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Ich hatte den Fuß des Sonnentempels erreicht!

Irgendwo über mir lag Dejah Thoris, und bei ihr waren Phaidor, die Tochter von Matai Shang, und Thuvia von Ptarth. Wie ich sie aber jetzt, da ich die einzige verletzliche Stelle in ihrem mächtigen Gefängnis gefunden hatte, erreichen konnte, war noch immer ein verwirrendes Geheimnis für mich.

Langsam umkreiste ich den riesigen runden Schaft und untersuchte ihn, soweit ich sehen konnte, nach einer Möglichkeit, in ihn einzudrin.gen. Als ich ein Stück herumgegangen war, fand ich eine winzige Radiumtaschenlampe, die ich selbstverständlich neugierig prüfte, denn an diesem unzugänglichen und größtenteils unbekannten Fleck hatte sie etwas zu bedeuten. Und da fand ich im Gehäuse die Insignien des Hauses Thurid in winzigen bunten Juwelen.

Also war ich auf dem richtigen Pfad. Ich ließ das hübsche Spielzeug In meine Gürteltasche gleiten und setzte meine Suche nach einem Eingang fort. Einen solchen Zugang mußte es ja irgendwo geben, und ich brauchte auch nicht sehr lange zu suchen. Wenige Minuten später fand ich eine kleine Tür, die so präzis und kunstvoll in den Säulenschaft eingelassen war, daß nur ein sehr sorgfältiger und gewitzter Beobachter sie entdecken konnte.

Da war nun also die Tür, die mich in jenes Gefängnis hineinführen konnte; aber wie war sie zu öffnen? Nirgends sah ich ein Schloß oder einen Knopf. Immer wieder musterte ich voll größter Sorgfalt die ganze Oberfläche der Tür, doch alles, was ich fand, war ein winziges Loch von der Größe eines Stecknadelkopfes, das vom Mittelpunkt der Tür leicht nach oben rechts versetzt war. Dieses winzige Loch konnte aber durchaus ein Material- oder Fertigungsfehler sein. Ich versuchte durch diese Öffnung zu spähen, aber ich konnte nicht einmal feststellen, ob sie nur einen Fingerbreit tief war oder durch die ganze Türdicke lief; jedenfalls sah ich kein Licht. Ich legte mein Ohr daran und lauschte, aber ich hörte auch nichts.

Wula stand immer neben mir und ließ den Blick nicht von der winzigen Öffnung. Als ich ihn anschaute, fiel mir ein, daß ich ja einmal die Richtigkeit meiner Hypothese prüfen könnte, nach der diese Tür der Tempelzugang war, den Thurid, der schwarze Prinz, und Matai Shang, Vater der Therns, benützt hatten.

Ich wandte mich ab und befahl Wula, mir zu folgen. Er zögerte einen Moment, sprang hinter mir drein, winselte aber und zerrte mich am Harnisch zurück. Ich ging jedoch noch ein Stück weiter, ehe ich seinem flehenden Winseln gehorchte und umkehrte, um zu sehen, was er nun tat. Ich wollte mich wirklich von ihm führen lassen. Er zog mich auch richtig zu dieser Tür zurück, starrte den blanken Stein an und winselte. Eine Stunde lang versuchte ich das Geheimnis dieser Tür zu lösen und eine Kombination zu finden, die sie öffnen würde.

Ich ließ mir alles genau durch den Kopf gehen, was seit der Zeit geschehen war, da ich Thurid verfolgte, und ich kam zu einem Schluß, der sich mit meinem ursprünglichen Glauben deckte – daß Thurid nur mittels eigenen Wissens und ohne Hilfsmittel durch jene Tür gegangen war, die mir den Weiterweg versperrte, daß ihm auch von innen her niemand geholfen hatte. Aber wie hatte er das zustande gebracht?

Wie war es doch damals gewesen, als ich Thuvia von Ptarth im Raum der Geheimnisse in den Goldenen Klippen befreit hatte? Sie hatte vom Schlüsselbund des Gefängniswärters einen nadeldünnen Schlüssel genommen, um jene Tür aufzusperren, die zu Tars Tarkas führte, der mit den großen Banths um sein Leben kämpfte. Auch diese andere Tür hatte ein so winziges Schlüsselloch gehabt. Eiligst leerte ich den Inhalt meiner Gürteltasche auf den Boden. Fand ich wenigstens ein kleines Stückchen dünnen Stahls, dann konnte ich daraus einen Schlüssel fertigen, der mir Zugang zum Tempelgefängnis verschaffte.

In der Tasche eines Marskriegers findet sich immer ein Sammelsurium der verschiedensten Dinge, so auch in meiner. Als ich den ganzen Kram musterte, sprang mir direkt die kleine Taschenlampe des schwarzen Prinzen ins Auge.

Und da fiel mein Blick auf ein paar merkwürdige Zeichen, die erst vor kurzer Zeit in das weiche Gold des Gehäuses eingekratzt worden sein mußten. Meine angeborene Neugier veranlaßte mich, ihre Entzifferung zu versuchen, aber was ich las, hatte im Moment keine unmittelbare Bedeutung für mich. Diese Zeichen sahen wie folgt aus:

3 / – / 50 T

1 / – / 1 X

9 / – / 25 T

Für einen Augenblick war meine Neugier zwar herausgefordert, doch dann legte ich die Taschenlampe wieder in meine Tasche zurück. Ich hatte sie noch nicht richtig losgelassen, als die Erinnerung an eine Unterhaltung zwischen Lakor und seinem Gefährten blitzhaft mein Gedächtnis erhellte. Der niedere Thern hatte Thurids Worte zitiert und keinen Sinn dahinter gefunden:

›Laßt das Licht scheinen mit der Kraft von drei Radiumeinheiten für fünfzig Tals, und für ein Xat laßt es scheinen mit der Kraft einer Radiumeinheit, dann für fünfundzwanzig Tals mit neun Einheiten. Ja, das war also nun die erste Zeile vom Taschenlampengehäuse, und das waren die drei Radiumeinheiten für 50 Tals; folgerichtig mußte die zweite Zeile l Radiumeinheit für 1 Xat bedeuten, die dritte 9 Einheiten für 25 Tals.

Die Formel war vollständig. Aber was hatte sie zu bedeuten? Ich glaubte es zu wissen und nahm aus meiner Tasche das starke Vergrößerungsglas heraus, das mir so oft schon ausgezeichnete Dienste getan hatte. Damit untersuchte ich sorgfältig den Marmor in der unmittelbaren Umgebung des winzigen Loches in der Tür. Und nun hätte ich vor Erregung am liebsten laut geschrien, denn meine Untersuchung ergab fast unsichtbare Partikel karbonisierter Elektronen, die von diesen marsischen Radiumlampen gestreut werden. Seit undenklichen Zeiten mußten also an dieses Loch Radiumlampen gehalten worden sein. Wegen des Zweckes gab es nur eine einzige Antwort – der Mechanismus des Schlosses wurde von den Lichtstrahlen aktiviert, und ich, John Carter, Prinz von Helium, hatte die Zahlenkombination dafür in meiner Hand, von meinem Feind in das Gehäuse seiner Taschenlampe gekratzt.

In einem zylindrischen goldenen Armreif hatte ich meinen Barsoom-Chronometer bei mir, ein delikates Instrument, das die Tals, Xats und Zodes der Marszeit mit ungeheurer Präzision angibt. Die Zahlen werden unter einem starken Kristallglas sichtbar nach der Art eines irdischen Wegmessers.

Ich hielt also die Taschenlampe an die Öffnung, regulierte die Strahlungsstärke durch einen Druck auf den Schaltknopf an der Seite des Gehäuses und sah gleichzeitig auf meinen Chronometer.

Fünfzig Tals lang ließ ich drei Radiumeinheiten in das winzige Loch fallen, eine Einheit für ein Xat, dann neun Einheiten für fünfundzwanzig Tals. Diese letzten fünfundzwanzig Tals waren die längsten fünfundzwanzig Sekunden meines Lebens. Würde nach der mir so unendlich lang erscheinenden Zeit das Schloß wirklich klicken? Dreiundzwanzig... Vierundzwanzig... Fünfundzwanzig...

Ich ließ den Knopf zurückschnappen, das Licht war abgeschaltet. Sieben Tals lang wartete ich. Die Prozedur schien keinen Eindruck auf den Mechanismus des Schlosses gemacht zu haben. Konnte es wirklich sein, daß meine Theorie grundfalsch war?

Halt! Rief diese nervöse Anspannung Halluzinationen hervor? Oder hatte sich die Tür wirklich eine Spur bewegt? Langsam, ganz langsam, sank der massive Stein geräuschlos in die Wand. Es war also keine Halluzination.

Etwa drei Meter breit glitt der Stein zurück, und dann lag ein schmaler Durchgang vor mir, der in einen dunklen, schmalen Korridor führte, welcher parallel zur Außenwand verlief. Dieser Durchgang hatte sich kaum gezeigt, als ich auch zusammen mit Wula schon im Korridor stand. Dann schob sich die Tür lautlos wieder zu. In einiger Entfernung bemerkte ich einen schwachen Lichtschimmer, und dorthin machten wir uns auf. Dort, wo das Licht schien, befand sich eine scharfe Biegung und in einiger Entfernung dahinter eine strahlend hell erleuchtete Kammer.

Und hier entdeckten wir eine Wendeltreppe, die vom Mittelpunkt des Raumes nach oben führte.

Sofort wurde ich mir darüber klar, daß wir den Mittelpunkt des untersten Stockwerkes vom Sonnentempel erreicht hatten. Die Wendeltreppe führte an den Innenwänden zu den Kerkerzellen hinauf. Irgendwo über mir war Dejah Thoris, falls es Thurid und Matai Shang noch nicht gelungen war, sie zu entführen.