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»Was ist?« fragte einer meiner Begleiter.

»Sie müssen hier etwa eine Viertel-Ahn lang am Werk gewesen sein«, bemerkte ich.

»Wie schlimm steht es?« wollte er wissen.

»Die Kette ist geschwächt.«

»Was tun wir?«

»Wir setzen unsere Patrouillenfahrt fort.« »Hast du das gehört?« fragte einer meiner Männer.

»Ja«, antwortete ich.

»Ein Fisch?«

»Eher ein Taucher, würde ich sagen.«

»Was machst du?«

»Holt mich in fünf Ehn hier wieder ab«, sagte ich.

Ich legte meine Waffe mitsamt der Scheide unten ins Boot. Dann zog ich Sandalen und Tunika aus.

»Gebt mir ein Messer!« forderte ich.

»Hier!« sagte jemand. Ich steckte mir die Klinge zwischen die Zähne und rollte stumm über die Reling des Ruderboots, das sich beinahe lautlos entfernte.

Es war kalt und dunkel im Wasser des Vosk-Flusses.

Einige Ehn später kehrte das Boot zurück, und ich wurde an Bord gezerrt.

»Hier ist dein Messer«, sagte ich.

»War es ein Fisch?« fragte jemand.

»Nein.«

»Die Klinge ist ja klebrig«, sagte der Mann, der mir die Waffe geliehen hatte.

Ich spuckte in den Vosk. »Spül sie ab!« sagte ich.

»Wie viele waren es?« wollte jemand wissen.

»Zwei«, sagte ich. »Sie hatten keine Geduld. Sie wollten zu schnell weiterarbeiten.«

»Was tun wir jetzt?«

»Wir kehren zur Tina zurück«, sagte ich. »Wir brauchen unseren Schlaf, denn morgen wird es zu Kämpfen kommen.«

»Ist die Kette beschädigt?« fragte ein Mann.

»Ja, ziemlich«, gab ich zurück.

»Das hätte auch an hundert anderen Stellen passieren können.«

»Das meine ich auch.«

»Morgen wird die Kette also nicht halten«, sagte ein Mann zögernd.

»Ich gehe davon aus.«

»Vielleicht sollten wir fliehen, solange es noch möglich ist«, meinte er.

Ich zuckte die Achseln. »Darüber müssen die Besatzungen und ihre Kapitäne bestimmen«, meinte ich.

»Die Taucher – hast du sie beide umgebracht?«

»Ja«, sagte ich.

»Dann wird Ragnar Voskjard also nicht erfahren, daß die Kette gerade an jener Stelle besonders schwach ist.«

»Nein.«

»Aber es wird andere Stellen geben.«

»Natürlich«, bestätigte ich.

»Es ist unmöglich, die Kette zu beschützen«, sagte jemand.

»Früher oder später, wenn nicht schon diese Nacht, wird sie durchschnitten.«

»Voskjard ist bei seinen Plänen schon sehr behindert worden«, sagte einer der Männer. »Es heißt, er sei nicht sehr geduldig.«

»Wir sind keine Seeleute«, meinte ein anderer. »Bei einem offenen Kampf auf dem Fluß haben wir gegen Voskjards schnelle Schiffe keine Chance.«

»Mit uns kämpfen die Schiffe aus Port Cos«, bemerkte jemand.

»Das sind zu wenige. Und ist die Kette erst einmal durchbrochen, ziehen sie sich möglicherweise zurück, um Port Cos zu schützen.«

»Wenn es Voskjard gelingt, sich mit Policrates zusammenzutun«, sagte ein Mann, »und wenn dann die Streitkräfte von Port Cos und Ar-Station gespalten sind, kann sich keine Stadt am Fluß mehr in Sicherheit wiegen.«

»Dann würde den Piraten der ganze Vosk gehören.«

»Wir müssen fliehen!« rief jemand.

»Hierüber kann morgen früh durch die Kommandeure und ihre Besatzungen entschieden werden«, sagte ich.

»Aber man kann auch einzeln fliehen.«

»Den ersten, der seinen Posten verläßt, bringe ich um!« rief ich.

»Gib uns deine Befehle!« rief jemand.

»Dreht bei!« sagte ich. »Wir wollen zur Tina zurückkehren.«

»Aber wir müssen an der Kette bleiben.«

»Nein«, sagte ich.

Langsam wendete das Ruderboot und bewegte sich in nördlicher Richtung an der Kette entlang. Ich war zu dem Schluß gelangt, daß das Schicksal des Flusses nicht vom Schicksal der Kette abhing.

Auf dem Rückweg wurden wir mehrmals von Piraten angerufen, antworteten aber nicht.

»Wir haben keine weiteren Hinweise auf Arbeiten an der Kette gefunden«, sagte ein Mann, als wir uns der Tina näherten, die östlich der Kette lag und an einer der Bugkastell-Leinen eine Laterne präsentierte.

»Vielleicht hat Voskjard aufgegeben«, meinte jemand.

»Vielleicht ist die Arbeit längst zu seiner Zufriedenheit getan«, sagte ein anderer.

»Die Kette muß halten!« rief einer unserer Ruderer.

»Was meinst du, Jason?« fragte jemand.

»Wollen wir inbrünstig hoffen, daß sie hält«, sagte ich.

»Aber du glaubst nicht mehr daran?«

»Nein.«

»Wir müssen fliehen!« rief jemand.

»Würdest du den Fluß Männern wie Policrates und Ragnar Voskjard überlassen wollen?«

»Nein.«

»Bist du es, Jason?« rief Callimachus von Bord der Tina.

»Ja.«

Das große Schiff tauchte vor uns auf, und wir warfen eine Leine hinüber.

3

Die Galeere, etwa achtzig goreanische Fuß lang, raste auf die Kette zu. Ihr Bug ragte unnatürlich hoch aus dem Wasser und berührte nicht einmal die Wellenkronen.

»Hervorragend!« lobte Callimachus den Gegner.

»Was ist?« rief ich zum Bugkastell empor.

»Sie haben den Ballast verlagert!« rief Callimachus zurück. »Großartig!«

Das Schiff setzte die Anfahrt fort. Das Dröhnen des Hammers tönte bis zur Tina herüber. Eine solche Geschwindigkeit ließ sich nur kurze Zeit durchhalten. Der mächtige Schiffsleib hob sich vorn noch ein wenig mehr aus dem Wasser.

»Sind die verrückt geworden?« rief ich.

»Sie wollen über die Kette rutschen«, sagte Callimachus.

Ich umklammerte staunend die Reling. In den unteren Laderäumen mußte jedes Sandkorn zum Heck verlagert worden sein, ebenso wie Gerätschaften und Katapultsteine und sogar die Mannschaft – mit Ausnahme der Ruderer.

Und schon war der konkave Bug über die Kette gerutscht. Knirschend fuhr die Kette am Kiel entlang. Im nächsten Moment saß die Galeere halb auf der Kette fest und bewegte sich torkelnd wie ein Schiff auf einer Sandbank, von Wogen bestürmt, von gegensätzlichen Strömungen gepackt.

»Ruder aus!« rief Callimachus. »Fertig!«

Aus westlicher Richtung sahen wir eine zweite Galeere herbeirasen, den Bug hoch aus dem Wasser erhoben.

Die erste Galeere ließ die Ruder wirbeln und rutschte in Schräglage weiter vorwärts.

»Sie wird über die Kette kommen!« rief ich.

»Zwei Strich Backbord!« rief Callimachus. »Fahrt aufnehmen!« Mit Handsignalen gab sein Offizier diesen Befehl an die Steuerleute und den Rudermeister am Heck weiter.

Die Tina bewegte sich in schneller Fahrt auf den Eindringling zu. Ich warf mich an Deck. Wir trafen die Steuerbordseite des Bugs, als der Pirat eben knirschend und splitternd von der Kette glitt.

»Ruder rückwärts!« befahl Callimachus.

Der Aufprall hatte mich fast drei Meter weit über das Deck gleiten lassen.

Bis zum Kiel erbebend, begleitet von lauten Splittergeräuschen, zog die Tina ihre Ramme wieder frei. Das Vorderdeck des Gegners lag bereits unter Wasser. Männer standen dort bis zu den Knien im Wasser und klammerten sich verzweifelt fest. Das Katapult auf dem hohen Achterdeck des Gegners hatte sich von seinem mächtigen Drehgestell gelöst. Die Spannseile wirbelten im Wind. Eine Gestalt stürzte vom Heck ins Wasser.

»Seht!« rief ein Mann bedrückt und deutete nach Steuerbord. Die feindliche Galeere war über die Kette gerutscht.

»Das erste Schiff Ragnar Voskjards hat die Kette überquert!« rief ein anderer Kämpfer.

Weitere Galeeren näherten sich der Kette.

»Und noch eine ist herüber!« rief ein Mann und deutete auf ein Schiff, das die Kette mit einem Rammanöver zu durchbrechen versuchte. Unterdessen eilte die Mira herbei, um die Galeere anzugreifen, die über die Kette gerutscht war. Der Stoß fand sein Ziel, und unsere Männer jubelten. Das Steuerbordruder der feindlichen Galeere war beim Überqueren der Kette abgerissen worden. Voskjards Galeeren verfügten wie die meisten goreanischen Schiffe über zwei Steuerruder.