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Ich sagte zu meinen Kriegerinnen: »Es scheint mir nun an der Zeit, daß wir die Stadt verlassen. Gleich wird die Dunkelheit hereinbrechen, und ich möchte nicht, daß die Tore geschlossen werden, während wir uns noch in der Stadt befinden.« Fayan stimmte heftig zu, und auch die anderen waren der gleichen Meinung. Ich wollte gerade mein Kan besteigen, als mich Nidisars Hand zurückhielt. Entgegen meiner Erwartung war er aber nicht verärgert, sondern eher belustigt. »Dieses Tor ist nur für die Wachsoldaten bestimmt, Jalav«, sagte er amüsiert. »Dort werden sie euch nicht hinauslassen. Und das andere Tor ist zu weit entfernt, als daß ihr es noch vor Anbruch der Dunkelheit erreicht. Ihr müßt also schon bis morgen früh in der Stadt bleiben. Wollt ihr euch nicht also doch die Straße der Jäger ansehen? Ich führe euch gerne.« »Der Sthuvad lügt«, fauchte Fayan. »Er will uns nur für seine eigenen durchsichtigen Zwecke hierbehalten. Traue ihm nicht, Jalav!«

»Das werden wir gleich herausfinden«, entgegnete ich. »Larid und Binat, reitet zum Tor und sagt, daß wir passieren wollen, dann kommt mit der Antwort zurück.« Gehorsam ritten sie hinüber und kamen in kurzer Zeit mit der Antwort zurück. »Es ist, wie er es sagt«, erklärte Binat verärgert, »durch dieses Tor können wir nicht hindurch, und das andere ist zu weit entfernt.«

»Die Männer wollen uns nicht hindurchlassen«, fügte Larid hinzu, »aber sie bieten uns Unterkunft bis zum Morgen an. Sollten wir uns nicht mit unseren Schwertern hindurchkämpfen?« Fayan stimmte ihr eifrig zu.

»Seid ihr verrückt?« sagte Nidisar. »Wollt ihr, daß euer Blut vor dem Tor vergossen wird?«

»Vielleicht sollten wir es wagen«, überlegte ich, keine Notiz von Nidisar nehmend, der trotz allem doch lediglich ein Mann war. Ich schätzte die Entfernung zum Tor und zu den Wachen ab.

Es gab zwei Schwierigkeiten. Die eine bestand darin, daß ich nicht wußte, wie lang wir benötigen würden, um die Wachen am Tor zu überwinden. Zum anderen war das Tor geschlossen, und ich wußte nicht, ob uns genug Zeit blieb, es zu öffnen, ehe die anderen ihren Kameraden zur Hilfe kamen. »Jalav, sei nicht albern«, grollte Nidisar. »Ich dachte, du wärst klüger als deine Gefährtinnen. Siehst du die Wachhäuser zu beiden Seiten des Tores? Sie sind voller Wachen, die ihren Kameraden sofort zur Hilfe eilen würden. Und ihr tragt noch nicht einmal eine Rüstung. Kommt sofort mit!« Er hatte recht, wir hätten kaum eine Chance zum Durchbruch gehabt. Trotzdem hätte ich es gewagt, wenn wir nicht die Aufgabe gehabt hätten, den Kristall der Mida zurückzuholen. Resigniert wandte ich mich ab.

»Es ist Midas Wille, daß wir bis zum neuen Licht hierbleiben«, sagte ich. »Wir benötigen unsere Schwerter noch zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort.«

Erneut folgten mir meine Kriegerinnen gehorsam. Nidisar war erfreut. »Du hast recht daran getan, mir zu glauben, Jalav«, sagte er. »Kommt, ich führe euch zur Straße der Jäger.« »Sollten wir die Nacht nicht auf dem Platz mit den Zelten verbringen?« gab Fayan zu bedenken. Sie gönnte Nidisar offensichtlich nicht die Freude unserer Gegenwart. »Das wäre zu überlegen«, entgegnete ich. Nidisar blickte Fayan zornig an. Sie erwiderte kühl seinen Blick. »Der Jahrmarkt darf nach der Zeit, an der die Fackeln gelöscht werden, nicht mehr betreten werden«, fauchte er. »Solltet ihr es dennoch wagen, würde man die Wachen rufen. Ich gehe nun in die Straße der Jäger. Wenn ihr wollt, könnt ihr mir folgen.« Damit wandte er sich um und ging weg, den Rücken gestreckt und den Kopf hoch erhoben, ganz das Bild eines beleidigten Mannes. Ich lachte über den Gedanken, wie kindisch Männer doch sein können. Er wollte uns zeigen, daß er kein Verlangen nach uns hegte. Wären wir jedoch fortgeritten, wäre seine Enttäuschung groß gewesen.

Wir folgten ihm, bis wir zu einem Gebäude kamen, das über dem Eingang das Bild eines Mannes mit einem Bogen zeigte, dem eine Frau einen hohen, schmalen Topf reichte. »Ihr könnt eure Kand hier anbinden«, sagte er und wies auf einen Pfosten neben dem Eingang. »Der Renth hier ist von bester Qualität, und die Bedienung gleichfalls.«

Er hatte sich wieder gefangen und wartete geduldig ab, bis wir abgestiegen waren und unsere Kand angebunden hatten. Die Straßen der Stadt waren bereits dunkel und nur hin und wieder von Fackeln erleuchtet. Auch in dem Gebäude brannten Fackeln.

Wir betraten einen Raum, der etwa fünfundzwanzig auf zwanzig Schritte groß war. Auf seinem Boden lag ein großes Tuch in braunen und grünen Tönen, und darauf lagen sechs bis acht Männer, die sich teilweise auf Säcke von der Art stützten, wie ich sie im Zelt des merkwürdig riechenden Sklavenweibes gesehen hatte. An den Wänden des Raumes hingen zahlreiche Waffen. Jeder der Männer auf dem Tuch hatte neben sich einen großen, hölzernen Topf, aus dem sie gelegentlich einen Schluck nahmen. Sie begrüßten Nidisar und sahen mich und meine Kriegerinnen neugierig an.

»Nidisar«, rief einer, »ist das nicht das Mädchen, das mit dir beim Speerwerfen gleichgezogen hat? Bring sie her. Wir helfen dir gerne, sie und die anderen zu unterhalten.« »Ein guter Gedanke«, lachte Nidisar. »Ich habe ihnen einen ordentlichen Schluck Renth versprochen, ehe sie am Morgen wieder fort müssen.«

Diese Worte begrüßten die anderen mit lautem Gelächter. Larid, Binat und Comir musterten die Männer mit Interesse, denn die meisten von ihnen waren selbst nach Hosta-Standards akzeptabel. Selbst Fayan schien sie passabel zu finden. »Vielleicht können wir uns hier eine Zeitlang ganz gut unterhalten«, meinte sie. »Ich bedauere es nur, daß wir keine Gelegenheit zur Jagd hatten, denn ich habe bereits wieder Hunger.« »Ich auch«, entgegnete ich, »aber wir müssen wohl warten, denn Nilnofleisch werden wir hier nicht bekommen, und der andere Fraß in dieser von Mida verlassenen Stadt ist nicht zu genießen.«

Nidisar stellte uns mit breitem Grinsen vor. »Freunde«, sagte er, »das sind Jalav, Larid, Binat, Comir und Fayan, alles berühmte Jägerinnen.«

»Sie können sich gerne meiner Jagdgruppe anschließen, wann immer sie es wünschen«, sagte einer, ein großer, der fast so rote Haare wie Larid hatte. »Ich glaube, daß ihre Gegenwart etwas Wärme in die Kälte der Wälder bringen würde.«

Die Männer lachten und auch wir mußten lachen in Erinnerung daran, welche Wärme seine Kameraden, die die Hosta noch immer gefangenhielten, in die Wälder gebracht hatten. »Nehmt Platz«, sagte Nidisar zu uns und ließ sich selber auf dem Tuch nieder. Er war uns während des Tages manchmal sehr nützlich gewesen, und so konnten wir schlecht in seiner eigenen Behausung unhöflich zu ihm sein. Also ließ ich mich an seiner Seite mit gekreuzten Beinen nieder, und meine Kriegerinnen folgten meinem Beispiel.

Plötzlich tauchte zu meiner Rechten ein Sklavenweib auf. Sie trug nur ein kurzes Gewand und sah recht hübsch aus. Um das rechte Fußgelenk trug sie ein Lederband mit runden Metallstückchen, die ein leises Geräusch machten. Als sie näherkam, sah ich, daß sie um den Hals ein schmales Metallband trug. Sie sah uns erstaunt an, dann fiel sie vor Nidisar auf die Knie. »Das Haus begrüßt dich, Herr«, sagte sie mit gesenktem Kopf. »Was darf ich dir bringen?«

»Ich und meine Gefährtinnen wünschen Renth«, erwiderte Nidisar. »Doch bevor du wieder hinausgehst, nenne ihnen doch den Namen dieses Hauses.«

»Es heißt ›Der Jäger und das Sklavenmädchen‹«, entgegnete sie, die Augen noch immer niedergeschlagen. Nidisar und seine Freunde sahen mich mit einem merkwürdigen Lächeln an. Ich konnte den Grund nicht verstehen. »Was siehst du mich so merkwürdig an?« fragte ich ihn, die Hand wie zufällig auf dem Schwertknauf. »Dachtest du, ich würde den Namen kennen?«