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»Sie ziehen sich zurück«, bemerkte ein Mann.

»Vielleicht fahren sie zurück«, sagte ein zweiter.

»Sie formieren sich neu«, wußte ein dritter zu berichten.

»Es wird einen weiteren Angriff geben«, meinte jemand.

Den Tag hatten wir mit elf Schiffen begonnen. Aus Port Cos kämpften für uns die Leda und die Tais, aus Ar-Station die Olivia und die Portia und vier Beuteschiffe; aus Fina die Talender, aus Victoria die Mira und die Tina. Von diesen elf Schiffen waren noch fünf im Einsatz, die Tais, die Olivia, die Talender, die Tina und die Hermione. Es war eine winzige Flotte, die sich da der Macht Ragnar Voskjards entgegenstellte. einer Macht, die bestimmt noch durch achtundzwanzig oder neunundzwanzig Schiffe dargestellt wurde.

»Die Tais sollte verschwinden, solange sie noch kann«, sagte ein Mann neben mir, ein Bürger Victorias, ein Überlebender der Mira.

»Sie bleibt in der Formation«, antwortete ein Mann.

»Wer hätte den Sleen aus Cos so etwas zugetraut?« fragte ein Soldat aus Ar, den wir mit mehreren Leidensgenossen von der sinkenden Alcestis an Bord genommen hatten.

»Interessant«, sagte einer seiner Schicksalsgefährten.

»Vielleicht gibt es mutige Männer nicht nur in Ar«, überlegte ein anderer.

»Die Sleen aus Cos haben gut gekämpft.«

»Wo ist Callisthenes?« fragte der Mann von der Mira.

»Ich weiß es nicht«, sagte ich.

»Wir haben keine Steingeschosse und kein Pech mehr«, wurde gemeldet.

Wieder wurde bei den Piraten zum Angriff geblasen.

»Sie haben die Ruder ausgefahren«, sagte jemand.

»Auf die Posten!« rief ein Offizier. »Ruder aus!«

»Warum ist es bei uns so still?« rief Callimachus vom Bugkastell. »Können wir auf die Kampfsignale nicht antworten?«

Männer sahen sich an.

Aber dann regte es sich auf dem beschädigten, geschwärzten Heck der Tina: Ein Trompetenstoß ertönte, der sogleich trotzig von den anderen Schiffen unserer kleinen Streitmacht aufgenommen wurde. Ein unbeschreibliches Gefühl des Stolzes erfüllte mich, und ich umfaßte den Ruderbaum.

»Fertig!« rief der Rudermeister. »Durchziehen!«

Und die fünf Schiffe unserer kleinen Flotte rückten gegen Ragnar Voskjards majestätisch auffahrende Armada vor.

»Die Hermione ist verloren«, sagte jemand.

»Die Talender ist erobert«, meldete ein anderer.

Wir ließen die Ruder ruhen.

»Ich hätte nicht gedacht, daß wir diesen Angriff überleben würden«, sagte jemand.

An Steuerbord lag die Olivia und auf deren Steuerbordseite die tüchtige Tais.

»Sie greifen schon wieder an!« rief eine Männerstimme.

»Das ist das Ende!« lamentierte ein Ruderer.

»Auf dem Heckkastell der Olivia gibt es Geschrei«, sagte ein Mann hinter mir und stellte sich auf die Ruderbank.

Ich folgte seinem Beispiel.

»Die Leute regen sich über irgend etwas auf.«

»Was ist?«

Im gleichen Augenblick tönte auch von unserem Heck ein aufgeregter Schrei: »Schiffe! Schiffe achteraus!«

»Callisthenes!« rief jemand.

»Auf den Bänken bleiben!« brüllte der Rudermeister.

Am Horizont hinter uns waren zahlreiche Punkte aufgetaucht – eine große Flotte, die auf uns zuraste.

»Callisthenes! Callisthenes!« schrien wir. Hüte wurden in die Luft geworfen. Jubelnd umarmten wir uns. Freudentränen liefen über zerfurchte Gesichter.

»Nun wendet sich das Kampfglück!« rief ein Offizier.

Callisthenes befehligte zwanzig Schiffe.

Callimachus, der allein auf dem Deck des Heckkastells stand, hatte ein Glas der Häuserbauer vor das Auge gehoben und beobachtete die Flotte. Ich stieg freudig auf den oberen Rand des Ruderraums. Die aufrückende Flotte nahm den ganzen Horizont ein. Plötzlich wurde mir schwindlig. »Das kann nicht Callisthenes sein«, sagte ich. »Es sind zu viele Schiffe!«

Man bedachte mich mit ungläubigen Blicken.

»Es können nur weitere Schiffe Voskjards sein«, fuhr ich fort.

Dieser Ansicht war ich nicht allein. Beinahe gleichzeitig verstummte das Jubelgeschrei auf der Olivia und der Tais. Stumm dümpelten unsere drei Schiffe im Wasser. Kampftrompeten tönten jetzt nicht nur von vorn, sondern auch in unseren Rücken.

»Der Angriff«, sagte ein Mann.

»Wir sitzen in der Falle!«

»Auf die Posten, Jungs!« rief der Rudermeister.

Ich nahm meinen Platz am Ruder ein. Ich fühlte mich wie vor den Kopf geschlagen. Die Schiffe, die aus Süden anrückten, gehörten eindeutig zu Voskjards Verbänden. Unsere Gegner konnten gar nicht in solchen Massen aus dem Süden her vorstoßen, denn dieser Bereich wurde von Callisthenes’ Einheiten bewacht. Eine solche Flotte durch die zerbrochene Kette zu bringen, erschien mir unmöglich. Vermutlich war sie daher an der südlichen Wachstation über Land verholt worden. Hier hatten wir bei der Verteidigung des Flusses die Hauptgefahr gesehen und deshalb Callisthenes’ zwanzig Schiffe an dieser Stelle postiert. Daß die neuen Schiffe Voskjards jetzt überhaupt und in so großer Zahl gegen uns vorrückten, ließ vermuten, daß sie keine Gegenwehr gefunden hatten, daß sie entweder die Kette unbehindert hatten durchschneiden können oder – was eher anzunehmen war – ihre Flotte an der Süd-Wachstation über Land gerollt und die Kette damit umgangen hatten.

»Fertig!« brüllte unser Rudermeister.

Callisthenes mußte seine Schiffe zurückgezogen haben. Überhaupt hatten seine Informationen über Voskjards Stärke vorn und hinten nicht gestimmt. Seine Schiffe waren für unsere Abwehr unverzichtbar gewesen, doch sie hatten uns bei dem Kampf nicht unterstützt. Es schien ihnen auch nicht gelungen zu sein, die dritte Flotte Voskjards daran zu hindern, uns zu umgehen. Callisthenes mußte seinen Posten aufgegeben haben. Er mußte seine Schiffe zurückgerufen haben. Vielleicht hatte er sich nach Port Cos zurückgezogen, als er erkannte, daß die Lage aussichtslos war.

Unsere Hörner bliesen zum Kampf. Ähnliche Signale antworteten von den anrückenden Piraten.

»Durchziehen!« befahl der Rudermeister.

Die Tina erbebte im Wasser und bewegte sich dann von neuem trotzig und mutig vorwärts, den Bug halb aus dem Wasser erhoben. Die Olivia und die Tais machten es ihr nach.

7

»Dort ist die Tamira«, sagte jemand und deutete nach Steuerbord in das Gewirr der Voskjardschen Schiffe.

Ich warf mein Schwert fort und schnappte mir ein Messer von den Decksplanken, das ich zwischen die Zähne steckte. Dann machte ich von der Bugreling der Tina einen Kopfsprung ins Wasser.

Sofort befand ich mich zwischen hin und her wühlenden Rudern und andern Schwimmern. Dicht neben mir stieß ein Pfeil ins Wasser und kam gleich wieder an die Oberfläche. Hinter mir prallten zwei Schiffsrümpfe zusammen.

Die Olivia, Tais und Tina waren dicht belagert von Piratenschiffen. Auf blutigen Decks widmeten sich Männer dem grausamen Kriegshandwerk. Das Sirren von Bogensehnen lag in der Luft.

Ich klammerte mich an ein Wrackteil. Am anderen Ende hielt sich ein Mann fest. Ich wußte nicht, ob er zu den Piraten gehörte oder nicht.

Der Nachmittag war beinahe vorüber.

Es war, als befände ich mich in einem See blutigen Holzes in der Mitte des Vosk. Ragnar Voskjards Schiffe bedrängten unsere drei Schiffe dermaßen, daß sie weder Rammen noch Scherblätter einsetzen konnten. So manches Piratenschiff war durch Pechgeschosse oder Katapultschüsse der eigenen Seite in Brand gesteckt oder versenkt worden. Ganze Wurfspießgarben hagelten ebenso oft auf Piratenschiffe nieder wie auf unsere Decks, gar nicht zu reden von den Bogenschützen, die oft genug eigene Leute trafen, was die Piraten doch sehr verwirrte.