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Kaum hatten wir die ersten Stufen der Treppe hinter uns, als Wula plötzlich von größter Erregung gepackt wurde. Er sprang ständig vor und zurück, schnappte nach meinen Beinen und meinem Harnisch, bis ich glaubte, er müsse verrückt geworden sein. Ich stieß ihn also zurück und versuchte erneut hinaufzusteigen, aber nun schnappte er nach meinem Schwertarm und zog mich mit aller Kraft zurück. Wula war mit Schelte und Schmeichelei nicht zu bewegen, mich loszulassen, und ich war ganz und gar seiner brutalen Kraft ausgeliefert; trotzdem dachte ich natürlich nicht daran, mit meiner linken Hand den Dolch zu zücken, denn ich hatte einfach nicht das Herz, den Stahl in dieses treue Herz zu stoßen.

Er zog mich also wieder in die Kammer hinunter und quer durch zu der Stelle, die der Tür, durch die wir gekommen waren, gegenüber lag. Von hier aus gelangten wir wieder in einen Korridor, der sehr steil nach unten lief. Ohne zu zögern zerrte mich Wula durch diesen Felsgang vorwärts.

Nach einer Weile blieb er stehen und ließ mich los. Er pflanzte sich zwischen mir und dem Weg auf, den wir gekommen waren und sah zu mir auf, als wolle er fragen, ob ich bereit sei, ihm freiwillig zu folgen, oder ob er wieder Gewalt anwenden müsse.

Ich musterte ein wenig verlegen die Spuren seiner scharfen Zähne auf meinem nackten Arm und beschloß, ihm zu Willen zu sein. Schließlich hatte ja sein scharfer Instinkt bisher immer zuverlässiger gearbeitet als mein fehlerhaftes menschliches Urteil.

Und es war gut so, daß ich ihm folgte. In kurzer Entfernung von dem runden Raum kamen wir in ein strahlend hell erleuchtetes Labyrinth aus Gängen, die mit Kristallglas belegt und voneinander getrennt waren.

Erst glaubte ich, es sei ein einziger riesiger Raum, so klar und makellos durchsichtig waren die Wände der gewundenen Korridore, aber als ich mir ein paarmal fast den Kopf an den Kristallglaswänden eingerannt hatte, durch die ich versehentlich zu gehen versucht hatte, gab ich wesentlich besser acht.

Wir waren erst wenige Meter durch diesen seltsamen Korridor weitergekommen, als Wula schrecklich zu röhren anfing, und gleichzeitig rannte er gegen eine durchsichtige Trennwand zu unserer Linken an.

Die schauerlichen Echos dieses Röhrens hallten noch immer durch diese unterirdischen Räume, als ich das sah, was mein treues Tier so erregt hatte.

Weit vor uns und fast bis zur Unkenntlichkeit von den vielen einander überlagernden Kristallscheiben verzerrt, so daß sie wie in einem geisterhaften Nebel aussahen, entdeckte ich die Gestalten von acht Leuten – drei Frauen und fünf Männern.

Offensichtlich von Wulas Gebrüll aufgeschreckt, sahen sich die Leute um. Und plötzlich streckte mir eine der Frauen die Arme entgegen, und selbst auf diese große Entfernung hin konnte ich sehen, daß sich ihre Lippen bewegten – es war Dejah Thoris, meine schöne, ewig junge Prinzessin von Helium.

Bei ihr waren Thuvia von Ptarth, Phaidor, Tochter von Matai Shang, er selbst, Thurid und die drei niederen Therns, die sie begleitet hatten. Thurid schüttelte die Faust in meine Richtung, und dann ergriffen zwei der Therns Dejah Thoris und Thuvia grob bei den Armen und zerrten sie mit. Einen Moment später waren sie in einen steinernen Korridor jenseits des Glaslabyrinths verschwunden.

Man sagt, Liebe sei blind; aber eine so große Liebe wie die von Dejah Thoris, die mich selbst in der Thernmaskerade, die ich trug, und durch die verzerrenden Glaswände hindurch erkannte, muß weit davon entfernt sein, blind zu sein.

4. Der geheime Turm

Ich habe keine Lust, die eintönigen Ereignisse der folgenden schweren Tage zu schildern, die Wula und ich damit zubrachten, durch das Glaslabyrinth, durch dunkle, verzweigte Korridore unter dem Tal Dor und den Goldenen Klippen zu wandern, um schließlich auf einer Flanke der Berge von Otz über dem Tal der Verlorenen Seelen wieder herauszukommen. Dieses erbarmenswürdige Tal der Verlorenen Seelen ist das schreckliche Fegefeuer jener armen Unglücklichen, die es nicht wagen, ihre Pilgerfahrt in das Tal Dor fortzusetzen, noch weniger aber in ihre Heimat in der Außenwelt zurückzukehren, aus der sie kamen.

Die Spur von Dejah Thoris’ Entführern folgte im wesentlichen dem Fuß der Berge, führte über steile, zerklüftete Rinnen und abweisende Hänge, manchmal auch in das Tal hinaus, wo die Mitglieder der verschiedenen Stämme, welche dieses Tal der Hoffnungslosigkeit bevölkern, in dauerndem Streit liegen.

Schließlich kamen wir zu einer Stelle, wo der Weg in eine enge Schlucht führte, die mit jedem Schritt steiler und ungangbarer wurde, und dann drohte plötzlich vor uns eine mächtige Festung, die unter einer überhängenden Felswand eingebaut war.

Hier befand sich das geheime Versteck von Matai Shang, dem Vater der Therns. Hier war er von einer Handvoll treuer Anhänger des alten Glaubens umgeben, die Millionen von Vasallen und abhängigen Gläubigen eines halben Dutzends von Nationen auf Barsoom gehabt hatten und heute noch da und dort kleine Häuflein von Anhängern mit geistlichem Rat und dem Wort jener Religion versorgten, die sich inzwischen ja als falsch und trügerisch herausgestellt hatte. Die Dämmerung begann eben, als wir vor den eindrucksvollen, undurchdringlich erscheinenden Mauern dieser Bergfestung standen, und damit wir nicht gesehen werden konnten, zog ich mich mit Wula hinter einen granitenen Felsvorsprung zurück in ein Gebüsch aus purpurfarbenen harten Dornensträuchern, die auf den unfruchtbarsten Plätzen der Berge von Otz wachsen.

Hier blieben wir liegen, bis die kurze Dämmerung endgültig zur Dunkelheit geworden war; dann kroch ich heraus, um mich der Festung auf der Suche nach einem Eingang zu nähern.

Das dreifach gesicherte Tor stand weit offen, sei es nun infolge einer Nachlässigkeit oder eines allzu großen Vertrauens in die Unzugänglichkeit des Verstecks. Hinter dem Tor befand sich eine Handvoll Wachen, aber die Männer lachten und unterhielten sich über eines ihrer mir unverständlichen barsoomischen Spiele.

Ich sah, daß keiner der Wächter zu der Gruppe gehört hatte, die mit Thurid und Matai Shang gereist waren. Ich verließ mich also auf meine Verkleidung und ging frech und unerschrocken durch das Tor und zum nächsten Thernwächter.

Die Männer unterbrachen ihr Spiel und sahen mich an, aber keiner schien Verdacht zu schöpfen. Und dann musterten sie Wula, der zu meinen Füßen knurrte.

»Kaor!« sagte ich den Marsgruß, und die Krieger erhoben sich und salutierten. »Ich habe eben meinen Weg von den Goldenen Klippen hierher gefunden und suche eine Audienz beim Hekator Matai Shang, Vater der Therns. Wo kann ich ihn finden?«

»Folge mir«, sagte einer der Wächter, wandte sich um und führte mich quer über den äußeren Hof zu einer zweiten mit Streben gestützten Felsmauer.

Ich weiß nicht, weshalb mir die Leichtigkeit, mit der ich die Leute zu täuschen verstand, kein Mißtrauen einflößte und kann mir nur denken, daß der flüchtige Anblick meiner geliebten Prinzessin meine Gedanken so sehr beschäftigte, daß in mir für nichts anderes mehr Raum blieb.

Mag es sein, wie es will, es ist jedenfalls Tatsache, daß ich offenen Auges hinter meinem Führer drein in den Rachen des Todes marschierte.

Später erfuhr ich dann, daß Thern-Spione meine Ankunft schon Stunden vorher gemeldet hatten, ehe ich die Mauern der Festung auch nur sah.

Das Tor hatte man absichtlich offen gelassen, um mich hineinzulocken, und die Wächter hatten ganz genaue Anweisung erhalten; und ich rannte nicht wie ein erfahrener Kämpfer, sondern eher wie ein kleiner Schuljunge prompt in die vorbereitete Falle.

Vom äußeren Hof führte eine schmale Tür durch die Felsmauer; hier zog mein Führer einen Schlüssel und öffnete sie. Dann trat er zurück und bedeutete mir, ich solle weitergehen.

»Matai Shang befindet sich im dahinterliegenden Tempelhof«, sagte er, und dann schloß er, als ich mit Wula durchgegangen war, schnell die Tür hinter uns.