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Bellinard – und Zusammenstöße mit dem Stadtleben

Mit dem neuen Licht der Mida brachen wir auf. Die Hosta essen nach dem Aufstehen nichts, denn es ist nicht klug, zu lange in einem Lager zu verweilen. Es ist besser, eine Mahlzeit zu überschlagen, als das Leben zu riskieren.

Die Gefangenen waren quer über ihren Pferden festgebunden. Kaum ein Ton wurde von ihnen laut. Ich war in der Nacht kurz wachgeworden, als man sie in unser Lager brachte und ihnen noch einmal die Droge verabreichte. Als man sie am Morgen zu ihren Pferden brachte, wollten sie aufbegehren, aber die Peitsche ließ sie schnell verstummen.

Wir ritten unter taufeuchten Bäumen entlang. Die Tränen der Mida fielen auf unsere Körper. Als wir den Rand des Waldes erreichten, lag eine sanfte Hügellandschaft vor uns. Hier machten wir Rast, um unser erstes Mahl einzunehmen. Auch die Gefangenen sollten gefüttert werden, aber sie weigerten sich wider Erwarten.

Fayan, eine Kriegerin mit goldenem Haar, dunklen Augen und einer guten Figur, die die Aufsicht hatte, fragte mich: »Was sollen wir mit ihnen machen, Jalav? Wenn sie nicht essen, werden sie uns auch mit der Droge nicht viel nützen.« »Wir weigern uns nicht, zu essen«, protestierte ihr Anführer, »aber wir sind es nicht gewohnt, rohes Fleisch zu fressen. Ihr habt uns in eure Gewalt gebracht, nun müßt ihr auch dafür sorgen, daß wir etwas Anständiges zu essen bekommen.« »Ihr bekommt dasselbe wie wir«, entgegnete ich, nahm ein Stück Fleisch, kaute es und bot es ihm an. Er schauderte davor zurück.

»Was für eine Art Frauen seid ihr nur«, sagte er. »Ihr tragt kaum Kleidung, behandelt ehrliche Jäger mit Verachtung, tragt Waffen wie Männer, habt keine Angst vor den dunklen Wäldern und eßt rohes, blutiges Fleisch. Nie zuvor habe ich Weiber wie euch gesehen.«

»Wir sind Kriegerinnen der Midanna vom Stamm der Hosta«, erklärte ich ihm. »Hast du niemals von den Midanna gehört?« »Aber das ist doch nur Märchenkram«, höhnte er. »Midanna gibt es doch nur in der Phantasie ängstlicher alter Männer. Vor langen Jahren soll einmal eine Stadt im Osten von ihnen überwältigt worden sein. Was für ein Blödsinn! Als ob Weiber eine Stadt überwältigen könnten.« Er verstummte plötzlich und sah verwirrt auf mich und meine Kriegerinnen, dann stammelte er: »Aber doch nicht Bellinard. Ihr denkt doch nicht daran, Bellinard einzunehmen?« »Wir wollen Bellinard lediglich einen Besuch abstatten«, versicherte ich ihm. »Es freut mich aber, zu hören, daß man dort nicht an Midanna glaubt. Das wird uns das Passieren seiner Tore erleichtern. Im übrigen werden wir keine Feuer machen, nur um euer Fleisch zu braten«, fuhr ich fort. »Ihr könnt wählen, wie ihr es haben wollt: Roh oder gar nicht.« Er blickte mir in die Augen, dann lächelte er leicht und sagte: »Wenn Weiber das Fleisch roh essen, können wir es auch. Wir haben es tatsächlich schon einmal getan. Die anderen nennen dich, glaube ich, Jalav. Bring mir das Fleisch, Jalav, dann werde ich meinen Hunger stillen.«

Sein Lächeln wurde zu einem Grinsen. Auch ich grinste, denn er sprach von einem anderen Hunger als den in seinem Magen. Ich hatte das gleiche Verlangen. Leider hatten wir aber nicht genügend Zeit.

»Deine Wächterin wird dich versorgen, Jäger«, sagte ich. »Solltest du dich im Laufe des Tages nicht allzu widerspenstig zeigen, werde ich dich vielleicht zu mir bringen lassen, wenn wir am Abend lagern.«

Zorn blitzte in seinen Augen auf, als ich mich abwandte, und das freute mich. Die Männer aus den Städten müssen lernen, daß wir nicht mit ihren Weibern zu vergleichen sind. Fayan grinste und nickte mir zu. Der Gefangene würde in der Nacht zu meiner Verfügung stehen.

Ich wandte mich wieder meinen Kriegerinnen zu. Einige von ihnen übten das Speerwerfen, andere spielten mit dem Dolch, wieder andere lockerten ihren Schwertarm. Danach brachen wir auf. Ich hatte einige Späherinnen vorausgesandt, denn wir mußten unentdeckt bleiben. Einige Ansiedlungen an unserem Weg umgingen wir.

Mida war mit uns. Als die Dämmerung hereinbrach, erreichten wir ein Wäldchen. Wir schlugen unser Lager auf, dann versorgte ich mein Gando, inspizierte die Posten, aß etwas und ging zu meinem Schlafleder.«

»Du hast lange gebraucht«, sagte eine männliche Stimme. Man hatte ihn mit einer langen Leine an einem nahestehenden Baum angebunden. Seine Hände waren auf dem Rücken gefesselt, aber seine Füße waren frei. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen den Baum. Offensichtlich hatte ihm Fayan keine Droge verabreicht, aber auch so hatte er bereits seine Potenz bewiesen.

»Es stimmt, eine Anführerin hat viele Pflichten«, erwiderte ich, gurtete mein Schwert ab, setzte mich nieder und begann, mir eine Pfeife zu stopfen.

Er sah mir schweigend zu. Als ich die Pfeife angezündet hatte, sagte er: »Ihr seid seltsame Frauen, Jalav. Habt ihr gar keine Angst vor der Dunkelheit des Waldes? Sehnt ihr euch eigentlich nicht nach dem Schutz eines Mannes?« Ich lachte. »Warum müssen uns die Männer eigentlich immer dasselbe fragen? Könnt ihr euch nur Sklavenweiber vorstellen, die begierig darauf sind, einem Mann zu dienen? Wir dienen nur Mida, so lange, bis sie uns an ihre Seite ruft. So leben wir, und das wird ewig so bleiben.«

»Ich hatte angenommen, die Midanna seien nur ein Märchen«, sagte er und kam mühsam näher an mein Schlafleder herangekrochen. »Aber was ich gesehen und erlebt habe, übertrifft bei weitem das, was die Märchen erzählen. Die Mädchen, die uns bewachen und füttern, sprechen in den bewunderndsten Tönen von dir, Jalav. Sie folgen dir blind. Ich bitte dich, befiehl ihnen, meine Männer loszubinden und damit aufzuhören, sie mit diesem Teufelstrank hochzubringen. Ich will als deine Geisel dafür einstehen, daß sie euch widerstandslos folgen.« Er saß nun neben mir. Seine Lippen berührten zärtlich, meine Schulter. Ich lächelte in die Dunkelheit hinein. »Meine Kriegerinnen gehorchen mir ohne Zweifel«, sagte ich, »weil ich es auch nie wagen würde, sie in Gefahr zu bringen. Wir brauchen hier keine Männer, die uns verhexen.« »Wir würden uns nicht in eure Angelegenheiten einmischen«, flüsterte er und küßte meinen Hals. »Meine Waffen würden dich schützen, Jalav, mein Schoß würde dich verwöhnen.Schnell, gib den Befehl, daß meine Männer freigelassen werden, dann können wir an andere Dinge denken. Ich kann mein Verlangen kaum noch unterdrücken.«

»Mida lehrt die Jäger, Geduld zu haben, Jäger«, entgegnete ich. »Du brauchst dein Verlangen nicht mehr lange zu zügeln, und an deine Männer werde ich dabei bestimmt nicht denken. Ich werde dir meine ungeteilte Aufmerksamkeit widmen.« »Also läßt du sie nicht frei?« fragte er, und sein Ton war plötzlich wieder eiskalt, als er weiter von mir abrückte. »Du akzeptierst also mein Wort nicht?«

»Hier gilt nur das Wort der Anführerin«, erwiderte ich und klopfte meine Pfeife aus. Der Mann schwieg eine Weile ärgerlich, dann sagte er drohend: »Es muß ein Vergnügen sein, Jalav, dich vor mir gefesselt zu sehen. Eines Tages wird das vielleicht der Fall sein.«

»Alle Dinge sind möglich«, entgegnete ich, »wenn sie Midas Wille sind.« Dann streckte ich mich auf meinem Leder aus. »Ich bin müde und habe wenig Lust, einen kalten Stein zu wärmen. Schlaf unbelästigt.«

Ich wandte ihm meinen Rücken zu, denn ich war ein wenig verärgert darüber, daß sein angebliches Verlangen nur den Zweck hatte, seine Männer freizubekommen. Männer müssen doch immer verschlagen sein. Sie sagen das eine und meinen das andere. Selbst Fideran, der mich angeblich so sehr liebte, hatte versucht, sich in meine Angelegenheiten einzumischen, bis ich ihm erklären mußte, daß ein weiterer derartiger Versuch Prügel für ihn bedeuten würde. Ich liebe es nicht, ausgefragt zu werden, so wenig wie ich es liebe, von Männern genommen zu werden.