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»Mir geht es auch so«, erwiderte Nidisar lachend. »Und die Nacht war verdammt anstrengend. Hier, Jalav, du solltest dich kämmen«, sagte er und hielt mir einen hölzernen Kamm hin. »Fayan hat ihn bereits benutzt, denn ich liebe keine unordentliche Frauen. Du hast ihn auch nötig.«

Fayans Haar war tatsächlich ordentlich gekämmt. Ihr Stirnband fehlte. Auch meins konnte ich nicht entdecken. Als sie mich nicht ansah, begriff ich. Ich faltete meine Arme und sah Nidisar an.

»Du hast jetzt tatsächlich einen besseren Geschmack was Kämmen angeht«, sagte ich. »Vielleicht gehörst du zu den wenigen Männern, die lernfähig sind. Gib mir den Kamm.« Mit diesen Worten nahm ich ihm den Kamm ab, so, als hätte er meinen Befehl befolgt. Fayan brach in Lachen aus, in das er, zunächst widerwillig, einstimmte.

»Oh, Jalav, du bist ein furchtbares Kind«, stöhnte er. »Ich möchte dich für alles Silber von Bellinard nicht einmal geschenkt haben.«

»Aber besitzen möchtest du sie bestimmt einmal«, brummte Ceralt, der im Gegensatz zu Telion verärgert schien. »Du kannst sie heute nacht haben, wenn du willst, Bruder. Sie muß endlich einmal lernen, wie sie sich Männern gegenüber zu verhalten hat.«

Ich sah ihm fest in die Augen und sagte: »Die Berührung von Nidisar wird eine wahre Erholung sein, nach allem, was mir letzte Nacht geboten wurde.«

Ceralt wollte auffahren, aber Telion hielt ihn fest. »Sie ist doch noch ein Kind, Ceralt, und weiß es nicht besser«, sagte er. »Sie ist kein Kind mehr«, grollte Ceralt, »und eine ordentliche Tracht Prügel würde ihr guttun. Was hältst du von meinem Angebot, Nidisar?«

»Ich werde es mir überlegen«, entgegnete Nidisar. »Und das mit den Prügeln ist gar keine schlechte Idee. Sieh her.«

Damit hielt er Fayan einen Bissen hin. Zu meiner Verwunderung preßte Fayan lediglich die Lippen zusammen. »Seht ihr«, grinste Nidisar, »sie hat inzwischen gelernt, was passiert, wenn sie ungehorsam ist. Morgen wird sie auch das Fleisch nicht mehr ablehnen.«

Die anderen lachten, während Fayan beschämt den Kopf senkte. Ich wußte nicht, was Nidisar mit ihr angestellt hatte, aber ich fühlte mich schuldig, denn der Grund für all das lag darin, daß sie tapfer bei mir ausgeharrt hatte. Die Männer beendeten ihre Mahlzeit, ohne uns etwas davon anzubieten. Ich konnte darauf verzichten, denn die Pein des Hungers hatte ich überstanden. Man stellte nur zwei Töpfe mit Wasser vor Fayan und mich. Ich wollte auch das ablehnen, als ich sah, daß Nidisar im Begriff war, Fayan zu befehlen, aus dem Topf zu trinken. Deshalb hob ich meinen an die Lippen und trank. Fayan folgte meinem Beispiel. Das Wasser war lauwarm und schmeckte irgendwie nach Metall. Aber um Fayan zu helfen, schluckte ich es kommentarlos herunter. Als ich mit dem Trinken fertig war, stand Ceralt auf, um eine lange Leine an meinen Handgelenken zu befestigen. Da ich mich schweigend wehrte, griff er ungeduldig nach meinen Armen. Ich hatte noch den schweren hölzernen Kamm von Nidisar in der Hand und warf ihn Ceralt an den Kopf. Auf so kurze Entfernung konnte er sein Ziel nicht verfehlen. Ceralt stieß einen lauten Fluch aus und griff sich an den Kopf. Ich wollte schnell aufspringen, aber die Leine, mit der ich am Tisch festgebunden war, hielt mich zurück. Telion hielt mich von hinten fest und Ceralt fesselte meine Hände, stärker, als er es wohl ursprünglich vorgehabt hatte. Dann riß er mich unsanft hoch. Dabei sagte er kein Wort, aber es war ihm anzumerken, daß er auf die Sache zurückkommen würde. Mir war das egal.

Nachdem sie mit Fayan ebenso verfahren waren, verließen wir das Gebäude. Draußen standen drei Kand, die die Männer bestiegen. Unsere Kand hatten wir nicht mehr gesehen seit dem Zeitpunkt, als man uns gefangengenommen hatte. Wir sollten sie auch nicht wiedersehen. Telion nahm die Leine zu meinem Handgelenk, Ceralt die Leine zu meinem Halsband. So mußte ich zwischen ihnen herlaufen. Fayan mußte Nidisar folgen.

Die Tore in der Stadtmauer von Bellinard standen offen. Trotzdem kamen wir nicht ungehindert hinaus. Die Wächter verlangten von den Männern irgendwelche Papiere, die sorgfältig geprüft wurden. Es waren jedoch nicht die Männer, die uns bei unserer Ankunft überprüft hatten, auch Pileth befand sich nicht unter ihnen. Trotzdem schienen sie uns zu kennen, was ich nicht verstehen konnte.

Als wir die Stadt verließen, wandten sich die Männer zunächst nach Osten, und erst, als die Stadt nicht mehr in Sicht war, nach Norden. Die Luft war frisch und klar, und ich freute mich, Bellinard hinter mir zu lassen. Allerdings wurde mir der Weg von Stunde zu Stunde beschwerlicher, denn es war nicht so einfach, mit den Kand Schritt zu halten. Fayan schien schon fast am Ende ihrer Kräfte zu sein. Die Männer hatten mit Absicht, so schien es mir, ein scharfes Tempo angeschlagen, um unseren Widerstand endgültig zu brechen. Nur bricht man den Mut einer Kriegerin der Hosta nicht so leicht. Endlich machten wir in einer Lichtung Rast. Fayan und ich wurden an einen umgestürzten Baumstamm gebunden, so knapp, daß wir nicht mit unseren Zähnen die Fesseln erreichen konnten. Als sich die Männer entfernt hatten, um die Kand zu versorgen, fragte Fayan mich besorgt: »Haben sie dich hart rangenommen, Jalav?«

»Es sind eben Männer«, entgegnete ich. »Aber ich bin nicht länger als Anführerin der Hosta geeignet.« »Das stimmt nicht!« erwiderte sie heftig. »Was sie tun, tun sie im Auftrag von Mida, deshalb hat es keine Bedeutung. Ich bin...« Plötzlich unterbrach sie sich und wandte sich ab. »Was hat er getan?« fragte ich.

Eine Zeitlang herrschte Schweigen, dann kam die Antwort, leise und zögernd: »Er hat mich geschlagen, nicht so heftig, wie du geschlagen wurdest, aber er brach meinen Stolz. Er drohte mir, daß er mich so vor den anderen schlagen würde, wenn ich ihm noch einmal nicht gehorchte. Der Schmerz macht mir nicht viel aus, Jalav, aber ich weiß nicht, was die größere Schande für mich bedeutet: ihm zu gehorchen, oder in Gegenwart der anderen geschlagen zu werden.« Ich hätte es auch nicht gewußt, also antwortete ich: »Du mußt abwägen, was dich im Angesicht von Mida beschämt, und dann das andere erdulden.«

»Im Angesicht von Mida«, wiederholte sie gedankenvoll. »Das ist gar nicht so einfach, Jalav. Oftmals habe ich gedacht, daß es sehr hart ist, zu den Lieblingen von Mida zu gehören.« »Mir ging es genauso«, seufzte ich. »Aber Mida weiß, was wir nicht wissen. Deswegen können wir uns nur so benehmen, wie wir sind. Das muß das sein, was Mida wünscht.« »Darüber muß man lange nachdenken«, meinte Fayan. »Wenn ich nur nicht so schwach wäre. Er hat mich lange in der Nacht gebraucht, und noch einmal, bevor er aufstand.« Sie schloß die Augen und lächelte. »Hätte ich ihn in den Zelten der Hosta, befreit von all seinen üblen Angewohnheiten, würde er mir großen Spaß bereiten.«

»So hat alles seine zwei Seiten«, sagte ich. »Vielleicht sollte ich wünschen, daß er für den Kamm eine Gegenleistung erwartet. «

Wir lachten beide. Dann kamen die Männer, um uns von den Fesseln zu befreien. Fayan bereitete es einige Schwierigkeiten, wieder aufzustehen, deshalb sah Nidisar sie besorgt an. »Mir gefällt nicht, wie sie aussieht, Ceralt«, sagte er. »Bevor wir weiterziehen, muß sie unbedingt etwas essen.« »Auch Jalav sieht nicht besser aus«, sagte Telion, indem er mein Gesicht in seine breiten Hände nahm. »Wann hast du zum letztenmal den Geschmack von Fleisch gekostet, Jalav?« fragte er besorgt.