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Ich war sprachlos. Und ob ich etwas dagegen hatte! War ich nicht eine Kriegerin der Midanna, war ich nicht die Anführerin der Hosta, der nicht einfach ein Mann erklären konnte, er wolle sie jetzt nehmen? Konnte Mida denn nicht die Scham erkennen, die mir damit bereitet wurde? Also fragte ich: »Und warum sollte ich nichts dagegen haben?« Ceralt lachte herzlich und entgegnete: »Die Antwort auf deine Frage, mein Kind, ist eine weitere Frage. Du hattest dich schon lange von deiner Leine befreit, trotzdem warst du noch nicht im Wald verschwunden. Darum also die Frage: Warum bist du nicht davongelaufen?«

Da ich ihm nicht die volle Wahrheit sagen konnte, erklärte ich ihm: »Ich wollte Fayan, meine Kriegerin, nicht alleinlassen.« Wieder lachte er und sagte: »Fayan wird durch ihr eigenes Verlangen hier festgehalten. Sie hat ihr Herz an Nidisar verloren, und hält statt dessen seines gefangen. Alle, die sie beobachtet haben, wissen das, und du weißt das auch, Jalav. Ich weiß, warum du nicht geflohen bist, und das erfüllt mich mit großer Freude.« Er nahm mich in die Arme und sagte zärtlich: »Du kannst es nicht ertragen, dich von mir zu trennen, und ich kann es nicht ertragen, von dir getrennt zu sein.« »Das ist Unsinn«, sagte ich erschrocken, als er sich zu mir herunterbeugte, um mich zu küssen. »Ich werde dich mit Freuden verlassen, sobald ich nur kann.« »Frauen!« brummte Ceralt ärgerlich. »Mögen sie zivilisierte oder wilde sein, alle wollen sie überredet werden. Kannst du nicht ein einziges Mal zugeben, Jalav, daß du mir gehören willst?«

»Dir gehören?« wiederholte ich erregt. »Ich werde niemals die Deine sein! Ich bin eine Kriegerin der Midanna und gehöre Mida!« Ich stieß ihn von mir. Traurig ließ er mich los. »Nun gut«, sagte er, »wie ich sehe, kannst du es noch immer nicht zugeben. Deshalb muß ich dich so lange gefangenhalten, bist du es nicht mehr leugnen kannst. Bis dahin bleibst du mein Eigentum.«

»Und das meine«, sagte Telion vom Zelteingang her. Belustigt blickte er auf uns.

»In der Tat, das hatte ich vergessen«, murmelte Ceralt. »Telion, mein Freund, ich kaufe dir deinen Anteil ab.« »Anteil?« fragte Telion mit hochgezogenen Augenbrauen. »Wenn ich mich recht erinnere, wollten wir sie uns gleichberechtigt teilen.«

»Das stimmt«, entgegnete Ceralt mürrisch, »doch habe ich das größere Anrecht, denn sie wurde in meiner Stadt gefangengenommen. «

»Und es ist meine Stadt, die sie vernichten will«, erwiderte Telion. »Also habe ich das größere Anrecht.« »Aber ich wurde von ihrem Stamm gefangengenommen und lange festgehalten«, sagte Ceralt.

»Auch ich wurde von ihrem Stamm gefangengenommen, und allerdings nur kurz festgehalten«, sagte Telion und fügte, als Ceralt schon zu strahlen begann, schnell hinzu: »Aber ich wurde zuerst gefangengenommen.«

Die zwei Männer standen sich wie zwei kämpfende Kinder der Wildnis gegenüber. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, um was es ging und bezweifelte auch, daß sie es mir hätten erklären können. Mida konnte es vielleicht verstehen, aber sonst niemand.

Ceralt verschränkte entschlossen die Arme und sagte: »Und ich verspüre eine tiefe Liebe für sie.«

Telion verschränkte gleichfalls die Arme und erwiderte: »Und auch ich – habe sie sehr liebgewonnen.« Ungläubig starrte Ceralt ihn an. Offensichtlich hatte er etwas anderes erwartet. Telion lachte über seinen Gesichtsausdruck, dann legte er ihm den Arm um die Schulter und sagte: »Das, mein lieber Freund, wollte ich von dir hören. Ich war im Zweifel, ob du es eingestehen würdest.«

»Ich mußte es doch«, sagte Ceralt. »Wie hätte ich dich sonst bewegen können, mir deinen Anteil zu überlassen.« »Ich werde ihn dir schenken«, erwiderte Telion, »denn ich habe schon lange gemerkt, daß sie an dir mehr interessiert ist als an mir.«

»Ich bin an keinem Mann interessiert«, warf ich ein, aber niemand beachtete mich.

»Ich habe mir auch ein anderes Zelt besorgt«, fügte Telion hinzu. »Es steht neben diesem hier.«

»Du bist der verständigste aller Freunde«, sagte Ceralt lächelnd. »Hättest du nicht daran gedacht, so hätte ich dich darum gebeten.«

»Es ist nicht nur wegen des Verständnisses«, entgegnete Telion mit schlauem Blick, »sondern es war tatsächlich nötig, was ich dir noch zeigen werde.«

Er verließ das Zelt, und Ceralt sah mich mit einem fragenden Blick an, so, als würde ich ihn verstehen. Ich verstand aber gar nichts, und das ging mir schon längere Zeit so. Also ließ ich die Dinge an mich herankommen und hoffte, daß sie sich von alleine aufklären würden. »Sieh einmal, was mir in die Falle gegangen ist!« sagte Telion, als er zurückkam. Über seiner Schulter trug er Larid, an Händen und Füßen gefesselt und im Mund einen, Knebel. Sie strampelte wild mit den Beinen, doch das half ihr nichts. Mida machte uns ihren Dienst wahrlich nicht leicht! »Ich habe sie noch nicht verhört«, sagte Telion, »weil ich glaubte, daß das, was sie zu erzählen hat, auch für dich wichtig sein könnte.«

»Das werden wir gleich feststellen«, meinte Ceralt. Telion setzte Larid auf den Boden und nahm ihr den Knebel ab. Sie sah ihn mit bösen Blicken an, aber er schien das nicht zu bemerken und lächelte sie freundlich an. »Wir freuen uns außerordentlich, dich wiederzusehen«, sagte er und fragte: »Wo sind die anderen?«

»Die Hosta befinden sich überall um euch herum«, fauchte Larid zornig. »Laßt mich sofort frei, und euer Leben wird geschont werden!«

»Das ist sehr lieb von dir«, erwiderte Telion, »trotzdem, so glaube ich, sollten wir dich noch eine Weile in Gewahrsam halten. Darf ich fragen, wo genau die Hosta sich überall um uns herum befinden?«

»Überall«, antwortete Larid. »Und wenn ich in einer Stunde nicht wieder bei ihnen bin, werden sie euch angreifen.« »Dann müssen wir also noch eine ganze Stunde warten«, meinte Ceralt mit einem Gähnen. »Da ich nicht viel Zeit brauche, um mein Schwert umzugürten, muß ich mich nicht beeilen.« »Und da ich mein Schwert immer umgegürtet habe«, sagte Telion, »muß ich mir die Zeit anderweitig vertreiben. Aber wie?« Er dachte einen Moment nach, dann hellte sich sein Gesicht auf. »Ich hab's«, sagte er. »Ich werde mir vom Sklaventreiber der Karawane die schwere Peitsche holen, so daß ich, wenn der Angriff in nicht genau einer Stunde erfolgt, in der Lage bin, diejenige zu bestrafen, die mich so gemein belogen hat.«

Er tat so, als wolle er das Zelt verlassen. Larid sah ihn ängstlich an und sagte: »Warte noch. Vielleicht habe ich mich im Zeitpunkt geirrt, und er kommt nicht vor Anbruch der Dunkelheit. «

»Das macht doch nichts«, erwiderte Telion. »Auf alle Fälle kann ich die Peitsche schon einmal holen.« »Halt, nein!« rief Larid mit großen, hilflosen Augen. »Ich... ich habe nicht die Wahrheit gesagt vorhin. In... in Wirklichkeit weiß ich gar nicht, wo die Hosta sind.« Telion und Ceralt sahen sich zufrieden an. Ich mußte gewaltsam ein Lächeln unterdrücken, um sie nicht mißtrauisch zu machen. Larid hatte sich wieder einmal als wahre Schauspielerin erwiesen, und die Männer dazu gebracht, ihr zu glauben. »Das ist aber gar nicht schön, was ich da hören muß«, sagte Telion mit gerunzelter Stirn. »Jetzt mußt du aber wirklich die Wahrheit sagen, oder die Strafe folgt auf dem Fuß.« »Bitte, schlag mich nicht!« sagte Larid. »Ich will bestimmt die Wahrheit sagen.«

»Also gut«, entgegnete Telion. »Zunächst will ich wissen, wie du hierherkamst.«

»Ich wollte Jalav befreien«, antwortete Larid kleinlaut. »Ich wartete außerhalb der Stadt, als wir geflohen waren, und bin euch dann gefolgt.«

»Du bist also eine von den dreien«, sagte Ceralt erstaunt. »Wie habt ihr euch von den Metallfesseln befreien können, und wo sind die anderen zwei?«

»Wir haben jemanden aus der Stadt dazu gezwungen«, sagte Larid. »Binat und Comir gingen, um die Hosta zu suchen, und ich blieb zurück, um in der Nähe von Jalav und Fayan zu bleiben.«

»Dann mußt du also Larid sein«, meinte Telion. »Sag mir, Larid, wohin sind die beiden anderen gegangen, um die Hosta zu suchen?«

»In die Richtung von Ranistard«, erwiderte Larid. »Sie wissen zwar nicht genau, wo es liegt, aber sie haben sich nach Norden gewandt.«

Telion winkte Ceralt in eine entfernte Ecke des Zelts und beriet sich mit ihm. Larid sah mich stolz an. Ich legte meine Finger auf die Lippen, dann legte ich die Hand mit dem Handteller nach oben auf den Schoß. »Gut gemacht«, hieß das in der stummen Sprache der Midanna. Larid strahlte mich an, aber dann verdunkelten sich ihre Augen. Mir wurde klar, daß sie mit einer Botschaft für mich gekommen war, aber ich konnte sie nicht fragen, da die beiden Männer zurückkehrten. »Fürs erste wollen wir dir Glauben schenken«, sagte Telion zu Larid. »Sollte sich jedoch herausstellen, daß du uns belogen hast, ist dir die Peitsche sicher.«

»Ich habe nicht gelogen«, schluchzte Larid furchtsam. »Bitte, schlagt mich nicht!«

»Wir werden sehen«, sagte Telion, dann beugte er sich vor ihr nieder, hob ihr Kinn und fragte: »Erinnerst du dich, wer ich bin?«

Verwirrt antwortete sie: »Ja. Du bist der Sthuvad, den wir hatten, bevor wir aufbrachen.«

»Genau«, lächelte Telion. »Und kannst du dich noch erinnern, was geschah, bevor ihr aufbracht?«

Larid öffnete den Mund, um ihm zu antworten, schloß ihn dann aber vorsichtig wieder. »Ich sehe, daß du dich erinnerst«, sagte Telion grimmig lächelnd. »Ein Gefangener wurde von einer Kriegerin ohne seine Einwilligung benutzt. Ich habe so eine Ahnung, daß heute das Umgekehrte passieren wird.« Larid sah mich besorgt an, aber ich konnte nichts tun, um ihr zu helfen. In gewisser Hinsicht hatte sie sich auch selbst in diese heikle Lage gebracht.

»Ich glaube, du solltest sie nun in dein Zelt bringen«, sagte Ceralt mit einem Lachen zu Telion. »Es wird gleich Zeit zum Essen sein, und vorher muß ich noch Jalavs Wunde auswaschen.«

»Wunde?« fragte Telion und sah mich an, aber ich wußte selbst nichts davon. »Von ihrer Begegnung mit dem Hadat«, sagte Ceralt und nahm mein linkes Bein in die Hand. Tatsächlich, an der Wade befand sich ein kleiner Riß, den ich bis dahin nicht einmal bemerkt hatte.

»Ja, wirklich«, sagte Telion. »Hätte ich den Vorfall nicht mit eigenen Augen gesehen, würde ich es nicht glauben.« »Ich auch nicht«, entgegnete Ceralt. »Und alles wegen dieser albernen Halia.«

»Die jetzt eine gezüchtigte Halia sein wird«, lachte Telion. »Als du mit Jalav fortgingst, schien sie der Schlag getroffen zu haben. Sie weinte, warf sich auf den Boden und schrie, sie wolle keinen anderen Mann als dich haben. Ihr Vater brachte sie zu ihrem Zelt, und auf dem Weg nahm er einen starken Ast mit. Als ich vorbeikam, konnte ich sie schon heulen hören.« »Vielleicht tut es ihr gut«, meinte Ceralt. »Ich für mein Teil würde sie nie als Frau haben wollen.«

»Ich auch nicht«, sagte Telion, dann warf er Larid wieder über die Schulter und sagte: »Wir sehen uns morgen früh.« »Bestimmt nicht vorher«, entgegnete Ceralt lachend, mit einem Blick auf mich. Larid warf mir beim Verlassen des Zelts einen verzweifelten Blick zu. Bestimmt hatte ihre Gegenwart einen besonderen Zweck.

»Zeig mir dein Bein!« befahl Ceralt. Mit einem feuchten Tuch wusch er vorsichtig das Blut von dem Kratzer ab. Dabei hielt er mein Bein zärtlich fest. So kraftvolle Hände hatte er, so muskulöse Arme, so breite Schultern! Zu Hause, in den Zelten der Hosta, wäre er bestimmt einer meiner Favoriten geworden. Ein Sklave brachte das Fleisch für die Abendmahlzeit und sah mich neugierig an. Ceralt lachte, als er sich wieder entfernte und schnitt mir eine Portion Fleisch ab. Wir aßen schweigend, wobei Ceralt einige Schlucke Renth trank, mir davon aber nichts abgab.

Als wir fertig waren, stand Ceralt auf, um die Kerzen zu löschen. Ich erhob mich gleichfalls und begab mich zu meinem Pfahl. »Was machst du da?« fragte Ceralt mich erstaunt. »Ich warte darauf, angekettet zu werden«, entgegnete ich und fand seine Frage etwas merkwürdig.

»Das sehe ich«, entgegnete er. »Und warum, meinst du, sollte ich dich anketten?« Ich sah ihn an und fragte mich, wie lange er wohl noch solche dummen Fragen stellen würde. »Nun, um mich von der Flucht abzuhalten«, sagte ich.

»Und ist das nötig?« fragte er, »wo wir doch nun sogar zwei deiner Kriegerinnen gefangenhalten?«

Daran hatte ich nicht gedacht, aber er hatte die Wahrheit gesagt. Zunächst einmal mußte ich hören, welche Botschaft Larid für mich hatte. Vielleicht waren meine Kriegerinnen irgendwo versteckt, wo ich sie nicht leicht finden konnte. »Ich höre keine Antwort von dir«, sagte Ceralt und legte sich, nachdem er die letzte Kerze ausgelöscht hatte, neben mich. »Vielleicht ist der Grund auch, daß du gar nicht von mir weglaufen willst.« Damit zog er sich und mich behutsam aus. Ich wußte nicht, was ich ihm auf seine merkwürdigen Bemerkungen antworten sollte, wurde dieser Mühe aber auch enthoben. Seine starken Arme umfingen mich wieder, sein haariger Körper preßte sich an mich und brachte mein Blut in Wallung. Ich wollte ihn nehmen, aber er lachte, warf mich auf den Rücken und nahm mich statt dessen. Als Anführerin der Hosta hätte ich dies eigentlich nicht dulden dürfen, aber ich wußte ja, daß er in Übereinstimmung mit Midas Willen handelte. So ließ ich alles geschehen, was er mit mir anstellte. Gesegnet sind die, die Midas Befehlen ohne Widerwort gehorchen.