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Mit einem »Klack!« kam die falsche Perle auf dem Holzboden auf, rollte ein Stück und – verschwand in einem Spalt zwischen zwei Dielen. Beim Versuch, sie aus dem Spalt zu bekommen, kratzte er sich die Finger blutig. Es war zu spät. Verzweifelt stopfte er die leere Affenklaue in den Samtsack zurück, den Sack in die helle Kiste und die Kiste in die Truhe. In diesem Augenblick hörte er Getrappel und Geschrei.

Türen klappten, ein Knecht kreischte aus vollem Hals »Diebe!«. Mit seiner Beute floh Johannes zum Fenster. Aus dem Augenwinkel erblickte er eine wehende Mähne im Hof und eine Gestalt, die davonlief, verfolgt von einer Horde, die nun aus dem Haus stürmte.

»Gosudarj Karpakow!«, ertönte ein entsetzter Schrei aus der Schlafkammer. Durch den Spalt im Vorhang erkannte Johannes den Popen, der zum Glück nicht zum Fenster blickte, sondern sich über seinen Herrn warf. Johannes schwang sich aus dem Fenster, kletterte über das Fensterbrett und sprang.

Rauchgeruch fing sich in seiner Nase. Noch während er durch die Luft segelte, fiel ihm ein, dass er für seine Landung auf dem Dach besser eine andere Stelle gewählt hätte. Noch bevor er weiterdenken konnte, krachten seine Knie beim Aufprall auf dem Dach.

Das morsche Dachbrett, das schon vorhin seinem Gewicht nicht standgehalten hatte, brach nun wie eine dünne Eiskruste – und im nächsten Augenblick sauste Johannes durch das Dach in den Stall. Unsanft landete er auf einem Haufen Stroh. Qualm hüllte ihn ein. Wärme leckte über seinen Nacken. Die Stalltür stand weit offen, Knechte rannten auf die Pferdeboxen zu. Doch als sie Johannes sahen, weiteten sich ihre Augen vor Entsetzen und sie schrien auf. Richtig, fiel Johannes ein – ich bin der Teufel! Dramatisch riss er die Arme hoch und brüllte die Knechte an. Der Effekt war erstaunlich. Vor seinen Augen verwandelten sie sich in die heulenden, schreienden Seelen im Fegefeuer, die Johannes auf alten Kir-chenbildern gesehen hatte. Stolpernd und kreischend stürzten sie davon.

Als Johannes sich umwandte, konnte er sich vorstellen, was sie gesehen hatten: eine schwarze Gestalt, die einem lodernden Feuer entstieg. Der Stall brannte lichterloh. Nun gab es nur einen Ausweg – zu Fuß würde er kaum über den Hof entkommen können. In der Nähe schlugen schwere Hufe gegen Holz. Johannes hatte zu Hause zwar den einen oder anderen Ackergaul geritten, aber jetzt war es nur die Panik, die ihn dazu brachte, auf die Boxenwand zu klettern, den Riegel zurückzuschieben und sich auf den Rücken des riesigen Pferdes zu schwingen, das vor Angst halb verrückt war. Im nächsten Augenblick brach unter ihm ein Vulkan aus. Strähnen von Mähnenhaar schnitten in seine Hände. Ein Ruck ging durch seine Schultern, dann versuchte er nur noch, sich auf einem gewaltigen Wirbelwind im Gleichgewicht zu halten. Hufe donnerten auf den Boden und er duckte sich im letzten Moment unter dem Türstock. Fackeln blendeten ihn, dann traf ihn ein Schwall Wasser. Schreiende Münder klafften neben ihm und da war auch ein Finger, der auf ihn zeigte.

Eine mit Wucht geschleuderte Mistgabel verfehlte ihn nur knapp, ein Pistolenschuss ließ sein Ohr klingeln. In seiner Panik trieb Johannes das Pferd an. Es preschte mitten in die Menge, walzte eine Schneise in die Leiber und raste in gestrecktem Galopp auf die Straße. Vor dem Nachthimmel schwenkten die Türmer wie verrückt ihre Warnfackeln. Fenster wurden aufgerissen, Leute rannten auf die Straße. Verzweifelt versuchte Johannes sich zu orientieren. Es war Zufall, dass das ungezäumte Pferd die Gasse entlang in Richtung Kirche weiterrannte. Hinter ihm waren wieder Pistolenschüsse zu hören – das reichte, um die ganze Stadt zu wecken. Johannes duckte sich über den Hals des Pferdes. Gleich würden Soldaten auftauchen und ihn vom Pferd schießen. Das Pferd galoppierte um die Kirche und rutschte in der Biegung aus. Johannes glitt vom schweißnassen Rücken seines Reittiers und fiel. Einen Augenblick hörte er nur das entsetzte Quieken des Gauls, einen Ruf und Hufschlag, im nächsten Moment drückte ihm der Aufprall alle Luft aus dem Brustkorb. Feuersterne tanzten vor seinen Augen, er glaubte zu ersticken.

Erst langsam setzte sein benebelter Kopf zusammen, dass das Pferd ihn abgeworfen hatte und er flach auf den Rücken auf dem Boden gelandet war – keine Luft in den Lungen und das Gefühl, an Land zu ertrinken. Schritte und Schreie ertönten in der Nähe.

Gleich darauf saß er zitternd in einem halb vollen Fass und konnte sich kaum daran erinnern, in diese Pferdetränke hineingesprungen zu sein. Eine Horde rannte auf der Straße dem Pferd hinterher. Gellende Rufe wurden weitergetragen, Gerüchte und immer fantastischere Geschichten explodierten in einer Woge aufgeregter Stimmen.

»… hat sich aufgelöst …«

»… in einem Feuerball …«

»… sich in ein Pferd verwandelt …«

Johannes zitterte am ganzen Körper. Das Wasser, das nach Holz und nasser Erde roch, schloss ihn bis zur Brust ein und tat zumindest seinen Schürfwunden gut, die er sich beim Sturz durch das Dach zugezogen hatte. Er musste hier weg – nicht lange und die Soldaten würden die Leute von den Straßen treiben und anfangen nach dem Übeltäter zu suchen. Hastig griff er nach dem Beutel mit der Perle und war erleichtert. Sie war noch da! Ganz genau konnte er ihre Form durch das Leder hindurch erspüren. Und Jelena? Hatte sie den Stall in Brand gesteckt? Er konnte es sich nicht vorstellen. Die Rufe wurden leiser, immer noch klang Hufgetrappel in der Ferne. Hastig spritzte sich Johannes Wasser ins Gesicht, wusch den Ruß von der Haut und stieg aus der Tonne. Seine Hose triefte und er wrang sie, so gut es ging, aus.

Dann rannte er im Schatten der Häuser entlang, wich einigen Nachtschwärmern aus, die immer noch in ihrer Nachtkleidung auf der Straße standen und diskutierten, und machte sich auf den Weg zur Herberge. Ob Jelena entkommen war?

Unwillkürlich wurden seine Schritte schneller, bis er keuchend hinter Koljas Haus ankam. Wie er befürchtet hatte, war es hell erleuchtet, aber zum Glück hielten sich alle beim vorderen Eingang auf und diskutierten. Ungesehen konnte Johannes über den schlammigen Hinterhof zum Fenster schlüpfen. Das Fenster war nur angelehnt. Mit letzter Kraft zog er sich hoch. Im nächsten Augenblick fühlte er zu seiner Erleichterung zwei sehr kräftige Hände, die sich um seine Oberarme schlossen und ihn ins Zimmer zogen. »Gott sei Dank!«, sagte er aus tiefster Seele.

»Seht!«, zischte ihm Jelena zu. Schritte erklangen auf dem Flur, dann wurde an die Tür geklopft.

»Herren?«, fragte Koljas unterwürfige Stimme.

»Was!«, rief Jelena ungehalten mit der tieferen Stimme Jewgenijs.

»Ist alles in Ordnung?«

»Hier drinnen ja!«, gab Jelena zur Antwort.

»Wenn ihr draußen Ruhe halten könntet!«

Die Schritte entfernten sich wieder, laut palaverten Gäste in deutscher und in französischer Sprache. Gelächter drang durch die Ritzen. Der Tumult begann sich in ein ausgeschmücktes Schauermärchen zu verwandeln. Johannes hatte das Unmögliche geschafft: Er war schneller gelaufen als ein Gerücht in russischen Straßen.

»Geht es dir gut?«, flüsterte Jelena. Ihre Finger tasteten über seinen Arm. »Du bist nass«, stellte sie fest.

»Ich hatte mich in einem Trog versteckt – und du?«

»Zwei Straßen bin ich fast nur auf den Dächern unterwegs gewesen. Morgen werden sie erzählen, dass der Teufel bei ihnen über das Dach geritten ist.

Aber deine Schuhe habe ich dabei nicht verloren.«

»Hast du Karpakows Stall in Brand gesteckt?«

»Ich?« Sie lachte leise. »Brehmow, hör auf. Der Idiot von Stallbursche ist von dem Tumult im Haus aufgewacht, sah mich und wollte seine Herrschaft alarmieren. Es gab -ein Handgemenge. Im Stall ist eine Lampe umgefallen. Er hat mich ganz schön erwischt. Ich dachte, er würde mir den Arm auskugeln.« Ihre Stimme begann zu zittern und sank zu einem bangen Flüstern. »Hast du …«