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»Sichert ihn gut!« sagte Policrates.

Ich zuckte zusammen. Mein Rücken streckte sich vor dem Backbord-Scherblatt von Policrates’ Flaggschiff. Unwillkürlich schrie ich vor Schmerzen auf. Die Fesseln wurden noch fester zugezogen. Nun wurden auch meine Beine nach hinten gezerrt und an den Fußgelenken mit Seilen gesichert. So hing ich da, vor die Klinge gebunden, und konnte, wenn ich nach rechts schaute, die Backbordreling von Policrates’ Flaggschiff ausmachen. Den Kopf in den Nacken legend, sah ich blauen Himmel und Wolken. Nach vorn vermochte ich nicht zu schauen. Auf der anderen Seite des Schiffes wurde Callimachus vermutlich auf ähnliche Weise am dortigen Scherblatt festgebunden.

Policrates hatte ein klares Ultimatum ausgesprochen. Callimachus und ich mußten ihm ausgeliefert werden. Callisthenes, Reginald und Kliomenes waren freizulassen, sonst würde Victoria die Feuer und Schwerter zu spüren bekommen. Das wehrlose Victoria, das hatten wir uns geschworen, durfte unter unserem Tun nicht leiden. Gegen den Widerstand Miles’ aus Vonda, den wir als Kommandant der Festung zurückließen, hatten wir uns ergeben.

»Wenden!« hörte ich Policrates seinen Steuerleuten zurufen. Ich spürte, wie sich mein Körper mit der Klinge bewegte, als das Schiff im Kanal zu drehen begann.

»Du kannst zwar nicht nach vorn schauen, aber sicher hören«, sagte eine Stimme von der Backbordreling.

Ich blickte nach rechts oben. Dort stand Policrates.

»Ich hege die Hoffnung«, fuhr er fort, »daß es zu einem Kampf kommt.«

»Wo liegt dein Ziel, Kapitän?« fragte ich.

»In Victoria«, antwortete er.

Von Zorn überwältigt, begann ich mich aufzubäumen. Doch schon spürte ich Blut an der Klinge hinablaufen und stellte meine Bemühungen stöhnend wieder ein.

Er lachte und wandte sich von der Reling ab.

Bedrückt, voller Zorn, reglos lag ich auf der Klinge. Ich spürte den schmalen harten Stahl im Rücken. Die Fesseln saßen fest. Ich spürte die Bewegung des Schiffes. Ich sah den blauen Himmel und die Wolken. Ich war völlig hilflos.

14

In meiner Position auf dem großen gekrümmten Scherblatt vermochte ich außer dem Himmel nicht viel zu sehen. Allerdings hörte ich ein anderes Schiff in der Nähe.

»Es ist der Wendige Tharlarion!« rief eine Stimme. Wir mußten uns bereits in der Nähe Victorias befinden. Der Wendige Tharlarion, das wußte ich, war Ragnar Voskjards ureigenstes Schiff. Er kam von Westen den Fluß herauf, um mit seiner Flotte und den Einheiten des Policrates zusammenzutreffen. Diese Zusammenkunft hatte ursprünglich in Policrates’ Festung stattfinden sollen. Nun waren an der Kanalmündung Kundschafterschiffe zurückgeblieben, um ihn nach Victoria umzuleiten.

»Du bist Policrates?« hörte ich einen Ruf.

»Ja!« antwortete Policrates.

»Er ist es, es ist Policrates«, meldete sich eine andere Stimme rechts über mir. Es war die Stimme Reginalds, der beide Männer kannte.

»Wo sind meine Schiffe?« fragte die erste Stimme, die links von mir ertönte. Wut schwang in dieser Stimme. Erst vor kurzem – vermutlich erst in den letzten Ahn – hatte Voskjard von dem Schicksal so vieler Schiffe seiner Flotte erfahren. Dem mächtigen Voskjard waren erheblich die Flügel gestutzt worden. Von seinen ursprünglichen drei Flotten, die hundertundfünfzig bis hundertundsechzig Schiffe umfassen mochten, blieben ihm nun weniger als zwanzig. Es würde Zeit kosten, die alte Macht am Fluß zurückzugewinnen.

»Frag den Vosk und deine Kapitäne, diesen traurigen Haufen«, antwortete Policrates.

»Willst du mich herausfordern, Kapitän?« fragte die Stimme von links.

»Das kannst du sehen, wie du willst«, antwortete Policrates.

»Wie kommt es, daß meine Schiffe nicht unterstützt wurden?« wollte die Stimme von links wissen.

»Ich habe meinen Teil getan«, antwortete Policrates. »Ich verteidigte den östlichen Teil des Flusses und hielt damit die gemachten Zusagen.«

»Keines deiner Schiffe hat auch nur einen Kratzer abbekommen«, klagte die andere Stimme.

»Die Leute wußten eben, daß der Kampf gegen mich sinnlos sein würde«, entgegnete Policrates. »Allein meine Gegenwart schützte deine Flanke.«

»In deiner Festung gerieten meine Leute in einen Hinterhalt!« rief die Stimme von links.

»Ich war nicht dabei«, wandte Policrates ein. »Hier war List im Spiel. Meine Leute wurden getäuscht.«

»Deine Leute sind töricht!«

»Das gleiche gilt folglich für die deinen, die in die Festung einfuhren wie Verr, die sich freiwillig in ein Gehege treiben lassen.«

»Wie kommt es dann, daß die Losungsworte bekannt waren?« wollte die Stimme von links wissen.

»Das weiß ich nicht!« rief Reginald. »Von mir können sie nicht kommen. Die Tamira ist gesunken. Und zwar an der Kette. Ich hatte noch Glück, daß ich mit dem Leben davonkam.«

»Zwei Männer, die mit dieser schlimmen Angelegenheit zu tun haben«, sagte Policrates, »hängen jetzt nackt und hilflos auf unseren Scherblättern.«

»Gut«, sagte die Stimme von links. »Ich werde dafür sorgen, daß sie für ihre Mühen ausgiebig entschädigt werden – ganz nach meinem Belieben.« Die Stimme klang schon etwas ruhiger, und ich spürte Blicke auf mir ruhen.

»Es sind meine Gefangenen«, stellte Policrates fest. »Mit ihnen tue ich, was mir gefällt.«

»Wie du willst«, sagte die Stimme links von mir. Ich erkannte, daß Policrates seine Rache an Callimachus und mir persönlich vollziehen wollte. Wir waren ihm sehr wichtig. Er hatte nicht die Absicht, uns einem anderen zu überlassen. Ich wagte mir nicht vorzustellen, was er uns antun wollte.

»Übergib mir jetzt die Kommandoflaggen!« rief die Stimme von links.

»Ich bin der führende Mann am Fluß«, sagte Policrates.

»Ich bin Ragnar Voskjard!« rief die Stimme von links.

»Und ich Policrates!«

»Ich bin der erste Mann am Fluß!«

»Du hast höchstens noch zwanzig Schiffe. Ich verfüge über vierzig!«

»Wir haben einen Vertrag!« rief Ragnar Voskjard. »Das Versprechen, das wir uns im Schatten des Topases gegeben haben.«

»Ich habe die Bedingungen dieses Vertrages geändert, mein guter Kapitän«, sagte Policrates.

»Mit welchem Recht?«

»Mit dem Recht meiner vierzig Schiffe.«

»Ich werde mich in meine Festung zurückziehen.«

»Tu das, wenn es dir gefällt«, sagte Policrates.

»Ich bin nicht auf dem Fluß nach Osten gefahren, um mit leeren Schatztruhen zurückzukehren.«

»In Victoria gibt es für uns alle mehr als genug«, äußerte Policrates.

»Dann werde ich mich dir anschließen.«

»Ich bin der führende Mann am Fluß«, sagte Policrates. »Solltest du das bestreiten wollen, werden wir es auskämpfen, Schiff um Schiff.«

»Ich gedenke es nicht zu bestreiten«, sagte Ragnar Voskjard verbittert.

»Dann bin ich der führende Mann am Fluß«, sagte Policrates.

»Ja«, erwiderte Ragnar Voskjard bitter, »du bist der erste Mann am Fluß.«

15

»Es ist ruhig«, sagte Kliomenes.

Er stand auf einer Pier in Victoria, links von der Klinge, auf der ich festgebunden war. Das Schiff wurde soeben vertäut.

»Wie erwartet«, sagte Policrates, der neben ihm erschien. Piraten verließen das Flaggschiff und strömten an den beiden vorbei. Ich hörte witzige Bemerkungen über die Frauen von Victoria, die den Piraten in dieser Nacht erliegen würden.

»Kein Alarmschlag ist zu hören, nicht einmal das«, sagte Reginald, der ehemalige Kapitän der Tamira.

Zahlreiche andere Schiffe näherten sich den Kaianlagen der Stadt und wurden festgemacht.

»Eigentlich müßten die Leute mit Geschenken und ihren bekränzten Töchtern singend zum Hafen kommen, um uns gnädig zu stimmen«, sagte Callisthenes.

»Aber selbst davor haben sie Angst«, sagte Policrates.

Ich begann mich auf der Scherklinge zu winden und spürte gleich darauf wieder frisches Blut am Rücken. Im nächsten Moment wurde mir eine Schwertspitze an die Flanke gehalten.