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»So, der Neffe«, rief der Zar. »Dann sag mal, Johannes: Für wen hast du diesen Auftrag ausgeführt?«

Johannes schluckte. »Für niemanden, Eure Majestät. Ich habe es für mich gemacht.«

Onkel Michaels Gesicht schien neben der rechten Schulter des Zaren zu schweben und Johannes sah erschrocken, wie es grau wurde. Es war eine dumme Antwort gewesen, erkannte er. In Zar Peters neuer Stadt gab es keine Zeit für Müßiggang. Niemand arbeitete hier für sich.

»So«, sagte der Zar nur. »Geh zur Seite. Ich will es mir ansehen.«

»Natürlich, Eure Majestät«, erwiderte Johannes – und fügte geistesgegenwärtig hinzu: »Aber erlaubt, dass ich es auf den Tisch beim Fenster stelle. Dort ist mehr Licht.«

Der Zar kam ihm zuvor. »Lass«, befahl er, dann nahm er das Schiff behutsam auf und ging selbst zum Fenster. Iwan war gerettet – falls er nicht schon vor Angst gestorben war. Lange betrachtete Peter die filigran geschnitzten Masten.

»Sogar die Takelage hast du nachgebildet – und jeder Knoten sitzt am richtigen Platz«, murmelte er.

Johannes wagte zu nicken und errötete vor Stolz.

»Woher weißt du so genau, wie mein Schiff aussieht?«

»Ich habe es gesehen. In Archangelsk.«

»Ich kaufe es dir ab«, bestimmte der Zar. Die Endgültigkeit, die in seinen Worten lag, zeigte, dass er es gewohnt war, der Herrscher über eine ganze Welt zu sein. »Wie viel verlangst du dafür?«

Fassungslos sah ihn Johannes an. Carsten Sund trat vor. »Das Schiff hat er bereits verkauft, Eure Majestät.«

Ein Schatten huschte über das Gesicht des Herrschers. »Stimmt das?«, wandte er sich barsch an Johannes. Carsten Sunds Miene war angespannt und Johannes sah, welchen Plan er verfolgte: Er wollte das Boot kaufen, um es Zar Peter zu schenken. Diesen Schachzug würde Johannes ihm verderben. Seine Zunge klebte ihm am Gaumen und machte es schwer, zu antworten. Wütend blitzte er Sund an. Er war keine Spielkarte, er wollte keine sein, nicht für Sund und für keinen Herrscher dieser Welt, erkannte er plötzlich. Es war ein ungewöhnlicher Gedanke, Marfa und jeder andere hätte Johannes als verrückt bezeichnet.

»Ich hatte tatsächlich daran gedacht, es zu verkaufen«, sagte er schließlich. »Aber nun habe ich mich anders entschieden …«

»Selbstverständlich wird mein Neffe Euch das Schiff schenken«, fiel Onkel Michael ein. Er schwitzte.

Johannes schüttelte langsam den Kopf. »Ich … will es … weder verkaufen noch verschenken.«

Der Atem des Himmels verstummte und die Zeit hielt die Luft an. Onkel Michael japste. Carsten Sund griff sich an die Stirn. Er sah aus, als hätte er soeben Johannes’ Todesurteil vernommen. Du bist wahnsinniger, als Mitja es je sein wird, dachte Johannes. Ihm wurde übel.

Mit einem lauernden Gesichtsausdruck betrachtete der Zar ihn, als würde er ihn jetzt erst richtig wahrnehmen. Dann, unendlich langsam, drehte er sich um und stellte das Modell behutsam auf den Tisch neben dem Fenster. »Du liebst die Schiffe wirklich«, stellte er fest. »Aber ohne ein Schiff wirst du mich nicht lassen. Wenn du mir das kleine nicht geben willst, wirst du mir ein großes bauen.«

Dann wandte er sich streng an Onkel Michael.

»Michail, lässt du deinen Neffen verhungern?«, bellte er und zeigte auf Johannes’ Hemd, das ihm etwas zu groß war und um seine Arme schlotterte. »Füttere ihn noch ein paar Wochen und dann schick ihn zu mir. Ich werde dich entschädigen.« Er lächelte Johannes wohlwollend zu. »Wenn du erst einmal in meiner Werft arbeitest, wirst du bald solche Schultern bekommen wie ich!« Er lachte dröhnend und scheuchte seine Gefolgsleute aus der Werkstatt.

Carsten Sund warf Johannes beim Hinausgehen einen irritierten Blick zu und beeilte sich dann dem Zaren zu folgen. Gemurmel und Getrappel ertönte und Marfa eilte mit hinaus, um den Besuch zu verabschieden.

Johannes und Michael blieben zurück. Sie mussten sich sehr ähnlich sehen, beide mit offenem Mund, beide blass und mit hängenden Armen. Ich kann Schiffszimmermann werden, hallte es in Johannes’ Kopf. Der Zar hat mich für die Werft angeheuert! Er fragte sich, ob er gleich aus einem wirren Traum erwachen würde. Sein Onkel dagegen schien alle Kraft zu verlieren, er schleppte sich zum nächsten Tisch und stützte sich schwer darauf ab.

»Onkel Michael?«, fragte Johannes zaghaft. Im nächsten Augenblick traf eine schallende Ohrfeige seine Wange. Erschrocken taumelte er zurück.

»Bist du verrückt?«, fuhr sein Onkel ihn an. »Bist du ganz und gar wahnsinnig, dem Zaren ein Geschenk zu verweigern?«

Die Empörung ließ das Blut in Johannes’ Wangen schießen. Seine rechte Gesichtshälfte pochte. »Er hat uns als Zimmerleute angeworben, nicht gekauft. Wir sind nicht seine Leibeigenen«, sagte er ruhig.

Sein Onkel wurde noch wütender. »Er ist der Zar!

Wie auch immer wir uns bezeichnen, wir dürfen ihn nicht verärgern.«

»Ich habe ihn nicht verärgert.«

»Heute nicht, weil er zufällig gute Laune hatte.

Aber an einem anderen Tag, in einer anderen Stimmung hätte er dich auf vielerlei Art bezahlen lassen können. Für ein lächerliches Holzschiff!«

»Es ist die Sankt Paul«, erwiderte Johannes eisig.

Onkel Michael schüttelte den Kopf. »Ein Spielzeug ist es«, sagte er verächtlich. »Du spielst damit, wie du mit deinem Leben spielst. Mein Gott, du bist ebenso leichtsinnig und verbohrt wie dein Vater! Ich werde nicht schlau aus dir – was geht in deinem Rübenkopf vor?«

»Was geht in deinem Kopf vor?«, erwiderte Johannes. »Wenn es so ist, wie du sagst, sei doch froh, dass du mich loswirst!« Die Wut und die Scham darüber, von seinem Onkel geschlagen worden zu sein, saß tief. Noch schlimmer aber war die Beleidigung gegen seinen Vater.

Onkel Michael sah ihn traurig an. Dann stand er auf, schlurfte zur Werkstatttür und schloss sie. »Die Werft ist eine Versuchung«, sagte er leise. »Ich verstehe dich, Johannes, besser als du denkst. Du meinst, du kannst die Hunde erst von der Kette lösen und sie dann mit einem Pfiff wieder einfangen. Aber du überschätzt dich.« Wenn du wüsstest, dachte Johannes, was es für Hunde sind, die um unsere Werkstatt herumschleichen.

»Der Zar ist ein kranker Mann«, sagte Michael leise. »Und krank geworden sind wir beide am selben Tag. Damals war ich jünger als du heute. Mein einziger Freund in diesem fremden Land war Stephan Gaden – ein Arzt, der am Hofe angestellt war. Wenn er genug hatte von der Zarenfamilie, den russischen Gesängen und der muffigen Luft hinter den dicken Mauern der Kremlpaläste, kam er zu mir und wir tranken zusammen. Zar Peter war damals ein Knabe.

Wie du weißt, war sein Vater, Zar Alexej, zweimal verheiratet. Als er starb, wurde Peters Halbbruder Fjodor der neue Zar. Doch er starb schon bald, kaum zwanzig Jahre alt und kinderlos. Zar Peter stammte aus der zweiten Ehe. Eigentlich hätte sein Halbbruder, der Zarewitsch Iwan, die Erbfolge antreten sollen, aber da er schwachsinnig war, bestimmten die höchsten Würdenträger Peter zum Nachfolger. Die Familie der ersten Frau fühlte sich um ihre Erbfolge gebracht. Sie streuten das Gerücht, Iwan sei tot und Peters Sippe habe ihn ermordet, und wiegelten die Strelizen auf – die Kreml-Garde. Und die Strelizen riefen zur Rebellion gegen ihre eigenen Kommandeure und gegen die Zarenfamilie.« Er schluckte. »Im Mai stürmten sie in den Palast und brachten vierzig Verwandte von Peter um. Fürst Michail Dolgorukij, ein Strelizenkommandeur, war der erste, den seine eigenen Soldaten über die Brüstung in die Spieße und Hellebarden stießen. Die rasende Meute erschlug zwei Brüder der Zariza, dann stürzten sich die Strelizen auf einen Arzt, den sie der Giftmischerei bezichtigten.« Er starrte auf seine Hände. Sie zitterten.