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Diese Nachricht verwirrte mich sehr. Obwohl der Verlust des zweiten Kristalls nicht unerwartet kam, schien es nun so, daß dies mit Einwilligung der Silla geschah. Die Silla waren Todfeinde der Hosta, trotzdem konnte ich nicht verstehen, wie eine Midanna einen Kristall der Mida nicht mit ihrem Leben verteidigen konnte.

»War Gimin in der Lage, herauszubringen, warum der Kristall gestohlen wurde?« fragte ich.

»Die Männer wußten den Grund nicht«, entgegnete Larid. »Sie haben uns nur erzählt, daß sie für den Diebstahl viel Metall erhielten.«

»Jetzt sind also beide Kristalle in der Hand derjenigen, die nicht einmal würdig sind, auch nur einen Blick darauf zu werfen«, sagte ich. »Wenn wir die Kristalle zurückerobert haben, werde ich dafür sorgen, daß die Silla nicht mehr die Ehre erhalten, einen davon zu bewachen.«

»Ich habe nie verstanden, wieso ihnen die Ehre überhaupt zuteil wurde«, erwiderte Larid. »Vielleicht werden die Silla auf ihrer Suche nach dem Kristall zu uns kommen.« »Das würde uns sehr willkommen sein«, sagte ich drohend. »Ein wirklicher Spaß«, stimmte mir Larid zu. »Sie sprechen von Spaß«, sagte Telion zu Ceralt. Beide hatten sich unbemerkt genähert. »Meinst du, daß sie von uns sprechen oder darüber, was wir ihnen wohl in Ranistard kaufen werden?«

»Vermutlich von beidem«, meinte Ceralt. »Frauen sind in der Lage, sich gleichzeitig mit mehreren dieser Dinge zu beschäftigen. «

»Da stimme ich dir zu«, antwortete Telion. Dann beugte er sich nieder und zog die entrüstete Larid an ihrem Halsband hoch. »Komm, meine Süße«, sagte er. »Ich verspüre den dringenden Wunsch nach einem kleinen Waldspaziergang. Solltet ihr aufbrechen, bevor wir zurück sind, Ceralt, laß mein Kan dort drüben stehen.« Damit verschwand er mit der sich heftig sträubenden Larid. »Ich glaube, daß der Spaziergang sie einige Zeit in Anspruchnehmen wird«, sagte Ceralt grinsend. »Die Idee scheint gar nicht so übel zu sein.« Er blickte mich auffordernd an. Da ich im Moment ganz andere Dinge zu bedenken hatte, stand ich auf und zuckte die Schultern. »Im Moment birgt der Wald nichts Interessantes für mich«, entgegnete ich. »Wann reiten wir weiter?«

»Bald«, knurrte er, offensichtlich sehr enttäuscht. Dann musterte er mein Halsband und meinte: »Vielleicht sollte ich doch wieder die Leine anbringen. Niemand soll denken, du seist weniger begehrbar als die beiden anderen Weiber.« »Die Gedanken anderer interessieren mich nicht«, entgegnete ich mit verschränkten Armen. »Ceralt zieht sie viel zu oft in Betracht.«

»Das muß man tun, wenn man unter ihnen lebt«, erwiderte er trocken. »Dir würde es auch nichts schaden.« »Jalav dient nur Mida«, entgegnete ich. »Und nur ihre Gedanken muß sie in Betracht ziehen.«

»Jalav sollte besser Ceralts Wünsche in Betracht ziehen«, antwortete er mit strengem Blick. »Hast du dir inzwischen überlegt, was mit den jungen Damen geschehen soll?« »Wenn sie Mida gefallen, wird sie sich darum kümmern«, erwiderte ich.

»Ich habe aber wenig Lust, auf das Eingreifen deiner Mida zu warten«, sagte Ceralt ärgerlich. »Entweder ist dir bis morgen früh etwas eingefallen, oder ich werde dich in ihre Mitte schaffen und ihnen beweisen, daß die allmächtige Jalav auch nur ein Weib wie andere ist – das man züchtigt, wenn es sich widersetzt. Nun komm, die Karawane bricht auf!« Nach einem längeren Ritt gesellten sich Telion und Larid wieder zu uns. Telion machte einen sehr vergnügten Eindruck, aber auch Larid schien sehr zufrieden mit sich zu sein. Ihr Halsband war verschwunden. Ich wußte nicht, was sie diesmal mit dem unglücklichen Krieger angestellt hatte, aber jedenfalls hatte sie ihr Ziel erreicht. Zwar hatte sie den Verlust ihrer Waffen beklagt, aber es war mir klar, daß sie auch ohne sie zurechtkommen würde.

Der nächste Tag war trübe, denn die ganze Zeit fielen Midas Tränen herunter. Die Männer zogen Felle über, um die Nässe abzuhalten, und bestanden zu meiner und meiner Kriegerinnen Entrüstung darauf, daß wir desgleichen taten. Unser Einwand, daß Midas Tränen ein Segen sei, der demjenigen, der in ihnen badet, den Sieg in der nächsten Schlacht verheißt, fruchtete nichts. Selbst Fayan weigerte sich standhaft, die Felle überzuziehen, aber wir wurden wieder gefesselt und konnten uns nicht wehren, als man uns in die Felle hüllte. Ein Gutes bewirkten Midas Tränen aber doch noch nach Meinung Ceralts. Ein Mann, der die Stadtweiber begleitete, kam geritten und berichtete ihm, daß die Weiber dadurch an der Ausführung ihrer Idee gehindert wurden, genauso gekleidet zu gehen wie die Midanna. Obwohl er mich dabei böse anstarrte, mußte ich lachen. Ceralt verschloß schnell meinen Mund mit seiner Hand und erklärte, der Regen habe irgendwie meinen Geist verwirrt.

Volle drei Tage fielen Midas Tränen. Sie durchnäßten alles um uns herum. Selbst die Bäume bogen sich unter der Nässe und ächzten. Kein Feuer konnte angezündet werden, und das Fleisch war nach langer Zeit wieder einmal eßbar. Am vierten Tag kehrte das Licht zurück. Meinen Kriegerinnen und mir wurden die verhaßten Felle und die Fesseln wieder abgenommen, und alle atmeten auf.

Am Abend, als wir auf den Aufbau der Zelte warteten, hörten wir Lärm aus der Richtung des Gefährtes, das die Stadtweiber transportierte. Neugierig gingen wir hinüber. Der Anblick, der sich uns bot, ließ Ceralt aufstöhnen, während Nidisar und Telion kicherten. Die Weiber hatten, zum großen Zorn ihrer Begleiter, ihre Röcke so weit gekürzt, daß sie unseren Stammeskleidungen glichen, und hatten offensichtlich auch die Absicht, die Oberteile ganz abzulegen. Mit rot angelaufenen Gesichtern brüllten die Männer sie an, aber die Weiber, obwohl leicht nervös, blieben standhaft. »Da siehst du, was du angerichtet hast«, brummte Ceralt. »Das ist nicht meine Schuld«, entgegnete ich. »Wenn sie Speere in die Hand nähmen, um im Wald zu jagen, würdest du dann dir die Schuld geben, nur weil du Jäger bist?« »Das ist nicht dasselbe«, meinte Ceralt. »Du gehst jetzt sofort zu ihnen und sorgst dafür, daß sie ihre Albernheiten aufgeben!«

Ich erklärte ihm gerade, daß ich niemals bereit sei, so in das Leben anderer einzugreifen, als plötzlich wilde Horden aus den Büschen auftauchten und schwertschwingend über uns herfielen. Laute Schreckensschreie ertönten. Die Wachen, die überrascht worden waren, fluchten, und die Bewaffneten, die ihren Todesstreich erhielten, sanken mit einem unvermittelt endenden Schrei zu Boden.

»Banditen!« schrie der Mann, den man den Karawanenmeister nannte. »Verteidigt die Karawane!«

Die, die dazu in der Lage waren, rissen ihre Klingen heraus und stürzten sich ins Getümmel. In solch einer Schlacht konnten Hosta nicht abseits stehen. Meine Kriegerinnen und ich bemächtigten sich der Schwerter derjenigen, die sie nicht mehr benötigten, und stürzten uns gleichfalls in den Kampf. Viele der Angreifer waren von ihren Kand abgestiegen, denn sie schienen nicht an einen Kampf vom Rücken eines Reittieres aus gewohnt zu sein. Mit dem Schlachtruf der Hosta auf den Lippen griffen wir sie an. Links und rechts von uns sanken die Angreifer zu Boden. Angstschreie ertönten, aber in der Schlacht kennen die Hosta keine Gnade. Schon bald hatten wir die Verteidiger des Lagers in unserem Blutrausch hinter uns gelassen, denn zu lange schon hatten wir die Freude des Sieges vermissen müssen.