Выбрать главу

»Sowohl hier auf den Mauern als auch an der Zufahrt, Kapitän«, erwiderte ein Mann.

Schmale gelbe Dreieckswimpel stiegen auf und begrüßten die Ankommenden.

Eine Brandbombe wurde von einem der vorderen Schiffe in die Luft katapultiert und zog einen braunen Rauchstreifen hinter sich her. In schönem Bogen stieg das Geschoß empor und stürzte dann in die Sümpfe, die sich zu beiden Seiten des Kanals erstreckten.

»Signal erwidern!« befahl Callimachus.

Gleich darauf stieg zur Antwort eine Rauchbombe von der Festung empor, beschrieb einen anmutigen Bogen, verharrte einen Moment lang und stürzte irgendwo ab.

Wir beobachteten die Ruder der näherkommenden Schiffe. Sie ließen keinerlei Zögern erkennen.

»Sie nähern sich zuversichtlich«, sagte jemand.

»Gut«, antwortete Callimachus.

Dicht neben uns rasselte eine Kette; Kliomenes, der um die Füße eine Metallfessel trug, wurde auf den Wehrgang geschoben. Er trug eine scharlachrote Robe. Auf dem Kopf saß ein quastenverziertes gelbes Barett. »Lächle, Kliomenes!« sagte ich aufmunternd. Er verkniff das Gesicht. Die Spitze meines Dolches lag an seinem Rücken.

Schon befand sich die erste Galeere in unmittelbarer Nähe des Flußtors. Auf unser Betreiben erstieg Kliomenes eine Erhöhung hinter der Brustwehr, um von unten besser gesehen zu werden. Armbrustpfeile waren auf seinen Rücken gerichtet. Er lächelte. Er hob die Hand und winkte. Ich nahm nicht an, daß wir ihn töten mußten, wenigstens nicht sofort. Von den Vorderkastellen und Decks der anfahrenden Galeeren waren seine Fußfesseln nicht zu sehen.

Aus der Deckung der Brustwehr schaute ich mir das Vorderkastell der ersten Galeere an. Drei Männer standen darauf. Nur von einem wußte ich sicher, daß ich ihn kannte, und er trug interessanterweise eine Maske. Trotz seiner Verkleidung war er mir auf seine Weise nicht unbekannt. Ich war ihm spätnachts im Hafen von Victoria begegnet. Er hatte mich töten wollen. Dieser Mann war der echte Kurier Ragnar Voskjards. Die anderen beiden Männer trugen Kapitänskleidung. Keiner der beiden schien jene Aura der Macht oder zumindest jenes Selbstbewußtsein zu besitzen, das ich von einem Ragnar Voskjard erwartet hätte. Voskjard war also wohl gar nicht bei seiner Flotte. Schon vorher hatte ich vermutet, daß die Schiffe nicht unter Voskjards Kommando standen, sondern unter dem eines Rädelsführers; Voskjard selbst war in seiner Festung geblieben, um sich nicht mit einem so alltäglichen Kampf zu belasten, dessen Ausgang doch von vornherein feststand.

»Wer ist das da auf dem Deck des Vorderkastells?« wandte ich mich an Kliomenes.

»Reginald«, antwortete dieser, »ehemals Kapitän der Tamira

»Wer noch?« Ich hatte Reginald noch nicht von Angesicht gesehen, wenn ich mich auch schon auf seinem Schiff befunden hatte. Er schien mir ein großer, beeindruckender Mann zu sein.

»Der Kurier Ragnar Voskjards«, fuhr Kliomenes fort. »Damit meine ich den Maskierten.«

»Und der andere?« wollte ich wissen.

»Den kenne ich nicht«, antwortete Kliomenes.

»Ist es Ragnar Voskjard?«

»Ich glaube nicht.«

Reginald rief etwas zu Kliomenes empor. Die verabredeten Losungssignale konnten nicht ausgetauscht werden, da die versiegelten Dokumente, in denen alles stand, mit der Tamira untergegangen waren und jetzt auf dem Boden des Vosk ruhten. Natürlich fand sich Kliomenes, im Schußfeld der Armbrüste, bemüßigt, diese Erklärung zu akzeptieren. Außerdem waren unter den gegebenen Umständen Losungsworte sicher nicht erforderlich. Reginald war persönlich anwesend. Er war selbst schon in der Festung gewesen, bei Policrates und Kliomenes.

Wir gaben Befehl, und das schwere Tor wurde angehoben. Diesmal aber mühten sich Piraten an der Winde. Ich bedauerte, daß Kliomenes nicht mit ihnen schwitzen konnte. Der dritte Mann auf dem Vorderkastell der ersten Galeere, das erfuhren wir nun, war Alcibron, der ehemalige Kommandant der Tuka. Nur gut, daß wir dieses Schiff (wie auch die Tina und die Tais) aus dem Festungsbecken entfernt hatten. Alcibron – und vielleicht nicht nur er – hätte sie bestimmt sofort erkannt und zum Rückzug geblasen. Unsere Falle hätte dann nutzlos zugeschnappt. Noch etwas anderes, das einmal Alcibron gehört hatte, befand sich in der Nähe, ein Mädchen, das ich ihm fortgenommen und zu meiner Sklavin gemacht hatte. Sie, Lola, wurde mit Shirley, einer anderen Sklavin aus meinem Besitz, in der Festung gehalten. Diese Mädchen, ebenso wie die kastanienbraune Schönheit, für die sich Miles aus Vonda interessierte, und die kleine Brünette, an der ich ein gewisses Interesse zeigte, wußten nicht, was aus ihnen werden würde. Und das war ganz richtig so, denn sie waren Sklavinnen.

Ich sah die führende Galeere am Steg hinter der Festungsmauer anlegen, auf der anderen Seite des Innenbeckens. Leinen wurden vertäut. Piraten kamen an Land.

»Es wird dir niemals gelingen!« fauchte Kliomenes.

»Tritt zurück«, befahl ich, »damit deine Fußfesseln nicht zu sehen sind!«

Er gehorchte!

»Und jetzt lächelst und winkst du«, forderte ich ihn auf. »Es sei denn, du möchtest sterben.«

Er lächelte und winkte.

Reginald und Alcibron erwiderten die Geste von dem breiten Holzsteg. Der Mann, der einmal der Kurier Ragnar Voskjards gewesen war, schaute sich mißtrauisch um und betrat dann zusammen mit dem anderen die Festung. Drinnen warteten in einem vorbereiteten Raum auf einem langen Tisch zweihundert Kelche voll Wein, mit Tassa-Pulver versetzt. Waren die Piraten erst ahnungslos in der Festung und widmeten sich dem Trinken, wollten wir die Tür verriegeln. Schon wurden andere Schiffe am Steg vertäut, und nachfolgende Einheiten machten an der Bordwand der ersten Reihe fest. Es konnte nicht lange dauern, dann würde das Innenbecken, wenn alles gut ging, voller Schiffe sein. Dann mochte man das Becken überqueren können, indem man von Deck zu Deck sprang. Mehr als zweihundert Piraten waren inzwischen begrüßt und ins Innere der Festung gewiesen worden. Später sollten Schiffsbesatzungen in kleineren Gruppen in die Tiefe des Gebäudes geführt werden, um dort von größeren Gruppen überwältigt und in die Verliesgruben geworfen zu werden, die von den gefangenen Piraten Kliomenes’ vorbereitet worden waren.

»Es müssen schon zwanzig Schiffe im Becken liegen«, sagte ich.

»Alles geht gut«, sagte Callimachus.

Plötzlich erschien ein Mann am inneren Eingang der Festung, in der Hand ein blutiges Schwert. Es war der ehemalige Kurier Ragnar Voskjards, dessen Kleidung zerfetzt herabhing.

»Zurück! Zurück!« schrie er. »Dies ist eine Falle!«

Piraten starrten ihn verständnislos an.

»Zurück!« brüllte er. »Zurück!« Schon gab es ein Durcheinander bei den Ruderern. Eine Galeere versuchte zu wenden. Eine andere, die gerade durch das Tor hereinglitt, stieß knirschend mit ihr zusammen. Auf den Schiffsdecks begannen Männer herumzulaufen. Niemand wußte, was los war. Der Mann mit der Maske begann nun schwertschwingend und brüllend von Schiff zu Schiff zu springen und sich dabei dem Außentor zu nähern. Das Geschrei pflanzte sich schnell über das ganze Innenbecken fort, wenn es auch mehr verwirrt als alarmierend klang. Ein weiteres Schiff wollte durch das Tor herein.

»Der Mann darf mir nicht entwischen«, sagte Callimachus ernst. Er hob und senkte die Hand. Dieses Signal wurde unverzüglich an den westlichen Torturm weitergeleitet, und als der Maskierte unten gerade ins Wasser sprang, um zur Durchfahrt zu schwimmen, raste das Tor mit donnerndem Geprassel von Ketten und Gegengewichten, bebend und scharrend herab, krachte halb achtern auf eine Galeere, durchtrennte sie und bohrte sich in die Löcher tief unter Wasser. Der Kurier Ragnar Voskjards hatte keine Fluchtchance mehr.

»Feuerbomben!« rief Callimachus. »Gebt unseren Leuten in den Sümpfen Bescheid! Zieht die Angriffswimpel auf!« Jubelgeschrei tönte von den Mauern. Männer erhoben sich auf den Wehrgängen, entzündeten Lunten aus ölgetränkten Lumpen, die in ölgefüllten Tongefäßen endeten; eine Signalbombe, die roten Rauch verströmte, wurde von einem Mauerkatapult hoch über das Sumpfgebiet geschossen. Rote Angriffsflaggen knatterten im Wind. Tonkugeln, die ganze Flammenseen verbreiteten, platzten auf den Decks der im Innenbecken festgekeilten Galeeren. Soldaten aus Ar-Station tauchten zu beiden Seiten aus den Sümpfen auf und schleuderten ähnliche Brandgeschosse gegen die Schiffe, die noch im Kanal standen. Unsere Kämpfer stürmten durch die Metalltür der Festung ins Freie, um die Innenstege zu besetzen, die das Schiffsbecken säumten. Es kam zu Scharmützeln, sogar auf den brennenden Decks. Unsere Männer strömten von den Mauern herab, um ihren Gefährten zu helfen.