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»Verhöhnt das Mädchen nicht wegen ihrer Art, sich zu kleiden«, sagte derjenige, den man Dominar genannt hatte. »Wenn ich zu entscheiden hätte, würde ich dafür sorgen, daß alle Mädchen so herumliefen. Vielleicht schmuggelt sie aber etwas unter ihrem Schurz. Ich fühle mich verpflichtet, diese Stelle persönlich zu inspizieren.«

Damit näherte er sich mir mit ausgestreckter Hand. Ich wartete, bis er nahe genug heran war, dann trat ich ihn in sein ungeschütztes Gesicht. Er fiel, wild mit den Armen rudernd, in den Dreck. Seine Kameraden lachten sich unverständlicherweise halbtot.

»Wir wollen in die Stadt«, sagte ich. »Müssen wir uns den Zugang erkämpfen?«

Ein anderer Wächter stellte sich außerhalb meiner Reichweite mit in die Hüften gestemmten Fäusten auf und fragte, nachdem er mich und meine Kriegerinnen kurz inspiziert hatte: »Trägt eine von euch irgend etwas bei sich, das deklariert werden muß, damit der Hohe Senat von Bellinard seinen gerechten Anteil daran fordern kann?«

Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was er meinte, und antwortete: »Wir haben nichts, was euch interessieren könnte. Und nun laßt uns durch.«

»Das ist zwar eine falsche Behauptung, schönes Kind«, lachte er, »aber keine, für die wir dich einsperren könnten. Ihr habt tatsächlich manches, was uns interessieren könnte, aber ihr dürft trotzdem hinein. Vielleicht treffen wir uns nach Dienstschluß noch einmal.«

Er blickte mich gierig an und sah auch nicht schlecht aus, aber ich hatte wichtigere Dinge zu erledigen. Also trat ich meinem Kan in die Seite, und wir passierten ungehindert das Tor zur Stadt Bellinard.

Zunächst fiel es mir schwer, zu begreifen, was ich dort sah. Niemals zuvor war ich inmitten so vieler hin und her eilender Menschen gewesen. Die Straßen von Bellinard waren breiter als der Weg nach Islat, aber überfüllt von Menschen und Tieren. Meine Kriegerinnen und ich starrten das Gewimmel geringschätzig an. Trotz der Massen fühlte ich mich plötzlich sehr einsam und sehnte mich zurück nach den Wäldern im Land der Hosta, aber ich schluckte meine aufkommende Furcht hinunter und bahnte mir einen Weg durch die Straßen. Ohne Freude im Herzen ritten wir ziellos dahin. Der Lärm ringsum betäubte uns fast. Neugierig betrachtete ich die Gebäude zu beiden Seiten der Straße. Über ihren Eingängen hingen Balken mit merkwürdigen Zeichen, manche auch mit Bildern. Mida mochte wissen, warum mancher den Ort, an dem er hauste, mit dem Bild eines Mannes und eines Reittieres versah, oder einer Frau, die eine Kanne schwenkte, oder einem großen, gehörnten Tier neben einem kleinen, gefiederten. Besonders zu schaffen machte mir der Gestank, der dort herrschte. Ich konnte die Gerüche, die auf mich eindrangen, nicht auseinanderhalten. Ein Blick auf meine Gefährtinnen zeigte mir, daß es ihnen ebenso ging. Wieviel hätte ich um einen einzigen Zug frischer, reiner Waldluft gegeben. Aber wir mußten hindurch, und so ritten wir schweren Herzens weiter. Die Menschen um uns schenkten uns kaum Beachtung. Nur eine Anzahl Männer mußten wir abwehren, die sich uns vertraulich nähern wollten. Ihre Sklavinnen sahen uns so an, als seien wir an ihrem Unglück schuld.

Ich verstand von dem, was ich um mich herum sah, hörte und roch, kaum etwas, war aber auch nicht begierig darauf. Eine Stadt ist ein elender Ort für freie Menschen. Ich wünschte mir, ich hätte sie nie kennengelernt.

Allmählich stellten wir fest, daß die Massen, die ziellos durcheinanderzuwirbeln schienen, sich in eine Hauptrichtung bewegten. Mit ihnen gelangten wir auf einen weiten, offenen Platz, der von zeltähnlichen Behausungen in vielen bunten Farben umgeben war. In der Mitte befand sich sogar etwas Gras mit ein oder zwei Bäumen. Mein Herz hüpfte vor Freude, und ich lenkte mein Kan zu dieser Stelle. Als wir die Zelte passierten, ließen wir die Menschenmassen hinter uns. Ich ritt auf einen kleinen, krüppeligen Baum zu, sprang ab und tat einen tiefen Atemzug. Die Luft war beinah frisch. Meine Kriegerinnen waren gleichfalls abgesprungen. Wir sahen uns an. »Jalav«, sagte Fayan schwach, »ich werde dich nicht im Stich lassen. Aber gönne mir einen Moment Entspannung, bevor wir uns wieder in diese von Mida verlassene Stadt begeben.«

Die anderen nickten zustimmend, aber ich hatte bemerkt, was ihnen entgangen war. »Wir haben diese Stadt nicht verlassen«, sagte ich. »Seht ihr dort hinten die Mauer? Die zeigt uns, daß wir noch in ihr sind.« Man sah den anderen die Enttäuschung an. »Ist das dort drüben etwas, worin Menschen leben?« fragte Larid und zeigte auf ein hohes Gebäude. Es enthielt viele Fenster und einen hohen Eingang, vor dem ein bewaffneter Mann stand. Ich konnte mir keinen Zweck für ein solches Gebäude vorstellen, aber was versteht eine Midanna schon von den Vorstellungen der Stadtmenschen?

Wir banden unsere Kand an den Baum und setzten uns zur Rast in das Gras. Vor den Zelten ringsherum herrschte geschäftiges Leben. Manchmal kamen Leute heraus, die irgend etwas in der Hand trugen, ein Fell, ein Tuch, etwas zu essen oder seltsame hohe, schmale Gefäße. Aus einem erschien eine Sklavin mit einem Mann. Beide lachten fröhlich und betrachteten eine funkelnde Kette am Hals der Frau, dann nahm sie den Arm des Mannes und ging, sich eng an ihn schmiegend, weiter. In der Ferne gab es einige Menschenansammlungen, bei denen ich nicht genau ausmachen konnte, um was sie herumstanden. Mich plagte die Neugier, deswegen sagte ich: »Comir und Binat, ihr bleibt hier bei den Kand. Larid und Fayan kommen mit mir. Wir werden nicht lange bleiben.« Gehorsam antwortete Comir: »Wir bleiben, Jalav, aber das nächstemal möchten wir dich begleiten.« Ich entgegnete: »Alles liegt in Midas Hand.« Als wir zu einer der Ansammlungen hinübergingen, kreuzte ein schmächtiger Mann unseren Weg. Sein kurzes, krauses Haar schien noch nie Wasser oder eine Bürste gesehen zu haben, seine Kleidung war schmutzig und zerfetzt. Er wankte auf seinen Füßen, als hätte er Mühe, sich in einem Erdbeben aufrecht zu halten, und glotzte mich und meine Kriegerinnen mit großen, runden Augen an.

Dann verbeugte er sich tief und sagte: »Meine Damen, ich möchte Ihnen meinen ganz persönlichen Willkommensgruß zum Jahrmarkt in Bellinard entbieten. Bitte sagen Sie mir, wo sich Ihr Pavillon befindet. Ich möchte ihn gern mit meiner Anwesenheit beehren.« Dann zeigte er auf unsere Waffen und sagte: »Ich nehme an, daß sie diese nicht in der Gegenwart von Kunden tragen werden. Sie könnten sie damit leicht irritieren.«

»Er ist voll von Daru«, sagte Larid und stieß ihn aus dem Weg. Seinen Flüchen schenkten wir keine Beachtung. Dann gingen wir hinüber zu einer der Menschenansammlungen und bahnten uns unseren Weg durch die Menge. Aufkommende Proteste verstummten, sobald man uns näher betrachtete. Kaum einer sonst trug Waffen.

Auf einer offenen Fläche innerhalb der Menge stand eine Anzahl Männer mit Speeren in den Fäusten herum, in Gruppen von zweien oder dreien und blickten hinüber zu anderen, die an einem Platz standen, der mit bunten Tüchern markiert war. Diese warfen ihre Speere nach einer nicht zu weit entfernten Zielscheibe und trafen auch meistens. Allerdings waren einige der Würfe so schlecht, daß, wenn die Zielscheibe ein lebender Feind gewesen wäre, sie dies auch geblieben wäre. Meine Kriegerinnen lachten über diese Versuche, aber niemand in der Runde teilte unsere Heiterkeit. Einer der Männer, größer als die anderen, mit roten, kurzgeschorenen Haaren, kam zu uns und fragte ärgerlich: »Was lacht ihr über unsere Krieger? Hat man euch kein besseres Benehmen beigebracht?« »Was sollen wir sonst bei so untauglichen Versuchen tun?« entgegnete ich friedlich. »Wenn sich diese Männer gegen einen Feind verteidigen müßten, lebten sie bereits nicht mehr.« »Ihr redet so, als verstündet ihr etwas von diesen Dingen«, sagte der Mann, nachdenklich auf seinen Speer gelehnt. »Sind eure Männer Jäger, daß ihr so gut Bescheid wißt?« »Wir sind selbst die Jäger«, entgegnete Fayan hitzig. »Männer taugen nur für das Schlafleder.«