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Dann näherte ich mich dem zerstörten Heckfenster und schaute unauffällig hinaus.

»Darf ich fragen, wie die Lage steht, Herr?« fragte sie.

»Nein.«

Durch eine Lücke im Gewirr der Piratenflotte konnte ich ausmachen, daß die belagerten Schiffe sich noch immer mutig wehrten. Sicher vermochten sie bis zum Einbruch der Dunkelheit durchzuhalten, aber ein weiterer Tag voller konzentrierter Angriffe war auf keinen Fall zu überstehen. Wie großartig hatten sie gekämpft! Erbitterung durchströmte mich. Zwischen den größeren Schiffen fuhren kleine Boote herum, bemannt von Piraten. Wut erfüllte mich bei ihrem Anblick. Mit diesen Booten wurde nach Überlebenden gesucht, die auf einer solchen Jagd keine Überlebenschance hatten. Sie würden mir die Rückkehr zur Tina erschweren. Mein Blick suchte schließlich das dick umwickelte, wasserdichte Paket auf dem Tisch. Es stellte einen ungeheuren Wert dar, wenn man seinen Inhalt nur richtig einsetzen konnte. Nach einem letzten Blick auf die Schiffe der Piratenflotte und die wehrhaften Verteidiger kehrte ich an den Tisch zurück und setzte mich nieder.

Daß unsere Männer sich so lange hatten halten können, lag vorwiegend an zwei Faktoren: erstens am Gedränge der Piratenflotte, das den Einsatz von Rammen und Scherblättern erschwerte, und zweitens an der ungewöhnlich großen Zahl und Kampfgeschicklichkeit der Ar-Soldaten, die in den Laderäumen der Schiffe aus Ar-Station auf ihren Einsatz gewartet hatten.

Die Taktik, die mir in einer solchen Situation auf der Hand zu liegen schien, hatte Voskjard noch nicht angewandt. Daraus begann ich zu schließen, daß er vielleicht gar nicht bei seiner Flotte war, daß sie womöglich unter dem Kommando eines Untergebenen stand.

Mit Siegelwachs schloß ich behutsam die Öltuchhülle, die ich zu einem rechteckigen Päckchen zusammenfaltete und mit Bindefaser sicherte. Das Mädchen beobachtete mich. Ich stand auf, riß einen Streifen der Bettdecke ab und benutzte ihn als Augenbinde.

»Verzeih mir, Herr!« sagte sie wimmernd.

Nun brach ich ein Brett von der Wand, ein zwei Fuß langes Regal mit allerlei Stecklöchern, um darin Dochte wie den des silbernen Kerzenhalters unterzubringen. Mit Bindefaser befestigte ich das Paket an dem Brett, von dem ich eine Art Zugschlinge ausgehen ließ. Das Brett mitsamt seiner Fracht und der Zugleine legte ich am Fenster zurecht.

Etwa um diese Zeit hörte ich die Signalhörner der Piratenflotte, Befehle, die nach meiner Auffassung zu spät kamen. Ich schaute aus dem Fenster. Wie erwartet zog sich die Piratenflotte zurück. Die Sinnlosigkeit des Angriffs, stur und phantasielos vorgetragen, war dem Oberkommandierenden anscheinend endlich bewußt geworden. Geschickt allein oder zu zweit losgeschickt, an der Flanke abgesichert, konnten die Piratenschiffe nun ihre Rammen und Scherblätter gegen die eingeschlossenen, hilflosen, unterlegenen Schiffe einsetzen. Aber es war schon ziemlich spät. Zweifellos würde man den Angriff auf den nächsten Tag verschieben, damit sich im Schutz der Dunkelheit nicht etwa Überlebende davonmachen konnten.

Langsam kehrte ich zur Koje zurück und nahm dem Mädchen die Augenbinde ab.

Angstvoll blickte sie zu mir auf und kauerte sich tief in die Koje. Sie war die Frau Reginalds gewesen, eines Kapitäns der Piratenflotte.

»Bitte, Herr!« flehte sie. »Tu mir nichts!«

Wie wunderschön sie aussah in ihrem schimmernden, knappsitzenden Sklavenkragen, dessen eigentliche Schönheit in der Tiefe seiner Bedeutung lag, in dem Besitzverhältnis der Frau, die ihn trug.

»Ein hübscher Happen bist du«, sagte ich nachdenklich. »Kein Wunder, daß Reginald dich in Bereitschaft hielt.«

»Ja, Herr.«

»Warum ist Artemidorus, der Erste Offizier, nicht in die Kabine gekommen und hat sich direkt überzeugt, daß du deinen Herrn angemessen erwartest?«

»Außer meinem Herrn Reginald darf mich niemand berühren«, sagte sie stolz. »Oh!« rief sie dann. »Oh!«

»Hast du so schnell vergessen, wem du jetzt gehörst?«

»Dir, Herr, dir! Oh!«

»Anscheinend bist du immer noch bereit, du kleine Köstlichkeit!«

Mit flackerndem Blick starrte sie mich an. »Deine Hand, was tut sie mir an!« Und hilflos hob sie mir ihren Körper entgegen. »Sei gnädig!« flehte sie.

»Nein«, sagte ich.

Die Kerze auf dem Tisch war niedergebrannt. Draußen war es dunkel geworden.

»Bitte, Herr, noch einmal!« flehte sie.

»Du bist ein liebeshungriges, leidenschaftliches Ding«, sagte ich.

»Ich kann nicht anders«, antwortete sie. »Ich bin Sklavin.«

Ich lächelte vor mich hin. Die Sklaverei erweckt in jeder Frau ihr ureigenstes Wesen.

Sanft beugte ich mich in der Koje zum wiederholten Mal über sie. Mein Messer steckte oberhalb des Bettes tief im Holz; im Notfall konnte ich schnell danach greifen.

»Bin ich nicht genauso begierig und leidenschaftlich wie die Sklavendirnen von der Erde?« fragte sie.

Ich hieß sie vor dem Bett aufstehen und band ihr die Hände auf dem Rücken zusammen. »Es gibt noch Hoffnung für dich«, sagte ich.

»Bah!« rief sie. »Eine Goreanerin ist tausendmal leidenschaftlicher als eine Erdendirne.«

»Möglich«, sagte ich lächelnd. »Geh zum Fenster. Es ist spät geworden.«

Durch die dunkle Kabine ging sie vorsichtig zwischen den Scherben hindurch zum Fenster. Ich band der Sklavin die Augenbinde wieder um den Kopf und hielt ein Stück Seidenstoff als Knebel bereit.

»Willst du mich mitnehmen?« fragte sie.

»Ja«, antwortete ich. Ich sagte mir, daß ich einen Abnehmer für sie finden könnte. Vielleicht Aemilianus.

»Oh!« sagte ich plötzlich. Auf dem Niedergang vor der Tür waren Schritte zu hören.

»Das ist Reginald«, sagte sie und hob den Kopf. Ich zweifelte nicht an ihren Worten. Sklavinnen kennen oft den Schritt ihres Herrn.

»Reginald«, flüsterte sie verängstigt. Ihre Unterlippe zitterte. Der Mann war vor der Kabinentür stehengeblieben. Schwungvoll wurde ein schwerer Schlüssel ins Türschloß geschoben. Es war spät. Reginald war gekommen, um sich mit seiner Sklavin zu vergnügen.

Ich hörte, wie das Vorhängeschloß an seiner Kette zur Seite fiel. »Flieh!« flüsterte mir das Mädchen zu und drehte den Kopf herum. Ihre schmalen Handgelenke wanden sich nutzlos in den Fesseln.

Die Tür wurde nach innen geschoben, fand dann aber am Sperriegel ihren Halt. Stille trat ein.

Ich ergriff das Zugseil, das am Brett mit dem Päckchen befestigt war, zog es durch den Sklavenkragen des Mädchens und verknüpfte die Schnur.

»Was tust du?« wollte sie wissen.

»Ist diese Tür verschlossen?« fragte Reginald aufgebracht von der anderen Seite. Ich lächelte. Natürlich war sie verriegelt.

»Mach die Tür auf!« brüllte Reginald und hämmerte mit der Faust gegen das dicke Holz.

Das Mädchen ächzte. Als sie sich bewegte, prallte ihr das an der Zugleine hängende Brett gegen das Bein.

»Tür aufmachen!« wiederholte Reginald zornig.

»Kannst du schwimmen?« fragte ich.

»Nein«, antwortete sie. »Außerdem bin ich gefesselt.«

»Mach die Tür auf!« befahl Reginald und brüllte. »Artemidorus! Surtus!«

Ich packte das Mädchen an einem Oberarm und schob sie auf das Fenster zu. Beim Hinausblicken machte ich in der Nähe keine kleinen Boote aus.

»O nein!« stöhnte das Mädchen. »Bitte nein!«

Weitere Männer gesellten sich vor der Tür zu Reginald.

Ich zog den Knebel aus meinem Gürtel und stopfte ihn ihr in den Mund. Dann warf ich das Holzbrett mitsamt dem Paket aus dem offenen Kabinenfenster; die Schnur straffte sich, bis die Last an ihrem Halskragen hing.

»Luta! Luta!« rief Reginald. »Bist du da?«

»Hier ist niemand, der Luta heißt!« gab ich fröhlich zurück. »Sie trägt jetzt einen Namen, den ich für sie ausgesucht habe: Shirley!«

»Wer bist du? Wer redet da?« wollte Reginald wissen.

»Ich nehme deine Sklavin mit, die recht ordentlich ist«, sagte ich. »Außerdem noch etwas anderes, das ich ganz interessant fand.«