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»Die Anführerin Jalav erwartet den Todesstreich von deiner Hand«, sagte Fayan ruhig. »Sei gnädig und stoße rasch zu.« »Du bist verrückt, Weib!« schrie Ceralt und sprang auf. »Ich will sie doch nicht umbringen!«

»Du mußt«, entgegnete Fayan geduldig. »Du hast sie erniedrigt, und nun mußt du ihr Leben nehmen.«

»Fayan, das verstehen wir nicht«, warf Nidisar ein. »Wir haben mit Jalav nichts gemacht, was wir nicht auch mit dir gemacht haben. Warum will sie sterben und du nicht?« »Jalav ist unsere Anführerin«, erklärte Fayan. »Sie ungefesselt zu nehmen, bedeutet eine ungeheure Erniedrigung für sie, die nur mit ihrem Tod beendet werden kann. Das ist das Gesetz der Midanna. Sie muß sich sehr erniedrigt fühlen, wenn sie wünscht, daß ihre Seele ohne ihr Amulett verlorengeht.« Sie schloß die Augen und sagte mit schwacher Stimme: »Ich selbst erwarte nur die Vergebung von Mida, um den reinigenden Tod zu suchen. Ich habe nicht den Mut, das zu tun, was Jalav tun will.«

»Sie warten beide auf den Tod!« schrie Ceralt. Nidisar starrte Fayan an, als ob ihn der Schlag getroffen hätte. »Ich habe schon viele Frauen gehabt, und einige davon auch – zugegeben – schon geprügelt, aber keine hat erwartet, daß ich sie anschließend umbringe. Ein paar Tränen, ja, aber doch nicht so etwas.« Er kniete sich vor mir hin, schüttelte mich an den Schultern und krächzte: »Jalav, ich will dich doch nicht töten! Jalav, hörst du mich? Ich habe dich doch nur bestraft. Das ist doch kein Grund, sterben zu wollen.«

Seine hellen Augen starrten mich verzweifelt an. Ich verstand ihn nicht. Was war das für eine Art, erst jemandem den Stolz zu rauben und ihn dann nicht töten zu wollen? Selbst jemand ohne Seele konnte doch nicht so grausam sein. »Fayan, du kannst doch nicht wirklich den Tod wünschen«, sagte Nidisar, Schmerz in der Stimme. »Daß eine Frau von einem Mann genommen wird, oder auch einmal bestraft, ist doch keine Schande. Das ist doch etwas Natürliches.« »So befleckt zu werden, bedeutet für eine Kriegerin große Schande«, entgegnete Fayan. »Ich selbst habe viel Freude dabei empfunden, wenn Nidisar mich berührt hat, und doch hat er mich auch beschämt. Ich habe das ertragen, um Midas Sache willen, aber ich kann es nicht ewig ertragen. Sobald mir Mida vergibt, wird mein Blut diesen Flecken auf meiner Ehre wegwaschen.« »Nein!« schrie Nidisar und nahm Fayan in seine Arme. »Das werde ich nicht zulassen! Das ist barbarisch!« »So sind sie aber«, sagte Telion bedeutsam. »Sie leben in der Wildnis, nach grausamen, starren Gesetzen. Ihr Leben ist nur kurz, und das ist vermutlich ein Segen.« »Das ist doch verrückt«, sagte Ceralt, »wir sollten uns auf einen solchen Blödsinn nicht einlassen.« Er hob mein Amulett auf und legte das Band wieder um meinen Nacken. »Du wirst nicht sterben, Jalav«, sagte er, »und deine Seele wird nicht verlorengehen. Ich will von diesem Unsinn nichts mehr hören, sonst muß ich dich erneut bestrafen.«

Ich wollte das Amulett wieder abnehmen, aber Ceralt hinderte mich daran. »Ist Ceralt ohne Ehre?« fragte ich ihn. »Er wird es doch sicherlich nicht ablehnen, mich von der Bürde meines Lebens zu befreien. Eine Anführerin der Hosta, die so erniedrigt wurde, kann nicht weiterleben. Es ist deine Aufgabe, Ceralt, mich von diesem Leben zu befreien!« »Doch, Jalav, ich habe Ehre«, erwiderte er. »Ich wollte dir zurückzahlen, was du mir damals im Wald angetan hast; ich wollte, daß du mich mit Tränen in den Augen deinen Herrn nennst. Ich wollte nicht, daß du dein Leben in meine Hände legst, und meine Ehre verbietet es mir, es anzunehmen.« Befriedigt darüber, daß der, der mich erniedrigt hatte, doch Ehre besaß, sagte ich: »Schwert oder Dolch, Ceralt, du hast die Wahl.«

»Ich habe in der Tat die Wahl«, sagte Ceralt verärgert und hinderte mich noch immer daran, mein Amulett wieder abzulegen. »Da dein Leben nun mir gehört, mußt du künftig das tun, was ich will.«

Telion und Nidisar lachten erleichtert, aber ich sah Fayan verdutzt an. Er sollte mein Leben nehmen, nicht es für sich behalten.

»Ceralt, du hast mich nicht begriffen«, sagte ich. »Nach den Gesetzen der Midanna...«

»Ich bin nicht an die Gesetze der Midanna gebunden«, unterbrach er mich, »denn ich gehöre nicht zu den Midanna. Dein Leben gehört jetzt mir, und ich verfüge darüber, wie es mir paßt.«

»So geht es aber nicht«, protestierte ich verwirrt. »Als ich Anführerin der Hosta wurde, habe ich mit eigener Hand...« »Ich tue das, was ich für richtig halte!« fuhr er mich an. »Willst du meine Autorität in Frage stellen?«

»Ich verstehe dich nicht«, erwiderte ich schwach und sah die Männer der Reihe nach an. Nidisar stand bei Fayan und hatte den Arm um ihre Schulter gelegt. Seine Augen funkelten vergnügt. Telion wandte sich ab. Auch er schmunzelte. Ceralt hatte seine breiten Schultern stolz zurückgenommen und betrachtete mich ärgerlich. Zu ihm sagte ich: »Ich verstehe dich wirklich nicht. Soll ich dir mit dem Schwert in der Hand gegenübertreten ?«

»Kein Schwert«, schnaubte er und zog mich an meinen Armen hoch. »Ich sehe nun, daß es grausam von mir war, meinen Spaß mit dir zu haben, denn du bist nur eine Wilde. Das soll nicht mehr geschehen. Von diesem Augenblick an wirst du lediglich als Gefangene behandelt werden, die ich gegen meine Männer austauschen möchte. Bis dahin werde ich tun, was in meinen Kräften steht, um dich etwas zu zivilisieren, aber ich will dich nicht mehr beschämen. Bist du einverstanden, Telion?« »Absolut«, entgegnete dieser. »Mein verletzter Stolz wurde inzwischen gerächt, und ich will nur noch dafür sorgen, daß meine Stadt unversehrt bleibt. Es gibt keinen Grund für deinen Tod, Jalav, aber viele Gründe, daß du am Leben bleibst. Deine Mida wird das verstehen.«

»Und ich verstehe jetzt auch verschiedene Dinge«, sagte Nidisar und sah Fayan an. »Komm, Gefangene, laß uns in unser Zelt zurückkehren.«

Fayan sah ihn verwirrt an, als er sie freundlich aus dem Zelt geleitete. Auch ich war zutiefst verwirrt, denn ich konnte überhaupt nicht verstehen, was diese Männer wollten, und warum sie mir meinen Tod verweigert hatten. Verloren stand ich da, der Gnade derjenigen anheim gegeben, die keine Seele und keine Ehre haben.»Du scheinst müde zu sein, Jalav«, sagte Ceralt und strich mir über das Haar. »Möchtest du, bevor du dich schlafen legst, noch etwas essen?«

Ich schüttelte den Kopf. Mein einziger Wunsch war, meine Gefangenschaft mit dem Tod zu beenden. Ceralt nahm freundlich meinen Arm und führte mich zu dem Pfosten, wo die Kette diesmal um mein linkes Fußgelenk gelegt wurde. Ich ließ mich nieder und sah ihm und Telion zu, wie sie die Reste des Fleisches wegräumten, den restlichen Renth tranken und zuletzt die Kerzen löschten.

Dann wartete ich darauf, daß die Männer sich neben mich legen würden und sich wieder meiner bemächtigten, aber das war nicht der Fall. Das konnte ich am allerwenigsten verstehen. Hatten sie mich nicht eine Gefangene genannt? Aber vielleicht wollten sie nicht neben jemandem liegen, der so erniedrigt worden war. Das hätte ich verstehen können. Einsam schlief ich ein.

10

Midas Besuch – und eine Beziehung wird entdeckt

Furchterfüllt wachte ich auf, denn im Schlaf hatte ich Besuch von Mida bekommen. Meine Augen waren von ihrem Licht geblendet worden. Ich hatte versucht, mich in meinem Elend vor ihr zu verbergen, aber wie kann man sich vor Mida verstecken? Tröstend hatte sie sich mir zugewandt und gesagt: »Verzweifle nicht, Jalav. Die Anführerin der Hosta ist nicht besiegt und erniedrigt worden.«

»O doch, das bin ich«, hatte ich geschrien. »Dieser Mann, den man Ceralt nennt, hat mich erniedrigt, und doch will er nicht dein Gesetz erfüllen. Gibt es nichts, was du dazu tun kannst, göttliche Mida?«