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An dieser Stelle hätte es zu jener Zeit, als einige Gebiete des heutigen Russlands noch zu Schweden gehörten, sicher keine altrussische Stadt gegeben. Dafür zeigt das fiktive Jesengorod aber ein paar authentische bauliche Besonderheiten aus dem Moskau jener Zeit. Anachronistisch ist der im Mittelalter verwendete Kienspanhalter, auch »Maulaffe« genannt, aber auf dem Tisch in Karpakows Kammer macht er sich einfach gut. Unwahrscheinlich ist natürlich, dass der große Architekt Domenico Trezzini zu einem kleinen Handwerker in die Werkstatt kommt, unwahrscheinlich sind auch viele andere Szenen und Situationen, aber historische Märchen blühen eben nicht ausschließlich auf dem harten Boden der Rechercherealität. Ich hoffe, es ist mir gelungen, Fakten und Fantastik so geschickt zu vermischen, wie es in den russischen Märchen der Fall ist. Denn da heißt es am Ende ja auch so schön traumtänzerisch und doch realistisch: »Und sie lebten glücklich und häuften Güter an.« Womit wir schon beim märchenhaften Teil der Geschichte wären! Ob es »Leschij« ist, der Geist des Waldes, oder »Bannik«, der Geist des Bades – im russischen Sagen- und Märchenschatz wimmelt es von übernatürlichen Gestalten. Angeblich gibt es in Russland noch heute den Brauch, beim Umzug in ein neues Haus als ersten Bewohner eine Katze über die Schwelle zu schicken. Das, so sagt man, stimme den Hausgeist »Domowoj« gnädig. Mitten unter diesen sagenhaften Gestalten tummelt sich auch ein ganz besonderer Elementargeist, die slawische Variante der Melusine, Nixe oder Undine – die »Russalka«.

Nicht nur die russischen Dichter Alexander Puschkin und Michail Lermontow haben sie besungen, sie ist auf Opernbühnen zu Hause, treibt in den Märchenbüchern ihr Unwesen und tritt heute – so habe ich mir sagen lassen -oft auf Spielplätzen in Erscheinung. Als klassische Seejungfrau mit einem Fischschwanz wacht sie hier über die Kinder. Und wenn man in den prächtigen Palastgärten in Sankt Petersburg genau hinschaut, findet man so manche Russalka als Figur auf diesem oder jenen Springbrunnen.

Beschrieben wird die Russalka seit jeher auf ganz unterschiedliche Weise. Oft ist sie eine Nixe mit Fischleib, manchmal auch eine schöne Frau, die nach Sonnenuntergang am Flussufer oder auf Friedhöfen auftaucht. Mit wehendem Haar tanzt sie in den Sommernächten im Mondschein auf den Wiesen und macht die Erde fruchtbar. In manchen Geschichten heißt es, eine Russalka sei der Geist eines ertrunkenen Mädchens, der in Weihern wohne und die Menschen zu sich in das nasse Grab locke. Früher feierte man in den ersten Sommerwochen ein »Russalnaja«-

Fest und zelebrierte dabei spezielle Beerdigungsrituale, die die Nixe fern halten sollten.

Geht man davon aus, dass sich in den meisten Sagen und Märchen möglicherweise auch ein Körnchen Wahrheit verbirgt, ist das Gedankenspiel »Und wenn es sie wirklich gegeben hätte?« besonders interessant. Ich habe den Nixen ein Heim in der Newa gegeben und ein Leben ohne Herzschlag, das bedroht ist, als ein mächtiger Zar beschließt, mitten in ihrem Lebensraum seine neue Festungsstadt zu errichten.

Ganz herzlich bedanken möchte ich mich in Sachen Recherche-Unterstützung bei meiner ehemaligen Dozentin Dr. Dorothea König und bei Dr. Jörg Ennen von der Landesbibliothek Baden-Württemberg. Herr Ennen drang tapfer in die tiefsten Tiefen geheimnisvoller Magazine vor, beförderte Informationen zur russisch-deutschen Medizingeschichte ans Tageslicht und spürte dabei auch Kleinode wie das Buch »Blutegel-Therapie im 17. und 18. Jahrhundert« auf. Heroische Recherchetaten verdanke ich zudem Oskar Geppert, den ich mit meinem ersten Roman »Im Bann des Fluchträgers« zum Glück als Fan gewinnen konnte. Zufällig ist er geschäftlich häufig im Sankt Petersburg der heutigen Zeit unterwegs. Und ein nixenhaft inniges Dankeschön natürlich auch an die russisch-deutschen Testleser!

Nina Blazon

Im Labyrinth der alten Könige

Während der großen Magierversammlung in Lom stirbt der Zauberer Darian unter rätselhaften Umständen.

Sein Schüler Julin, die Halbworan Haliz und die Jägerin Fenja glauben nicht an einen Unfall und beschließen auf eigene Faust zu ermitteln.

Die Spur führt sie in die Lomer Silberminen, eine grausame Welt voll düsterer Magie.

Tief unter der Erde, an der letzten Ruhestätte der Worankönige von einst, stoßen die ungleichen Gefährten schließlich auf ein jahrtausendealtes schreckliches Geheimnis …