Es war, solange er dauerte, ein glorreicher Kampf. Mindestens zweimal bewahrte ich mich allein mit meiner wunderbaren irdischen Muskelkraft davor, von einem Schwert durchbohrt zu werden. Immer wieder hatte ich im Laufe meiner vielen Marsjahre festgestellt, wie vorteilhaft für meinen irdischen Körper die geringere Schwerkraft und der niedrigere Luftdruck des Mars waren. Trotzdem bekam ich in dem düsteren Korridor tief unter dem Südpol des Mars einen Vorgeschmack des Todes, denn Lakor spielte einen sehr schmutzigen Trick, den ich in meinem ganzen kämpferischen Leben auf zwei Planeten noch nie gesehen hatte
Der andere Thern hielt mich gerade beschäftigt, da ich ihn zurückdrängen mußte. Ich berührte ihn immer wieder mit meiner Schwertspitze, so daß er aus verschiedenen Wunden blutete, aber keiner meiner Stöße hatte bisher noch seine wundervolle Abwehr durchbrochen, um ihm den Todesstoß versetzen zu können, mit dem ich ihn zu seinen Ahnen versammelt hätte.
In diesem Moment nahm Lakor blitzschnell seinen Gürtel ab, und als ich einen Schritt zurücktrat, um einen Ausfall meines Gegners zu parieren, holte er damit nach meinem linken Fußknöchel aus, so daß sich der Gürtel darum herumwand, und zerrte dann heftig daran. Er riß mich glatt aus dem Stand, und ich fiel auf den Rücken. Mit Panthersprüngen waren sie nun über mir; aber sie hatten Wula vergessen. Ehe mich noch eine Klinge auch nur ritzen konnte, schienen tausend brüllende und röhrende Teufel auf meine Angreifer loszugehen, und mein treuer Marshund war über ihnen.
Man stelle sich, wenn man genügend Fantasie hat, einen riesiger, Grizzlybären mit zehn scharfkralligen Beinen und einem enormen Kopf vor, in dem sich ein froschähnliches Maul, das von einem Ohr zum anderen reicht, öffnet, das drei Reihen weißer, langer, nadelscharfer Reißzähne enthält. Zu diesem schrecklichen Tier denke man sich die Schnelligkeit und Wildheit eines halbverhungerten Bengaltigers und die Kraft eines ganzen Bullengespannes, und dann bekommt man eine andeutungsweise Vorstellung von meinem angreifenden Wula.
Ehe ich ihn noch zurückrufen konnte, hatte er Lakor mit einem einzigen Prankenhieb in eine undefinierbare Masse verwandelt und den anderen Thern buchstäblich in Streifchen gerissen. Als ich jedoch in scharfem Ton mit ihm sprach, duckte er sich, als wisse er, daß er Schelte und vielleicht sogar Strafe verdiene.
In all den langen Jahren hatte ich nie das Herz gehabt, Wula zu bestrafen. An jenem ersten Tag auf dem Mars hatte ihn der grüne Jed der Tharks zu meinem Wächter bestimmt, und ich hatte seine Liebe und Treue dadurch gewonnen, daß ich ihn vor der grausamen Herzlosigkeit seiner früheren Herren beschützte. Ich glaube, er hätte von mir jede, auch die härteste Strafe hingenommen, so sehr hing dieses Tier an mir.
Das Diadem am Goldreif, der die Stirn Lakors schmückte, wies ihn als Heiligen Thern aus, während sein Gefährte, der ohne diesen Schmuck war, zu den niederen Therns gehörte, wenn auch aus seinem Harnisch hervorging, daß er den Neunten Kreis bereits erreicht hatte, also die letzte Stufe vor den Heiligen Therns.
Ich stand eine Weile da und sah auf das grauenhafte von Wula angerichtete Chaos hinunter, und da fiel mir ein, wie ich bei anderer Gelegenheit schon einmal in Perücke, Diadem und Harnisch von Sator Throg, des Heiligen Thern, den Thuvia von Ptarth erschlagen hatte, in feindliches Gebiet vorgedrungen war; ich hielt es auch jetzt für recht wahrscheinlich, daß es nützlich sein könnte, Lakors Ausrüstung zum gleichen Zweck zu benützen.
Einen Augenblick später hatte ich ihm die gelbe Perücke vom Glatzkopf gerissen und mir selbst auf die schwarzen Haare gestülpt, das Diadem aufgesetzt und seinen Harnisch angelegt.
Wula schien meine Verwandlung von Herzen zu mißbilligen. Er schnupperte an mir herum und knurrte gefährlich, doch als ich mit ihm sprach und seinen riesigen Kopf tätschelte, fand er sich mit der Veränderung ab und trottete auf meinen Befehl hin neben mir den Korridor entlang in jene Richtung, die wir bisher eingehalten hatten, bis wir durch das Dazwischentreten der beiden Therns aufgehalten wurden.
Gewarnt von der mitgehörten Unterhaltung bewegten wir uns sehr vorsichtig weiter. Ich ging auf gleicher Höhe mit Wula, damit all unsere Augen uns dazu dienen konnten, jede plötzlich auftretende Drohung sofort zu erkennen, und es war recht gut, daß wir vorgewarnt waren.
Am Fuß einer schmalen, steilen Treppe machte der Gang eine scharfe Biegung, dann noch eine, so daß er schließlich wieder in der alten Richtung weiterlief, nachdem er ein vollkommenes S beschrieben hatte, dessen oberes Bein in eine große, dürftig beleuchtete Kammer führte, deren Boden völlig mit giftigen Schlangen und abscheulichen Reptilien bedeckt war.
Ein Versuch, über diesen Boden zu gehen, wäre dem sofortigen Tod gleichgekommen, und ich war erst einmal gründlich entmutigt. Dann fiel mir ein, daß ja Thurid und Matai Shang mit ihrer Gruppe auch diesen Raum durchquert haben mußten, also mußte es einen ungefährlicheren Weg geben.
Es war ein ungeheuerer Glücksfall gewesen, daß ich wenigstens einen Teil der Unterhaltung dieser beiden Therns mitgehört hatte, denn sonst wäre ich mit Wula mindestens ein paar Schritte in diesen Raum hineingestolpert – in eine sich windende Masse der Zerstörung
-, und das hätte durchaus genügt, unser Verhängnis zu besiegeln. Das waren die einzigen Reptilien, die ich jemals auf Barsoom gesehen habe, aber ich wußte aus der Ähnlichkeit mit versteinerten und wahrscheinlich längst ausgerotteten Tieren, die ich in den Museen von Helium gesehen hatte, daß es viele prähistorische Reptilien gegeben haben mußte, von denen die meisten vermutlich noch nicht einmal entdeckt waren.
Noch nie hatte ich eine häßlichere und gefährlichere Ansammlung scheußlicher Untiere gesehen als die, welche sich nun meinen Augen darbot. Sie lassen sich einem Erdenmenschen nicht beschreiben, denn es ist nur die Substanz, die sie mit den bei uns zu irgendeiner Zeit einmal heimisch gewesenen Rassen gemeinsam hatten. Selbst ihr Gift ist von einer Wirksamkeit, die jede irdische Giftigkeit übertrifft und eine Kobra vergleichsweise so harmlos erscheinen läßt wie eine Ringelnatter.
Als sie mich sahen, schlängelten sich die Tiere sofort der Tür entgegen, neben der ich stand, doch eine Reihe von Radiumbirnen, die an der Schwelle ihrer Kammer angebracht waren, bot ihnen Einhalt.
Diese Lichtlinie durften sie anscheinend nicht überschreiten. Wenn ich auch nicht gewußt hatte, was sie aufhalten könnte, so war ich doch irgendwie sicher gewesen, daß sie den Raum nicht verlassen würden. Die einfache Tatsache, daß wir im Korridor keinem Reptil begegnet waren, gab mir die Gewißheit, daß sie sich dort nicht herumtrieben.
Ich rief Wula zu mir, damit ihm nichts zustoßen konnte, und dann suchte ich sorgfältig mit den Augen die ganze Reptilienkammer ab, soweit ich von meinem Platz an der Tür sehen konnte. Als sich meine Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten, bemerkte ich am anderen Ende der Kammer eine niedere Galerie, von der ausgehend sich verschiedene Ausgänge öffneten.
Dieser Galerie folgte ich nun genau mit den Augen und entdeckte, daß sie vermutlich um den ganzen Raum herumlief. Nun schaute ich ein wenig höher und sah zu meiner freudigen Überraschung, daß ein Ende der Galerie in etwa Fußhöhe über meinem Kopf bis zur Tür lief, unter der ich stand. Im nächsten Augenblick war ich auch schon hinaufgesprungen, und dann rief ich Wula, daß er mir folgen solle. Hier gab es keine Reptilien, und der Weg zur anderen Seite der scheußlichen Kammer war frei und sicher. Wenig später ließ ich mich zusammen mit Wula in den Korridor hinunterfallen.
Nach zehn Minuten erreichten wir einen riesigen runden Raum aus weißem Marmor, dessen Wände mit den seltsamen goldenen Schriftzeichen der Erstgeborenen geschmückt waren. Dieser Raum hatte eine unendlich hohe Kuppel, und von dieser führte eine wuchtige runde Säule bis zum Boden. Als ich sie beobachtete, entdeckte ich, daß sie sich ganz langsam drehte.