gerechtigkeitssinn die Menschen auf dem Mars beherrschte, so daß sie vergaßen, was alles an Gutem aus meiner Häresie für sie entstanden war? Hatten sie vergessen, daß sie in meiner Schuld standen, weil ich sie von den Fesseln dieses schrecklichen Glaubens befreit hatte? Konnten sie wirklich die Tatsache übersehen, daß es mir und mir allein zu verdanken war, wenn sie Carthoris, Dejah Thoris, Mors Kaja und Tardos Mors wieder hatten?

Niemals! Nein, das konnte ich wirklich nicht glauben. Und doch – zu welch anderem Zweck konnten sie mich unmittelbar nach Tardos Mors’ Rückkehr auf seinen Thron in den Tempel rufen? Als ich den Tempel betrat und mich dem Thron der Gerechtigkeit näherte, war meine erste Überraschung die Reihe jener Männer, welche als Richter füngierten. Kulan Tith, Jeddak von Kaol war da, dem wir doch erst vor ein paar Tagen in seinem Palast lebewohl gesagt hatten. Ich sah Thuvan Dihn, Jeddak von Ptarth, und wie kam er so schnell wie wir nach Helium?

Tars Tarkas, Jeddak von Thark und Xodar, Jeddak der Erstgeborenen fehlten nicht, und ich sah auch Talu, Jeddak der Jeddaks des Nordens, und ich hätte doch schwören mögen, daß er noch in seinem von Eis umgebenen Treibhaus jenseits der Eisbarriere war. Unter ihnen saßen Tardos Mors und Mors Kajak und viele kleine Jeds und Jeddaks, und es waren die einunddreißig, die das Gesetz vorschrieb, wenn sie über einen Ihresgleichen zu Gericht saßen.

Es war in der Tat ein königliches Tribunal, und ich garantiere dafür, daß die lange Geschichte des alten, sterbenden Mars eine so glanzvolle Richterschaft noch nie verzeichnet hatte.

Als ich eintrat, schwieg mit einem Schlag das gesamte Auditorium. Dann erhob sich Tardos Mors.

»John Carter«, sagte er mit tiefer, tönender Stimme, »nimm Platz auf dem Podium der Wahrheit, denn ein gerechtes, unparteiisches Tribunal deiner Mitmenschen wird dir den Prozeß machen.«

Mit hocherhobenem Kopf tat ich, wie er mich geheißen hatte, und dann warf ich einen Blick über die Reihen jener Männer, in denen ich noch vor wenigen Minuten meine besten Freunde gesehen hatte. Und jetzt bemerkte ich nicht einen freundlichen Blick; nur strenge, unbestechliche Richter, die ihre Pflicht zu tun hatten, sah ich vor mir. Ein Schreiber stand auf und las aus einem großen Buch eine lange Liste von Taten vor, auf die ich eigentlich stolz gewesen war. Die Liste reichte über zweiundzwanzig Jahre und begann an jenem ersten Tag auf dem Mars, da ich als nackter Fremdling auf dem ockerfarbenen Seeboden neben dem Inkubator der Tharks gestanden hatte. Und er las auch alles vor, was in den Bergen von Otz geschehen war, wo ich gegen die Heiligen Therns und die Erstgeborenen gekämpft hatte. So ist es eben auf Barsoom. Kommt es zu einem Prozeß, dann werden die guten Taten eines Mannes ebenso verlesen wie die bösen, und deshalb überraschte es mich gar nicht, daß alles, was vorgelesen wurde, zu meinen Gunsten war. Diese Liste kannten meine Richter auswendig und sie reichte bis zu diesem Moment.