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Sharon Green

Der Kristall von Mida

Für Joyce und John Pachelok, die so lange das Schild der Mida hochgehalten haben.

1

Der Hort des Kristalles – und ein Gefangener wird gemacht

Ich stand in der Mitte des Gewölbes und blickte auf die drei toten Kriegerinnen herunter. Sie lagen in seltsam verrenkter Haltung auf den runden Kieseln. Ihre Stammesfarben, die jede Midanna um die Hüften geschlungen trägt, lagen zerrissen auf dem Boden. Einer hatte man sogar das Amulett abgerissen. Drei tapfere Kriegerinnen, tot, ermordet, unter ihnen die, die mich gebar. Die Angreifer waren heimlich gekommen und hatten sie mit ihrer Überzahl besiegt. Die Hüterinnen des Horts waren sofort dem Schwert zum Opfer gefallen, aber meine Kriegerinnen hatten die Fremden noch eine Weile zu ihrem Vergnügen leben lassen. Sie waren vom Abschaum der Diebe aus den Städten mißbraucht worden, bevor man ihnen die Kehle durchgeschnitten hatte.

Eine Kriegerin ihrer Stammesfarben zu berauben und ihr die Kehle durchzuschneiden – gerade wie bei einem Tier, das man tötet – und ihr damit die Ehre zu rauben, im Kampf zu fallen, das war unverzeihlich. Sollte einer der Diebe des Kristalls lebendig in unsere Hände fallen, würde er diese schmachvolle Tat langsam und qualvoll zu büßen haben. Nur so würden die Seelen unserer Kriegerinnen ihre ewige Ruhe finden. Ich ging zu der Hüterin, die den blutigen Anschlag überlebt hatte. Ihre Stammesfarben, die sie ihrem Amt gemäß bis herunter auf die Knöchel trug, waren von ihrem Blut getränkt. Und doch hatte sie durchgehalten und ausgeharrt, bis die Kriegerinnen zurückkamen, um ihnen berichten zu können, daß die Diebe aus dem Norden kamen, der fernen Stadt Ranistard.

»Remad«, sagte ich leise, und sie wandte sich auf dem Fell, auf dem sie mühsam atmend lag, nach mir um.

»Ich höre, Jalav«, antwortete sie schwach. »Wie kann ich meiner Herrin dienen?«

»Du hast mir immer treu gedient«, entgegnete ich. Das Amulett auf ihrer schwach atmenden Brust glich dem meinen. Wir trugen beide das Zeichen des Hadat, jenes finsteren, behaarten Todesboten mit langen Zähnen und scharfen Klauen, den Mida zum Zerschmettern ihrer Feinde aussendet. Allerdings glichen sie sich nicht vollständig. Jede Kriegerin muß sich nach Erreichen der Reife ihr Amulett aus dem Holz desjenigen Baumes schnitzen, den man bei ihrer Geburt zu ihrem Lebensbaum bestimmt hat. Stirbt er ab, bevor sie ihre Reife erreicht hat, wird sie in die Niederlassungen der Frauen geschickt, die Sklavinnen der Männer sind, denn eine Kriegerin kann einen Kampf nur mit ihrem Amulett bestehen.

»Remad«, sagte ich, »ich bitte dich, dir den Mann anzusehen, der von uns gefangengenommen wurde. Bist du in der Lage, uns zu sagen, ob er zu den Dieben des Kristalles gehört?«

»Das bin ich«, flüsterte sie. »Ich habe mir lange genug die Gesichter der Schufte ansehen können, die unsere Kriegerinnen durch ihre Berührung beleidigt haben.«

»Bringt ihn herein!« befahl ich, und zwei meiner Kriegerinnen entfernten sich eilig. Der Zorn, der in mir wogte, war schrecklich. Mein Schwert würde viel Blut trinken müssen, ehe mein Rachedurst gestillt war.

Dann hörte ich einigen Lärm. Ich wandte mich um und sah, wie der Gefangene hereingeschleppt wurde. Wir hatten ihn gefangengenommen, gleich nachdem wir von dem Diebstahl gehört hatten. Sechs der Kriegerinnen umringten ihn und hielten ihm einen Speer an die Kehle. Trotzdem wehrte er sich. Er war hochgewachsen, überragte mich fast um Haupteslänge. Sein kräftiger, muskulöser Körper war in das Gewand eines Städters gehüllt, ein braunes Tuch, das bis zur Mitte seiner Schenkel reichte und die Arme freiließ. Er trug weder Stammesfarben noch ein Amulett, denn die in den Städten haben keine Seele zu verlieren. Sogar seine Füße waren bedeckt, um sie vor der Berührung mit dem teuren Boden von Mida zu schützen.

Das rotgoldene Haar des Fremden war gestutzt und wurde durch ein Band zusammengehalten, so, als befinde er sich auf dem Kriegspfad. Meine Kriegerinnen hatten ihm die Arme auf dem Rücken gefesselt, und auch zwischen den Füßen trug er Fesseln. Darüber hinaus hatte man ihm eine Fessel um die Kehle gelegt, und trotzdem wehrte er sich. Sollte es sich herausstellen, daß er an dem Verbrechen unschuldig war, dann würde es klug sein, ihn trotzdem festzuhalten, damit meine Kriegerinnen sich seines Samens bedienen könnten. Nicht vielen Männern, die durch unser Land ziehen, wird diese Ehre zuteil.

Der Gefangene versuchte vergeblich, sich zu befreien, und stieß heftige Verwünschungen aus. Offensichtlich verwechselte er meine Kriegerinnen mit ihren blassen Schwestern aus den Städten, denn er drohte ihnen Taten an, die sie niemals erduldet hätten. Nur mit Mühe konnten sie ihn vorwärtsziehen, bis sein Blick auf die Toten vor ihm fiel.

»Damit habe ich nichts zu tun«, sagte er heiser zu Remad. »Niemals hätte ich...«

»Schweig!« fuhr ich ihn an und schlug ihn ins Gesicht, als er vor Remad niederkniete. Wild wollte er auffahren, aber meine Kriegerinnen hielten ihn zurück. »Ist er einer von denen, die euch überfielen, Remad?« fragte ich. »Sieh dir sein Gesicht gut an.«

»Nein«, flüsterte sie. »Wäre er unter ihnen gewesen, würde ich mich sehr wohl an ihn erinnern.«

»Sieh ihn dir noch einmal genau an«, sagte ich zu Remad. »Unsere Reise in den Norden könnte abgekürzt werden, wenn wir jemanden finden, der redet.«

»Er war nicht dabei, Jalav«, flüsterte Remad. Ich hatte die Spitze meines Dolches an seine Kehle gesetzt. Er mußte spüren, daß ich nach Blut dürstete, denn er verhielt sich still.

»Dann muß es so sein«, sagte ich, und stieß meinen Dolch in die Scheide zurück. »Bei Anbruch des Morgens werden wir uns auf den Weg nach Ranistard machen. Vorher wollen wir noch den Worten der Obersten Hüterin lauschen.«

»Ranistard?« sagte der Gefangene fragend. »Kein Mann von Ranistard würde etwas so Sinnloses getan haben. Ranistard wurde schwer vom Zorn des Sigurr mit einem tödlichen Fieber getroffen. Sie haben kaum noch Weiber dort und hätten diese hier bestimmt mitgenommen.«

»Dafür haben sie etwas viel Wertvolleres mitgenommen«, sagte ich und befahl meinen Kriegerinnen: »Schafft ihn zu den Gandod und bindet ihn gut fest. Wir werden in Kürze zum Lager zurückkehren.«

»Halt!« brüllte der Gefangene und richtete sich auf. Selbst meinen Kriegerinnen gelang es nicht, ihn zu halten. »Meine Unschuld wurde bewiesen. Deswegen verlange ich, sofort freigelassen zu werden. Laß mich sofort losbinden, Mädchen!« Wieder blickte ich ihn mit Wohlgefallen an. Er würde vielen meiner Kriegerinnen sehr nützlich sein. Ruhig erwiderte ich seinen hitzigen Blick.

»Ich bin Jalav, Anführerin des Stammes der Hosta, dem edelsten unter allen Stämmen der Midanna«, erklärte ich ihm. »Ich habe dich auserwählt, meinen Kriegerinnen eine Zeitlang zu dienen. Am Ende dieses Dienstes wirst du wieder freigelassen. Solltest du dich jedoch weiterhin so ungebührlich benehmen, werde ich befehlen, dich noch wesentlich strenger zu behandeln. Es amüsiert mich, zu sehen, daß ein Mann sich wie eine Kriegerin verhält, aber ich bin nicht bereit, deine Widersetzlichkeit zu dulden. Sei gewarnt!«

»Du willst mich warnen«, keuchte er rasend, gegen seine Fesseln und meine Kriegerinnen ankämpfend. »Beim alles zermalmenden Fuß Sigurr des Schrecklichen, ein halbwüchsiges, halbnacktes Mädchen wagt es, mich zu warnen! Gleich wirst du erleben, wie ein wirklicher Krieger mit angeberischen Weibern umgeht. Macht euch schnell davon, ihr Kinder, denn jetzt komme ich, um euch zu strafen!«

Er versuchte vergeblich, seine Fesseln zu zerreißen, während meine Kriegerinnen ihn auslachten. Zornbebend stand er vor uns und bot in der Tat einen prächtigen Anblick. Ich entschied, ihn noch vor der Abreise in den Norden auf meiner Schlafstatt zu haben.

Lachend baute sich die rothaarige Larid vor ihm auf. Er wollte sich auf sie stürzen, aber Binat brachte ihn von hinten zu Fall. Er stürzte hilflos zu Boden, und in Sekundenschnelle waren meine Kriegerinnen über ihm und drehten ihn auf den Rücken. Mit geübten Händen erweckte Larid seine Männlichkeit, dann nahm sie Besitz von ihm. Er schrie und versuchte sich freizukämpfen, aber Larid behauptete mit großem Vergnügen ihren Platz auf ihm, bis sie bekam, wonach sie verlangt hatte.