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»Unten in dem großen Gebäude«, sagte ich und versuchte, mich aus seinem Griff zu befreien. »Dort tötete ich die Tiere der Finsternis und aß sie.« »Unmöglich!« rief Telion voller Ekel. Auch Nidisar, der Fayan angesehen hatte, die bestätigend nickte, schien ganz übel zu sein. Selbst Ceralt wirkte bestürzt.

»Wir müssen sie beide füttern«, sagte er. »Offensichtlich besitzen sie nicht die Vernunft, um für sich selbst zu sorgen.« Telion eilte fort und brachte ein Stück Nilno. Ceralt schnitt eine Scheibe ab und hielt sie mir vor den Mund. »Das müßte zunächst langen«, meinte er. »Wenn du zuviel ißt, wirst du krank davon.« Als ich keine Anstalten machte, etwas davon abzubeißen, herrschte er mich an: »Iß!« »Jalav ißt nicht aus der Hand eines Mannes«, entgegnete ich. »Du wirst gefüttert, nicht gestraft, du halbwilde Bestie!« brüllte er. »Hast du denn gar keinen Verstand?« »Doch, eines weiß ich«, erwiderte ich. »Ich esse nicht aus der Hand eines Mannes.«

Ceralt schloß die Augen, um, so nehme ich an, einen Wutausbruch zu unterdrücken. Nidisar war gleichfalls ärgerlich, weil auch Fayan sich weigerte, von dem Nilno zu essen. Als Ceralt wieder seine Augen öffnete, sagte er: »Im Palast des Hohen Senates wurdest du für deinen Ungehorsam bestraft. Ich glaube, ich muß dasselbe tun. Entweder ißt du jetzt, oder du bekommst von mir die gleichen Schläge, die du schon einmal bekommen hast.«

In der Erinnerung tauchte wieder das Feuer auf meinem Rücken auf, trotzdem entgegnete ich: »Tu, was du willst. Ich esse dir nicht aus der Hand.«

»Nun gut«, sagte Ceralt ruhig. »Wieviel Schläge hast du bekommen, bevor du gehorchtest? Fünf? Zehn?« Ich gab keine Antwort. Fayan sagte: »Jalav, die Anführerin, erhielt erst viermal fünf Hiebe, dann dreimal fünf, und trotzdem mußten die Männer sie noch füttern. Sie hat keine Angst vor dir.«

Ungläubig stieß Ceralt hervor: »Fünfunddreißig? Mit der Peitsche?«

»Die letzten Schläge habe ich nicht mehr gespürt«, sagte ich. »Diesmal werde ich aber tapferer sein.« Um mich herum herrschte betroffenes Schweigen. Ceralt war der erste, der sich wieder fing. Er setzte mich auf den Boden, gab mir das Nilno in die Hand und sagte: »Hier, iß!« Zufrieden sah er zu, wie ich von dem Nilno aß. Auch Telion schien sehr zufrieden zu sein. Ich war verwundert darüber, wie sie ihre Haltung geändert hatten, aber Männer sind nun einmal merkwürdige Geschöpfe.

Fayan sah mir auch einen Augenblick zu, befriedigt darüber, daß ich nicht geschlagen wurde, dann sagte sie zu Nidisar: »Ich werde auch von dem Nilno essen«, und streckte ihre gefesselten Arme aus. »Gib her!«

»Auch, tatsächlich«, murmelte Nidisar. »Ich kann mich nicht erinnern, meine Meinung geändert zu haben.« Stolz wandte sich Fayan ab und sagte: »Eine Kriegerin der Hosta kommt auch ohne aus.«

»Wenn ich mich recht erinnere, habe ich dir das Essen verweigert«, fuhr Nidisar fort. Er zog sie am Halsband zu sich heran, hielt die Hand mit dem Nilno hoch und sagte: »Iß, Sklavin!« »Fayan ist keine Sklavin!« zischte sie. »Du bist nur ein Werkzeug von Mida, und solltest nicht so mit mir reden.« »Ich rede, wie ich will«, entgegnete Nidisar ärgerlich. »Du solltest nicht so reden. Willst du mir gehorchen, oder muß ich dich wieder bestrafen?«

»Nein!« rief Fayan und versuchte, sich von ihm zu befreien. Als ihr dies nicht gelang, trat sie ihm heftig gegen das Bein. Nidisar grunzte vor Schmerz. Er legte Fayan übers Knie und schlug ihr vernehmlich auf das Hinterteil. Dann warf er sie auf den Boden und hielt sie dort fest. »Nun, Sklavin«, sagte er, »soll es wieder die Strafe sein?«

»Nein!« schrie Fayan ängstlich. Ich versuchte, ihr zu Hilfe zu kommen, aber die beiden Männer hielten mich fest. Fayan keuchte: »Ich will essen.«

»Auf die Knie!« befahl Nidisar. Sie zögerte kurz, dann erhob sie sich, kniete vor Nidisar nieder und sah ihn flehentlich an. Nidisar hielt ihr das Nilno vor den Mund. Sie biß ein Stück ab und kaute widerwillig. Nidisars Miene zeigte keinerlei Regung, aber Ceralt und Telion grinsten vergnügt. Als Fayan mit ihrem Stück Nilno fertig war, zog Nidisar sie hoch und sagte anerkennend: »Du bist eine wirklich folgsame Sklavin gewesen. Für dein braves Verhalten bekommst du eine Belohnung.« Damit zog er sie an sich und küßte sie. Ihr Sträuben währte nicht lange. Sicher erinnerte sie sich daran, welchen Spaß er ihr in der Nacht bereitet hatte, und schmiegte sich eng an ihn.

Nach einer Weile schob Nidisar sie von sich und sagte: »Solltest du dich weiterhin brav benehmen, wird heute nacht eine weitere Belohnung folgen. Jetzt müssen wir aufbrechen.« Er band Fayan, der anzusehen war, daß sie sich über diese Behandlung sehr ärgerte, wieder an sein Kan. Ceralt und Telion lachten und banden mich gleichfalls an ihren Kand fest. Sie teilten Wasserschläuche aus, dann ging es weiter. Wir kamen langsamer voran, trotzdem schafften wir eine gute Strecke, bevor die Dunkelheit hereinbrach. Die Männer waren von dem Weg, dem wir lange gefolgt waren, in den Wald hinein abgebogen, und Fayan und ich stolperten oft über Baumwurzeln, die wir in der Dunkelheit nicht sehen konnten. Endlich tauchten zwischen den Bäumen helle Lagerfeuer auf. Entweder hatten die Leute, die dort lagerten, keine Angst, oder sie waren dumm.

Wir hatten das Lager fast erreicht, als sich die Büsche neben uns teilten und eine Anzahl bewaffneter Männer auftauchten, die ihre Bogen auf uns gerichtet hatten. »Halt, wer da?« rief einer von ihnen.

»Ich bin Ceralt von Bellinard, der Jäger«, entgegnete Ceralt. »Wir werden erwartet.«

»Das stimmt«, war die Antwort. »Ihr könnt weiter reiten.« Die Männer traten beiseite und ließen uns durch. Einer von ihnen gab mir im Vorbeigehen einen Klaps auf den Hintern. Hätte ich noch mein Schwert besessen, wäre die Beleidigung nicht ungesühnt geblieben.

Am größten Lagerfeuer wartete ein kleiner, schmalbrüstiger Mann auf uns, dem man jedoch ansah, daß er das Schwert zu gebrauchen wußte. Er nickte Ceralt freundlich zu. »Gut gemacht, Jäger«, sagte er. »Ihr seid früher hier, als wir euch erwartet haben.«

»Wir haben die Stadt kurz nach euch verlassen«, antwortete Ceralt, »und ein gutes Tempo vorgelegt.« Der Mann lachte, musterte Fayan und mich und sagte: »Ihr müßt euren Sklavinnen gut zugeredet haben. Eure Zelte sind dort hinten, das rote und das gelbe. Ihr findet darin gebratenes Trencha und Renth. Wir brechen beim ersten Morgengrauen auf.«

»Bis dann«, erwiderte Ceralt und hob die Hand zum Abschiedsgruß. Nidisar ging mit Fayan zu dem roten Zelt, die beiden anderen führten mich zu dem gelben. »Wir sehen uns morgen früh«, sagte Nidisar. »Ich muß nun prüfen, ob ich eine Sklavin besitze, die belohnt werden will.« Damit zog er die entrüstete Fayan unter dem Gelächter von Telion und Ceralt in sein Zelt. Unser Zelt war durch Kerzen erleuchtet. Am Boden lagen weiche Lengapelze. Im Hintergrund ragte ein Pfahl aus dem Boden, an den ich wieder angebunden wurde. Während die Männer aßen und tranken und auch mir etwas abgaben, fragte Ceralt: »Ich würde gerne wissen, Telion, warum du darauf bestanden hast, die Karawane erst hier zu treffen, und warum wir erst nach Osten reiten mußten.«

»Ich hasse es, mit einer Karawane die Stadt zu verlassen«, erwiderte Telion. »Das mag keinen Grund haben, aber es ist nun mal so. Außerdem dachte ich mir, daß wir vielleicht von den Weibern unserer Sklavin hier beobachtet würden, und es gut für Ranistard sei, wenn wir sie in die falsche Richtung lenken.«

»Sehr schlau gedacht«, entgegnete Ceralt, »aber wie kann ich dann mit ihnen zusammenkommen und über die Freilassung meiner Männer verhandeln?«

»Daran habe ich nicht gedacht«, sagte Telion. »Glücklicherweise scheinen wir aber nicht beobachtet worden zu sein. Wir werden die Weiber also in der Nähe von Ranistard treffen.« »Hoffentlich«, bemerkte Ceralt. In diesem Moment trat Nidisar ein. »Da die Kand von den Sklaven der Karawane versorgt werden, wollte ich euch noch einen Moment Gesellschaft leisten«, sagte er. »Seid ihr mit eurem Mahl fertig?« »Das sind wir«, antwortete Telion. »Kommst du alleine?« »Ja«, entgegnete Nidisar. »Meine Sklavin hat sich zwar brav verhalten und eine Belohnung verdient, aber sie weigert sich, um diese Belohnung zu bitten. Deswegen habe ich ihr eine Bedenkzeit eingeräumt. Sollte sie mich nach meiner Rückkehr darum bitten, kann sie sie noch erhalten.« »Dieses Weib verdient tatsächlich eine Lehre«, lachte Ceralt. »Wenn sie ›Mann‹ zu einem sagt, klingt das wie ›Sklave‹. Aber willst du nicht auf mein Angebot zurückkommen, Nidisar? Jalav ist auch nicht zu verachten.«